Wie mit „Privatisierung“ Steuergeld vernichtet wird

Gemeinverständlich erklärt: Warum Fiskalpakt, Schuldenbremse etc. „Public-Private-Partnership“-Projekte erzwingen, die uns allesamt teuer zu stehen kommen.

In den vergangenen Tagen erschienen in deutschen Zeitungen eine Reihe der gewohnten Artikel, in denen wieder einmal von der verfallenden Infrastruktur in Deutschland die Rede war. Straßen vergammeln, Brücken bröckeln ab, Schulen können nicht renoviert werden, ganz zu schweigen von anderen notwendigen Investitionen der öffentlichen Hand. Die Botschaft dieser Berichte – zb. am Montag auf Seite 1 der „Süddeutschen Zeitung“ – war, wie immer: dem Staat fehle das Geld für die nötigen Investitionen. Deshalb hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Kommission einberufen, die PPP-Projekte vorantreiben soll, also „Public-Private-Partnerships“. Mit anderen Worten: private Investoren sollen sich an staatlichen Investitionsmaßnahmen beteiligen. Die Befürworter solcher PPP-Projekte verweisen dann auch gerne auf Maastricht-Kriterien, Schuldenbremse, EU-Fiskalpakt und andere Abkommen, die der öffentlichen Hand ein enges Korsett anlegen.

Am Ende solcher Artikel hat sich das Lesepublikum in eine Kaskade an Fremdwörtern und EU-Pakten verfangen, es weiß dann alles mögliche, nur nicht, worum es eigentlich geht. Weshalb ich das hier einmal in seiner ganzen bizarren Logik so gemeinverständlich wie möglich aufschreiben will.

1. Staatliche Investitionen sind Dinge, die sich üblicherweise auf die eine oder andere Weise rentieren – deswegen nennt man sie ja Investitionen, im Unterschied zu rein konsumtiven Ausgaben. Auch konsumtive Ausgaben – wie Zuschüsse zu den Pensionen von Senioren – haben gute Gründe und sind sinnvoll, aber sie sind keine Investitionen, da sie nicht in der Zukunft irgendeine Form von „Rendite“ bringen. Wenn ich einem Rentner höhere Pensionen überweise, wird mir das keine künftigen „Gewinne“ bringen. Wenn aber eine Kommune zb. Wohnanlagen baut, dann kostet das zunächst einmal sehr viel Geld, dafür hat die Kommune dann aber Mieteinnahmen von den Bewohnern, und das über viele Jahrzehnte lang. Im schlechtesten Fall bleibt ein kleines Defizit, im Durchschnittsfall bezahlt sich das selbst, im besseren Fall hat die Kommune sogar einen Gewinn – das ist das Schöne an Investitionen, weshalb sie eben auch so heißen. Das selbe gilt für den Eisenbahnbau – erst kostet es Geld, nachher hat man Einnahmen vom Ticketverkauf. Oder man baut Straßen, und hat dann Einnahmen aus Maut, KFZ-Steuer etc. Darüber hinaus gibt es bei staatlichen Investitionen auch „Renditen“, die sich nicht so genau berechnen lassen, die aber genauso real sind: Investiert man in gute Schulen und bessere Lehrer und Lehrerinnen, hat man fünfzehn Jahre später besser ausgebildete Arbeitskräfte und damit einen ökonomischen Vorteil, woraus sich für den Staat höhere Steuereinnahmen ergeben. Oder man investiert in gute Verkehrsinfrastruktur, was die Firmen wettbewerbsfähiger macht, weil sie ihre Güter schneller und günstiger von A nach B liefern können, woraus sich wieder höhere Steuereinnahmen ergeben. Man kann das sicher nicht auf den Cent genau berechnen, aber all das sind Investitionen, weil sich das Geld, das heute vernünftig und vorausblickend ausgegeben wird, in künftige Einnahmen übersetzt.

2. So. Nun haben wir in Europa aber ein Regime errichtet, das staatliche Kreditaufnahme generell begrenzt und weitgehend nicht unterscheidet, ob es sich dabei um Investitionsausgaben handelt, die spätere Einnahmen bringen, oder um konsumtive Ausgaben. Wie absurd das ist, sieht man, wenn man das mit den Finanzierungsgewohnheiten etwa von Banken oder privaten Bürgern vergleicht: Wer ein Haus baut, investiert, weil er sich spätere Mietausgaben spart (oder später Mieteinnahmen generiert). Wer sich Geld leiht und dann versäuft, investiert nicht. Deshalb würde eine Bank vernünftigerweise auch keinem Bürger Geld leihen, damit der sich betrinken kann, sehr wohl aber, damit der ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen kann. Es ist ökonomisch völlig richtig, diese beiden Dinge unterschiedlich zu behandeln. Nur unsere dummen Maastrichtkriterien, Fiskalpakte etc. behandeln das versaufen und das Haus bauen gleich – beides ist, sofern mit Kreditaufnahme verbunden, ab einem bestimmten Verschuldungsgrad und ab einer bestimmten Schwelle der Kreditaufnahme verboten.

blogwert3. Weil die Regierungen, Kommunen etc. angesichts dieser Regelungs-Zwangsjacke nicht mehr wissen, wie sie notwendige Investitionen finanzieren sollen, sind die „Private-Public-Partnerships“ so populär geworden. Simpel gesagt funktionieren die so: Der Staat baut nicht mehr selbst die Straßen, sondern er schließt mit einer Baufirma einen Vertrag. Diese Baufirma baut nicht nur die Straße, sondern tritt als Investor auf, der die Straße „betreibt“. Bezahlt wird er aber auf die gleiche Weise, wie der Staat seine Kredite bezahlen würde: Aus Maut- oder Steuereinnahmen. Allerdings nimmt nicht der Staat die Kredite auf, sondern der Investor. Der hat diese Zahlungsverpflichtungen an seine Geldgeber (vulgo Kredite) dann in seinen Büchern, der Staat nicht. Das ist übrigens auch mit ein Grund, warum zb. Städte wie Wien den Bau kommunaler Gemeindebauten eingestellt haben und auf geförderten gemeinnützigen Wohnbau setzen: Wohnbaugenossenschaften sind privat, Gemeindebauten kommunal, also „staatlich“. Nun könnte man sagen, das ist einfach ein Finanzierungstrick, aber real geschieht das gleiche: Investitionskredite werden aufgenommen, damit finanziert der Staat Investitionen. Aber leider gibt es da einen kleinen Haken.

4. Erstens will die zwischengeschaltete Trägergesellschaft natürlich auch einen Profit (der höher sein kann, wie bei rein privaten Autobahnbetriebsgesellschaften, der gesetzlich begrenzt sein oder sogar als Non-Profit-Unternehmen konzipiert sein kann, wie beim gemeinnützigen Wohungsbau), während der Staat nicht unbedingt einen Gewinn aus der Investition bräuchte – für den Staat wäre es schon gut genug, wenn sich Kosten und Einnahmen die Waage hielten. Der Staat muss ja nicht profitorientiert arbeiten. Aber das ist eigentlich noch das geringere Problem. Das Hauptproblem ist folgendes: Der Staat gilt üblicherweise als besonders sicherer Schuldner, vor allem in unseren Breiten. In Deutschland, aber auch in Österreich kann sich der Staat für Minizinsen – de fakto für einen Zinssatz Null – Geld auf den Finanzmärkten leihen. Eigentlich wäre dieser Moment, in dem dem Staat Geld billig nachgeschmissen wird, der richtige Augenblick für eine regelrechte Investitionsoffensive. Die PPP-Projekte werden aber von privaten Investmentfirmen – die mal im Straßenbau, mal im Immobilienbereich, mal im Verkehrsbereich tätig sind – getragen. Private Firmen können pleite gehen, weshalb sie natürlich einen viel höheren Zinssatz für Kredite bezahlen müssen. Simpel gesagt: Würde der Staat die Straßen bauen, könnte er sich Geld um einen Zinssatz Null leihen, baut er sie im PPP-Regie, dann kostet das einen Zinssatz von – Hausnummer – drei Prozent. Mit einem Wort: Weil der Staat keine neuen Investitionskredite in seine Bücher aufnehmen darf, werden die Investitionen sehr viel teurer. Die Bürger und Steuerzahler haben einen Schaden. Finanzanleger und PPP-Manager haben einen Nutzen.

5. All die Schuldenbremsen und Fiskalpakte führen also zu keinem „effizienteren“ Umgang mit Steuergeld, sondern zu einem „ineffizienten“ Anstieg der Kosten. Und die Differenz wandert in private Taschen.

6. Sie finden das absurd? Ja, das ist es auch.

6 Gedanken zu „Wie mit „Privatisierung“ Steuergeld vernichtet wird“

  1. Hallo Herr Misik,
    gestatten Sie mir, diesen Artikel unter Autorennennung und Verlinkung auf meinem Blog zu veröffentlichen? Er ist eine herrlich kompakte Einführung in das Thema ÖPP/PPP, von dem ja nicht abzusehen ist, dass es an Aktualität verliert.
    Freue mich über Ihre Antwort

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