Was ist „Kultur“ im „Kulturkapitalismus“?

Am übernächste Woche erscheint mein neues Buch "Das Kultbuch". In einer Passage setze ich mich damit auseinander, wie sich die beiden "Kultur"-Begriffe in der Designer-Capitalist-Society verändern.

Was ist Kultur? Der Begriff »Kultur« ist ja einer der am wenigsten trennscharfen Begriffe, die wir Menschen zur Verfügung haben. Kultur hat einen extrem engen und einen extrem weiten Sinn. Kultur beschreibt hohe Kunst und gleichzeitig nahezu alles, was wir Menschen so tun – vorausgesetzt, wir könnten es auch auf andere Weise tun.


Kultur beschreibt also auch Verhaltensweisen, die auf einer imaginären Topik ganz weit oben und welche, die ganz weit unten angesiedelt sind – wer einer Beethoven-Sonate lauscht, der hat »Kultur«, wohingegen man auch sagt, es ist Teil der italienischen Kultur, im Hocken die Toilette zu benutzen, während es zur deutschen Kultur zählt, selbiges im Sitzen zu erledigen. Kultur hat zweifelsfrei, wer Konflikte auf maßvolle und zivilisierte Weise regelt, aber wer, etwa im Irak, seinem Nachbarn den Hals durchschneidet, der tut das bisweilen auch zur Verteidigung seiner »Kultur«.

 

Beide Kulturbegriffe haben etwas für sich. Was sie verbindet, ist, dass sie zum Ausdruck bringen, dass unser Tun in aller Regel kein simples, voraussetzungsfreies Tun, sondern mit Bedeutung aufgeladen ist – auch wenn der Einzelne davon oft selbst nichts weiß. Kulturalisierung heißt, dass heute praktisch alles, was getan wird, mit Bedeutung versehen ist, und dass immer mehr, was bisher »Kultur« in einem allgemeinen Sinn war, mit mehr Bedeutung versehen wird, so dass es mehr und mehr »Kultur« im engeren Sinn wird. Das heißt nicht, dass wir alle Künstler sind, aber dass die vorsätzliche, strategische Verbindung von Alltagshandlungen mit artifiziellen, ästhetischen kulturellen Gesten in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen hat. Um dies noch einmal am Beispiel von Gebrauchsgütern zu sagen: Produkte waren immer schon in einem allgemeinen Sinn »Kultur«, als sie eine Art, Probleme zu lösen, Natur zu beherrschen oder Wünsche zu stillen, in eine bestimmte Technik verwandelten – ein Produkt, das nicht »kulturell« in einem solchen schwachen Sinn wäre, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Das genau unterscheidet ein Produkt ja eben vom Rohstoff. Aber heute werden Güter immer mehr mit Bedeutung aufgeladen, die über diesen simplen Sinn von »Kultur« hinausgehen. Und damit werden sie zu »Kulturgütern« in einem emphatischen Sinn.

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