Bibelschulung I.

Wie medienbewußt war Jesus? Die erste Ausgabe der wöchentlichen Bibelschulung aus dem "Falter", für alle, die sich für den Papstbesuch nicht bibelfest genug fühlen. Falter, 15. 8. 07

Bertolt Brecht, nach jener Lektüre gefragt, die ihn am meisten prägte, antwortete: „Sie werden lachen – die Bibel.“ Nun, wer die Werke des großen B.B. kennt, hätte auch sonst nicht daran gezweifelt. Der Dramatiker hatte sich ziemlich bedient aus der Heiligen Schrift. Macht nichts, die Bibel, als Textschatz, ist so etwas wie das Ur-Zitat. Dass alles irgendwie Zitat ist, wir alle von medialen Bildern konstituiert werden, wie uns die Postmoderne lehrte, das ist nämlich nicht gar so neu: Seit dem Aufkommen der Buchreligionen leben die Menschen regelrecht „zitathafte Leben“, eifern nach, modellieren ihre Ichs an literarischen Vorlagen. Das heißt freilich: Sie sind immer schon medienbewusst.

 

Eines der frühesten, oder zumindest das erste große klassische Exempel von „Medienbewusstsein“ finden wir in den Evangelien. Mir gefällt diese Geschichte außerordentlich, weil sie zeigt, wie sich auch ein Messias ans Script halten muss und gerade dieser Umstand für die Gläubigen seine Heiligkeit beweist. Als Jesus von Nazareth wenige Tage vor seinem Tod in Jerusalem einzieht, setzt er einen „provozierenden Akt der messianischen Selbstinszenierung“ (James Tabor). Er schickt seine Jünger vor und trägt ihnen auf, ein „Füllen“ zu holen. Auf diesem Fohlen ritt Jesus in Jerusalem ein, unter den berühmten Rufen der Menge: „Hosianna dem Sohn Davids!“ (Matthäus, 21.9).

 

Der jüdische Prophet Jesus kannte natürlich die prophetischen Erzählungen des Judentums und er wusste, dass alle anderen sie auch kennen. Darunter die Verheißung des Propheten Sacharja auf das messianische Friedensreich. Der sagte für den großen Tag voraus: „Du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen einer Eselin!“ (Sacharja, 8.9).

 

Für die Anhänger Jesu war der Umstand, dass Jesus so wie verheißen in Jerusalem einzog, der Beweis seines Messiasstatus – dabei beweist die Tatsache natürlich nicht mehr, als dass Jesus die Verheißung kannte, und sich dementsprechend verhielt. Er setzte eine zitathafte Handlung, die seinen Anspruch untermauerte. Er zog ein als der angekündigte Spross Davids (Jeremia 23.5.), damit als Messias-König. Eine Herrschaftsgeste.

 

Man sollte das bedenken, wenn man das nächste Mal die Nase darüber rümpft, dass einer sich in Pose wirft und eine Rolle spielt, deren Autor er nicht ist. Denn das kommt, wie wir sehen, bei den bedeutendsten Männern vor. Mehr noch: Oft macht gerade das ihre Bedeutung aus.

 

Nicht bibelfest genug für den Papst-Besuch? Der Falter schafft Abhilfe. Misiks Bibelschulung gibt es wöchentlich bis zur Ankunft des Pontifex Maximus.

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