Realitätsverlust und Entrückung

Die Kärntner Koalition ist schlimm. Noch schlimmer ist aber das politische Missmanagement der sozialdemokratischen Führungsriege. Eine Antwort auf die SPÖ-"Kommunikations"(!)-Chefin Katharina Krawagna-Pfeifer. Standard April 04

 

 

Unter all den Wortmeldungen zur Causa dieses rot-blauen Frühjahrs kommt dem Beitrag von Katharina Krawagna-Pfeifer eine privilegierte Stellung zu. Die ehemalige Journalistin und nunmehrige SPÖ-Funktionärin verbindet ihre beiden Professionen auf die denkbar unfruchtbarste Weise: in der publizistischen Form mißglückt führt sie exemplarisch politische Instinktlosigkeit auf einem Niveau vor, das einem zunächst einmal die Worte verschlägt. Nun sind die Selbstgerechtigkeit und das Unvermögen, die in diesem Text zutage treten, nicht Frau Krawanga-Pfeifers Privatangelegenheit. Sie ist ja, man lasse sich das auf der Zunge zergehen, "Kommunikationschefin der SPÖ". Und insofern ist das kommunikative Unvermögen durchaus symptomatisch.

 

Gewiss kommt innerparteiliche Kritik an der politischen "Linie" der SPÖ – wobei der Begriff "Linie" in diesem Zusammenhang selbstredend Fehl am Platz ist – auch von schrägen Gestalten: vom Wolfsberger Bürgermeister Seifried oder vom tief beleidigten Josef Broukal, der sich jetzt dafür rächt, dass er Krawagna-Pfeifers Job nicht bekommen hat.

 

Gewiss auch führte um die Wahl von Jörg Haider zum Kärntner Landeshauptmann kaum ein Weg herum. Die Landtagswahl war als Volksabstimmung um den Landeshauptmann aufgezogen und der Amtsinhaber hat dieses Referendum für sich entschieden. That’s it. Insofern – und übrigens nicht nur aus diesem Grund – unterscheidet sich die Situation 2004 in Kärnten von der des Jahres 2000 im Bund.

 

Darum lässt sich jedenfalls argumentieren, dass es die Achtung der Demokratie gebietet, Haiders Wahl zum Landeshauptmann zumindest nicht zu verhindern und dass man die theoretische Möglichkeit, einen SPÖ-Landeshauptmann mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zu wählen, nicht verfolgt. Das Argument, die 57 Prozent, die Haider nicht wählten, hätten ein mindestens ebenso starkes Recht, ihre Botschaft politisch repräsentiert zu sehen, ist zwar auch nicht ganz schlecht. Aber immerhin: Keines der beiden Argumente ist politisch oder gar moralisch verwerflich.

 

Nur besteht doch ein Unterschied darin, ob man sagt, man ebnet dem Wahlsieger den Weg in die Landeshauptmannschaft, weil man das Wahlergebnis respektiert, oder ob man mit Pomp und Verve sich diesem an den Hals wirft – unter eklatanter Mißachtung all dessen, was bis gestern noch galt. Man kann jemanden, der in einer Volkswahl unzweifelhaft bestätigt wurde, sogar durchaus zähneknirschend im Landtag dann die Stimme geben; man kann sogar, wenn sich alle anderen Möglichkeiten zerschlagen und die Sorge ums Ganze es gebietet, mit so jemand eine Koalition eingehen – wobei schon zweifelhaft scheint, ob dieser Zwang in Kärnten bestanden hat. Aber dann wird das nicht in sechs Stunden abgehandelt sein und die Beteiligten werden nicht so glücklich aussehen wie die Kärntner Kumpane Haider und Ambrozy. Und es komme keiner, und sage, das seien nur Oberflächlichkeiten: Oft zählt mindestens so sehr, warum und wie man etwas macht, wie zählt, was man macht.

 

Zur Krise wurde das Kärntner Ereignis aber auf Grund der Geschehnisse in der Wiener SPÖ-Spitze. Seien wir doch ehrlich: Schon vor dem Fall Kärnten hatte Alfred Gusenbauer Zweifel an seiner Führungsstärke und vor allem an seinem politischen Instinkt nie zerstreuen können. Dass er ein kluger und sympathischer Kerl ist, wird zwar gerne konzediert, aber ein politisches Alpha-Tier würde ihn kaum jemand nennen. Das Management der Causa Kärnten hat ihn endgültig schwer beschädigt. Gusenbauer werde mit Absicht missverstanden, lamentiert Krawagna-Pfeifer. Nun, jemand der mit gewisser Aufmerksamkeit, aber doch auch mit Distanz den Politbetrieb verfolgt – so jemand wie ich, beispielsweise -, weiss nicht recht, wie er den SPÖ-Vorsitzenden verstehen soll: Hat er die Entscheidung Ambrozys akzeptiert, weil er sie für richtig hält oder nur, weil er weiss, dass er in Kärnten ohnedies nichts zu reden hat? Will er via Kärnten gar ein Signal an FPÖ-Wähler senden, dass sie, wenn sie der FPÖ von der Stange gehen nicht direkt zur ÖVP wandern sollen (wie bei den vergangenen Nationalratswahlen), sondern zur Sozialdemokratie? Hat er das vielleicht gar kalkuliert und zahlt nun aus strategischen Gründen bewusst den Preis der Negativ-Schlagzeilen? Oder hat er kalkuliert – nur mal wieder schlecht?

 

Eine Parteiführung handelt in einer nicht ganz unwesentlichen Frage – nämlich dem Verhältnis zur FPÖ – auf eine bestimmte Weise und selbst wohlwollende, einfühlsame Zeitgenossen wissen letztendlich nicht, warum sie so handelt, sie ahnen aber, dass das alles ein bisschen patschert ist. Und wer ist jetzt das Problem: der, der das vergurkt? Oder der, der das vergurkt nennt? (Zweiterer, so die Meinung von Frau Krawagna-Pfeifer).

 

Das ist alles deshalb halb clownesk, halb tragisch, weil die SPÖ so ziemlich ihre letzte Grundsatzposition – die Distanz zum Rechtspopulismus – räumt; und das auch noch, ohne etwas davon zu haben; weil der Mangel an politischer Witterung und an Professionalität der Spitzenchargen der Partei erschreckend deutlich macht, wie unwahrscheinlich es auch heute ist, dass die Sozialdemokratie in einer Nationalrats-Wahlkampagne gegen den Amtsinhaber und seine Macht-Maschinerie bestehen kann; und weil Wortmeldungen wie die von Krawagna-Pfeifer, die in einem schwülen Beschwörungsstakatto endet (Marke: Wir sind gut, wir gewinnen alle Wahlen, aber die inneren Feinde fallen uns in den Rücken) auf erschreckende Weise Realitätsverlust und Entrückung der Parteispitze zeigen.

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