Die Freude wächst

Wie sehen Sieger aus? Wie Gusenbauer. Und wer bleibt eine Fussnote der Geschichte? Schüssel! Wer hätte das gedacht.

Der Nebel senkt sich. Aus Emotionen wird Nüchternheit und vielleicht aus erster Nüchternheit auch eine Emotion – schließlich sind aufgeklärte Bewohner der Mediengesellschaften trainiert darauf, ihren eigenen Emotionen mit angebrachter Skepsis zu begegenen.

Nun also, langsam kann man sich der Freude hingeben, dass wir "DIE" los sind, die arroganten Umfärber und die Hetzer. Die größte Freude vielleicht: dass Schüssel, dieser petit grande homme, nach nur sechs Jahren wieder verjagt wurde. Er wollte das Land nachhaltig prägen wie Kreisky und brachte es nur zur Fussnote der Geschichte – wie Klaus, wie Sinowatz. Ansonsten freilich eine seltsame Ungerührtheit – irgendwie sieht die Stadt auch nicht anders aus als vorgestern, sie wird von den selben Leuten bewohnt. Dass diese Regierung de facto weg ist, fällt im Alltag eben kaum auf – was ja nicht schlecht ist, sie ist uns im Alltag ja auch nicht so aufgefallen, als sie noch da war.

Und Gusenbauer? Vielleicht haben wir ihn alle unterschätzt. Vielleicht hatte er recht, und alle, die ihn zuletzt mit wachsender Skepsis betrachteten, unrecht.

Bei mir war das ja so: Ich war am Anfang vielleicht kein Fan, aber Gusenbauer doch sehr wohlgesonnen. Ich sah ihn als Chance – und sah diese Hoffnung langsam enttäuscht, durch seine Unfähigkeit, Situationen zu nützen, und durch vor allem seine ostentative Selbstsicherheit, die signalisierte, er sähe ja keinen Grund, irgendetwas in der Partei, an ihrem Erscheinungsbild zu ändern. Dadurch, dass er den Führungszirkel auf den Bures-Kalina-Cap-Trupp verengte – und damit auch das Spektrum seiner Partei.

Sturheit und Beratungsresistenz ist die eine Seite der Medaillie, Durchhaltevermögen die andere. Da ab nun die Geschichte von ihrem Ende her – also nicht vom Scheitern, sondern vom Erfolg her, erzählt wird, wird sie zunehmend rosarot eingefärbt werden.

Ein paar interessante Zeilen dazu aus dem neuen Österreich-blog der "Zeit" von Joachim Riedl:

"Es ist zu früh, zu beurteilen, ob jetzt in Ö. ein neuer Wind weht, aber bitte haltet mich alle für völlig bescheuert, Gusenbauer hat das Zeug dazu, seinem Vorbild Kreisky das Wasser zu reichen. Wir alle, ich gestehe ich auch, haben ihn unterschätzt. Ich behautpte: Er verdient Respekt und im Unterschied zu seinem Vorgänger (und Vorgängern) ist er überhaupt nicht abgehoben, sondern irgendwie da. Das gennauer zu sagen, fällt schwer. Das , was wir für Sieger halten, sehen irgendwie leider anders aus. let’s say: he is a winner und er hat das, was in der Boxersprache, ein Kämpferherz heißt."

Andererseits: Er wurde ja nicht gewählt, die ÖVP wurde abgewählt. Aber, was die Analysen immer deutlicher zeigen – sie wurde wirklich aus sachpolitischen Gründen abgewählt. Sie lief in die Falle, indem sie auf einen reinen Kanzlerwahlkampf setzte (noch dazu mit unglaubwürdigen Feelgood-Faktor) während die SPÖ die Themenführerschaft hatte – im Sozialen, vor allem in der Bildungspolitik (womöglich hat dieses Thema erstmals einen nationalen Wahlgang entschieden).

Jetzt ist, wie ich gestern schon schrieb, zu hoffen, dass er es sein kann, der die Fenster aufmacht. Die Hoffnung, das er das schaffen kann, ist in den vergangenen 24 Stunden jedenfalls eher gewachsen als dass sie kleiner geworden ist.

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