„Wie lieben wir heute, Frau Illouz?“ Eva Illouz am 26. Jänner im Kreisky-Forum

Am kommenden Montag, 26. Jänner habe ich in meiner Reihe „Genial dagegen“ die Soziologin Eva Illouz zu Gast. Sie wird zum Thema „Emotional Capitalism“ sprechen. Eva Illouz, Autorin des Theorie-Meilensteins „Konsum der Romantik“ spricht um 19 Uhr, Kreisky-Forum, Armbrustergasse 15. 1190 Wien.

Vorab habe ich für den „Falter“ schon dieses Interview mit ihr gemacht:

Lieben die Menschen anders im modernen Kapitalismus?

Illouz: Ein paar Empfindungen bleiben schon immer gleich – dass man Herzklopfen hat oder total verwirrt ist, wenn man mit jemanden zusammen ist, in den man sich verliebt hat, dass man kaum mehr schlafen kann oder nichts mehr essen will. Aber wie die Menschen ihr Leben rund um das Thema „Liebe“ organisieren, alle Institutionen, die damit in Zusammenhang stehen, das hat sich sehr verändert. Die sexuelle Freiheit hat viel verändert. In einer Gesellschaft, in der es als unmoralisch galt, viele Partner zu haben, gab es eine Kultur der Sublimierung. Heute leben wir eher in einer Ökonomie des Übermaßes, auch in der Liebe, und das verändert natürlich unser Empfinden von Liebe. Die Storys, die wir um die Liebe herum erzählen, haben sich fundamental verändert.

 

 

In Ihrem Buch, das Sie berühmt gemacht hat – „Der Konsum der Romantik“ – klang das aber noch deutlich optimistischer…

 

Illouz: Jetzt haben Sie mich erwischt. Ich habe meine Position verändert.

 

Inwiefern?

 

Illouz: Ich denke, man muss unterscheiden zwischen Konsumobjekten und Freiheit. Nun nimmt man im allgemeinen an, dass Konsumobjekte gefährlich sind für unsere Gefühle, die Freiheit aber sehr gut für unser Gefühlsleben, weil sie uns erlaubt, unsere „echten“ Wünsche zu realisieren. Ich glaube, das exakte Gegenteil ist der Fall.

 

Was die Frage nach den Konsumgütern betrifft, ist das ja noch keine große Differenz zu ihrer früheren Haltung: dass Waren unser Gefühlsleben nicht bedrohen, sondern der Konsum uns im Gegenteil erlaubt, unsere Sehnsüchte zum Ausdruck zu bringen…

 

Illouz: Ja, es gibt diese antimaterialistische Haltung, die glaubt, Objekte seien nur bedrohlich. Das sind sie nicht. Wenn wir eine rote Rose kaufen oder einen Wochenendtrip mit einem Geliebten oder einer Geliebten nach Paris oder Venedig buchen, dann konsumieren wir Waren, die mit „Romantik“ assoziiert sind, unser Leben aber bereichern. Dass Restaurants entstanden – also kommerzialisierte Orte – in denen man sich für Rendezvous verabreden kann, machte unser Liebesleben nicht ärmer, es erlaubte vielen Menschen im Gegenteil erst, sich privat zu begegnen. Also, dass es eine regelrechte Ökonomie des Romantischen gibt, hat die Emotionen nicht schlechter, schwächer oder instrumenteller gemacht.

 

Also, Konsumkritik ist Ihre Sache nicht?

 

Illouz: Diese Konsumobjekte hatten einen positiven Effekt auf Gleichberechtigung und sexuelle Freiheit und die Fülle an solchen Waren und kommerziellen Angeboten haben mehr Möglichkeiten geschaffen, romantische Momente zu erfahren. Also, daran ist nicht Schlechtes. Sie können auch helfen, die Mechanik des Genießens aufrecht zu halten. Klar, auch das kann sich entleeren nach einer gewissen Zeit, aber das ist noch kein Argument – ohne die Waren würde es sich wohl früher entleeren.

 

Selbst das Bild der „echten“ Liebe, das wir alle im Kopf haben, stammt nicht aus unserem Kopf, sondern ist oft kulturell erzeugt.

 

Illouz: Durch Filme, durch die Werbung, durch Literatur. Oft haben Liebende „ihren“ Song. Oder sie erinnern sich an einen bestimmten Moment in einer Bar, den sie gemeinsam erlebt haben. Aber schon dieser Moment war, in dem Augenblick, in dem sie ihn erlebten, eingefärbt von ihrem kulturellen Wissen, wie ein romantischer Moment in einer Bar aussehen muss.

 

In ihrem Buch zitieren sie den berühmten Rochefoucauld-Satz, dass viele Menschen sich niemals verlieben würden, wenn sie nicht davon gehört hätten.

 

Illouz: Es ist einfach nicht haltbar, dass Erlebnisse allein deshalb unauthentischer oder weniger wert sein sollen, nur weil sie nicht allein und rein aus dem Innersten unseres Ich kommen.

 

Warum haben Sie dann ihren optimistischen Blick aufgegeben?

 

Illouz: Weil wir auch die negativen Seiten der Freiheit beachten müssen. Nehmen wir nur die Technologie des Internets mit seinen Partnerbörsen, dem Online-Dating, den Social Network Foren, wo es oft primär um Partnersuche geht. Hier entsteht eine Kultur der Freiheit, die eine Kultur der Auswahl ist. Jeder kann nach jedem Ausschau halten, jeder hat eine unermessliche Möglichkeit, nach Partnern zu suchen. Diese Technologie der Auswahl hat eine sehr negative Auswirkung auf Emotionen. Es führt ein hohes Maß an Rationalität in das Liebesleben ein und lässt keinen Platz für Intuition.

 

Mit den Konsumgütern kamen auch die „Tugenden“ des Konsumkapitalismus auf den Marktplatz der Romantik – und dazu zählt etwa, dass jeder seinen eigenen Vorteil suchen soll, dass wir überzeugt sind, eine unbegrenzte Auswahl zu haben und dass das Neueste das Neue schlägt. Kann man da so leicht eine Differenz machen zwischen der „guten“ Warenorientierung und den „schlechten“ Folgen einer Kultur der Auswahl?

 

Illouz: Sicherlich, das ist das Problem. Und das Problem mit der Idee von der „Auswahl“, die der Konsument hat, besteht darin, dass man unterstellt, die Konsumenten wüssten, was sie wollen. Aber das ist absolut nicht der Fall. Die Menschen wissen nicht exakt, was sie wollen, das zeigen alle Studien. Mehr noch: Je mehr Auswahl sie haben, umso verwirrter sind sie in Hinblick auf ihre Wünsche. Sie wissen dann noch viel weniger, was sie wollen. Und wenn diese Konsumorientierung das Liebesleben infiziert, macht das das Leben nicht leichter. Was aber auf den Liebesmärkten im Internet noch hinzu kommt, ist: Die Menschen sehen andere Menschen, als wären sie Waren, aber sie betrachten sich selbst ebenfalls als Ware.

 

Man preist sich an, kultiviert ein bestimmtes Bild des Selbst, man schauspielert…

 

Illouz: Das ist der Betriebsmodus der Social Networks. Nun, im Networking des Arbeitslebens, in diesen permanenten Konkurrenzsituationen, haben wir uns daran gewöhnt, dass wir uns als die Besten, Schönsten, Schnellsten, Smartesten präsentieren wollen. Gleichzeitig wissen wir natürlich, dass wir nur ein künstliches, professionelles Selbst präsentieren und dass unser „wirkliches“ Selbst ein anderes ist. Etwas ganz anderes ist es allerdings, wenn die gleiche Logik etwas so Intimes wie die Liebe infiziert. Man hält Ausschau nach authentischen Erfahrungen, nach dem nackten, inneren Ich eines Anderen, aber die Technologie der Auswahl zerstört die Intimität.

 

Geht es damit den Menschen in der Liebe schlechter als früher? Die Leute waren vor zwanzig Jahren doch auch nicht glücklicher.

 

Illouz: Komparative Daten gibt es natürlich nicht. Aber der Grad der Enttäuschungen ist gerade in der Welt des Internet-Dating sehr, sehr hoch. Selbst in Beziehungen sehen sich die Menschen oft weiter um, um ihren Marktwert zu testen. Denn womöglich könnten sie ja einen wertvolleren Partner ergattern. Man zappt wie vor dem Fernseher. Hinzu kommt die Abstumpfung durch die Wiederholung. Goethes Werther würde heute nicht mehr Selbstmord verüben, er würde einfach seinen Computer einschalten und sich zur nächsten Affäre klicken.

 

Man könnte sagen: Besser weiterklicken als Selbstmord verüben.

 

Illouz: Für das Individuum ist es sicher besser, die Sache mit dem Selbstmord bleiben zu lassen. Aber für eine soziale Kultur ist es besser, wenn es Leidenschaft und die Vorstellung eines Begehrens gibt, die im Extremfall im Selbstmord münden können. Was für das Individuum gut ist, kann für eine Kultur schlecht sein.

 

Ihr neuestes Forschungsthema ist die „Bindungsangst“. Ist es der konsumistischen Mentalität zuzuschreiben, dass man sich nicht gern bindet, weil man damit Optionen aufgibt?

 

Illouz: Mein nächstes Buch behandelt das Thema: „Warum Liebe schmerzt“. Viele Menschen sind von der psychologischen Auffassung überzeugt, dass es bei ihnen in der Liebe nicht klappt, weil in ihrer Kindheit irgendetwas schief gelaufen ist. Ich denke, das ist oft falsch. Mindestens so viel Anteil haben die Moderne und der zeitgenössische Kapitalismus.

 

Nicht Mami und Papi sind schuld, die Gesellschaft ist schuld?

 

Illouz: Zumindest gibt es eine starke Interaktion dieser beiden Ursachen.

 

Unser emotionales Leben ist vom zeitgenössischen Kapitalismus geprägt. Zu den positiven Seiten gehört freilich, dass das keine Einbahnstraße ist, dass die Bewegung auch in die Gegenrichtung geht. Ist es das, das Sie mit dem Begriff des „Emotinalen Kapitalismus“ meinen?

 

Illouz: Ja, die Gefühle werden ökonomischer, aber auch die Ökonomie wird Emotionaler. In allen Unternehmen setzt man auf „kommunikative Kompetenzen“, und zwar nicht nur in der Darstellung der Firma nach außen, sondern auch in der Kultur nach Innen. Das hat oft etwas Komisches und Oberflächliches, aber für viele Arbeitnehmer ist es kein Nachteil, dass Affekte und Gefühle überhaupt ins Blickfeld des Managements kommen. Wer hat sich früher darum gekümmert, wie die Stimmung im Betrieb ist oder ob die Beschäftigten emotional zufrieden sind, ob sie sich mit dem Image der Firma identifizieren können?

 

Kann die gegenwärtige Finanzkrise des globalen Kapitalismus, neben ökonomischen Auswirkungen, auch Folgen für unsere Emotionen haben?

 

Illouz: Nun, das System wird weder zusammenbrechen noch signifikant verändert werden. Die Leuten haben eher das Gefühl, dass die Maschine einen Defekt hat, den man reparieren muss – kaum jemand meint, dass man die Maschine selbst ersetzen muss. Vielleicht ändert sich etwas an diesem Kult des unternehmerischen Risikos, an den Überbietungsstrategien, möglicherweise gibt es weniger Bonuszahlungen für Manager und Banker. Aber es wird keine kulturelle Wende geben, eher kosmetische Korrekturen.  

 

 

 

 

 

Über „Emotionalen Kapitalismus“ spricht Eva Illouz am Montag, dem 26. Januar im Rahmen der Reihe „Genial Dagegen“ von Kreisky-Forum und Falter. Moderation: Robert Misik

 

26. Jänner, 19 Uhr. Bruno-Kreisky-Forum für Internationalen Dialog. Armbrustergasse 15, 1190 Wien

 

 

 

Liebe im Kapitalismus

 

Mit ihrem Buch „Der Konsum der Romantik“ – 2003 im Campus-Verlag erschienen –  katapultierte sich Eva Illouz in die erste Reihe der globalen Soziologenzunft. Als „Meilenstein“ (Neue Zürcher Zeitung) wurde die Studie gefeiert, das Attribut „brillant“ verlieh ihr die „Frankfurter Rundschau“. Von einem „theoriepolitischen Ereignis“ war die Rede. Darin analysiert die heute 47jährigen Professorin der Hebrew University Jerusalem, wie Waren unser Liebesleben beeinflussen und kommerzielle Produkte unsere schiere „Idee“ der Liebe prägen. „Die moderne romantische Liebe ist alles andere als ein vor dem Marktplatz sicherer ‚Hafen‘, sondern vielmehr eine Praxis, die aufs Engste mit der politischen Ökonomie des Spätkapitalismus verbunden ist.“ Das war eine schwere Herausforderung für weithin gehegte Alltagsvorstellungen, gehen doch die meisten Menschen davon aus, dass die Liebe das exakte Gegenteil von Ökonomie ist. Herrscht hier Profitstreben und Berechnung, steht da Altruismus und Zuneigung im Vordergrund. Ist das Marktleben von kühler Rationalität bestimmt, so ist die Liebe der Ort der Leidenschaft, der Irrationalität und der Hingebung. Aber das ist nicht der Fall: Werbewirtschaft, Star- und Sternchenwesen, Film und Literatur prägen unser Bild von der Liebe, unsere romantischen Momente konsumieren wir in Tanz- und Vergnüngungsschuppen und wir gestalten unser Liebesleben mit Hilfe von Dingen, die man kaufen kann. Was die Kritikerzunft aber am meisten frappierte: Illouz beschrieb diese Zusammenhänge nicht mit einem Gestus konsumkritischer Verwerfung, sondern durchaus positiv – ohne deshalb in geistlose Affirmation zu verfallen. In ihren „Frankfurter Vorlesungen“, 2006 unter dem Titel „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“ (Suhrkamp) erschienen, knüpft Illouz daran an und beschreibt, wie nicht nur die Ökonomie unsere Emotionen durchdringt, sondern das Emotionale den zeitgenössischen Kapitalismus beeinflusst – etwa, durch den „emotionalen Stil“ führender Unternehmen, in denen „Soft Skills“ wie kommunikative Kompetenzen, Imageproduktion und das Spiel mit Bedeutung ins Zentrum rücken. Gleichzeitig startete sie mit dieser Vorlesungsreihe ihre Arbeiten zu „romantischen Netzen“, der Dating-Kultur im Internet. Zur Zeit forscht Illouz als Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin.

 

 

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