NEIN! ( OXI! )

Mit Erpressung und Angstmache versuchen die Euro-Eliten den Regime Change in Athen herbeizuführen. taz, 4. Juni 2015

Die Frage war natürlich halb als Witz gemeint, die ich vor zwei Wochen Dimitris Tzanakopoulos stellte: „Und? Macht regieren Spaß?“ Aber so richtig lachen konnte der Kabinettschef von Alexis Tsipras nicht: „Nein“, so seine Antwort. „Der Druck ist enorm und wir stehen vor Dilemmata, von denen wir nicht einmal ahnten, dass wir ihnen jemals in unserem Leben begegnen werden.“

Die Dilemmata, vor denen die Syriza-Regierung eine Woche später stand:

Zu Kreuze kriechen und „Ich ergebe mich“ sagen, oder den Staatsbankrott riskieren.

Die Wahl zwischen noch mehr Austerität und der Gefahr des Totalzusammenbruchs.

Selbstaufgabe – entweder so oder so.

So weit haben wir es in Europa gebracht: Eurozonen-Finanzminister, die im Jargon der Erpressung sprechen, die Friss-oder-Stirb sagen und „Game Over“, als wäre das alles ein Spiel. EU-Staatenlenker, die wochenlang den umgekehrten Corleone machten, also stets Angebote, die man nicht annehmen kann.

blogwertAber bei uns heißt es unisono, die Griechen seien schuld. In Kommentaren -wohlgemerkt: nicht bloß der Bild-Zeitung – sondern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, werden Tsipras und seine Leute als „Schurken“ bezeichnet, der ARD-Brüssel-Korrespondent sagt glatt, die Syriza-Jungs gehören „zum Teufel gejagt“. Verglichen mit diesen Figuren hatte ja noch Karl-Eduard von Schnitzler, Honeckers TV-Scharfmacher, so etwas wie journalistisches Ethos und eine Berufsehre.

Derart mit dem Rücken an die Wand gedrängt, rief Alexis Tsipras ein Referendum aus und empfahl den Bürgern, mit Nein zu stimmen. Ein Hochseilakt ohne Netz, mit dem er zwar kurzfristig das Gesetz des Handelns zurück eroberte, der aber natürlich noch nichts löste – und die Griechinnen und Griechen einer unmöglichen Fragestellung aussetzt. Entweder sagen sie „Ja“ zur Austerität – oder sie sagen „Nein“, ohne dass sie die Folgen auch nur einigermaßen kalkulieren können.

Aber das ist nicht Tsipras Schuld: Denn was genau wäre denn die Alternative gewesen? Siehe oben: Die totale Selbstaufgabe.

Mittlerweile versuchen die Scharfmacher der Eurozone nicht einmal mehr zu verhehlen, dass ihre eigentliche Absicht ein Regime-Change in Athen ist. Erst redete man fahrlässig und vorsätzlich einen Bank-Run in Griechenland herbei, nur um dann via EZB die griechischen Banken schließen zu können – eine Strategie der Angstmache. Wenn die Londoner „Times“ nicht schroff gelogen hat – was sie üblicherweise nicht tut -, dann hat ihr Wolfgang Schäuble offen gesagt, dass man zu keinem vernünftigen Deal bereit ist, solange diese griechische Regierung amtiert. Martin Schulz, der EU-Parlamentspräsident, sprach im „Handelsblatt“ völlig offen aus, worum es den vereinigten deutschen CDU-CSU-SPD-Eliten geht: Ein „Ja“-Votum der Griechen herbeierpressen, worauf die Syriza-Regierung zurücktritt, ein ungewähltes Technokratenkabinett á la Mario Monti installieren. „Dann wäre Syrizas Zeit vorbei.“ Mit der griechischen Opposition führt man bereits Gespräche zur Installierung einer solchen Marionettenregierung.

Man könnte fast von „Staatsstreich“ sprechen, würde das nicht alles auf offener Bühne geschehen. Die Botschaft: Eine Alternative wird nicht toleriert.

Neben der Tragödie, an deren Schwelle Griechenland steht, ist die zweite Tragödie die der deutschen politischen und medialen Öffentlichkeit. Man hat den Eindruck, dass dieses Land nur mehr aus Scharfmachern besteht und in einer regelrechten Kriegspsychose gefangen ist. Sozialdemokraten wie Sigmar Gabriel und Martin Schulz versuchen die Scharfmacher der Union noch rechts zu überholen, während die angeblich mächtigste Frau Europas – Kanzlerin Angela Merkel – so tut, als habe man alle Zeit der Welt. Man weiß eigentlich nicht, was schlimmer ist: Die Richtung, in die diese Leute die Europäische Union führen, oder eigentlich die totale Führungslosigkeit, in der der Kontinent ins Debakel torkelt.

Ob die Griechen es morgen wagen werden, zu all dem „OXI“ zu sagen? Schwer vorauszusehen. Aber eines ist klar: Angesichts dieses Panoramas der Verantwortungslosigkeit sollte man generell viel öfter „NEIN“ sagen.

6 Gedanken zu „NEIN! ( OXI! )“

    1. Sehr geehrter Herr Misik,

      Sie sprechen die Probleme nicht an und treffen den Nagel nicht auf den Kopf. Ich kann Ihnen nicht danken für unzutreffende Analysen.

      Mfg

      1. An Andre Leers:

        Treffender könnte man es nicht ausdrücken. Wundert mich, dass Ihr kritischer Beitrag überhaupt veröffentlich wurde.

  1. Völlig richtig Ihre Analyse. Meinungsmache auch bei den Demoskopen von ARD und ZDF:

    Für die Deutschen ist ziemlich klar, wer für die Eskalation der Griechenlandkrise verantwortlich ist: 68 Prozent meinen die griechische Regierung.

    „Wer trägt die Hauptverantwortung für die Eskalation der Griechenland-Krise?“

    Bei der Auswahl der möglichen Antworten (68% = Griechische Regierung/4% =andere Euro Länder/24%=Beide) lassen die Demoskopen von Infratest dimap konkrete Akteure in der Griechenland-Krise schlicht außen vor: die Euro-Gruppe, die Troika, die Gläubiger, die verantwortlichen Politiker und Technokraten, die in großem Umfang Banken retteten, Griechenland mit ihrer verfehlten Austeritätspolitik in die Rezession abrutschen ließen und sich nun mit allen Mitteln der linken Regierung in Griechenland entledigen möchten.

    https://machtelite.wordpress.com/2015/07/03/griechenland-krisewie-ard-und-zdf-mit-manipulativer-demoskopie-meinungsmache-betreiben/

  2. OT: ich surfe auf diese Seite mit Firefox und NoScript.
    Beim Laden kommt oben eine Linkzeile mit Werbe-Links

    Ich habe den Quelltext (die betreffende Zeile) kopiert:
    s=“no“+“ne“;t=77467/77467;setTimeout(function(a,block){a.style.display=block;},t,document.getElementById(„body-a35“),s);side effects of cheap generic aciphex get you high, sale of generic propecia , cost of prednisolone online, cost of aricept online, sale of generic indocin , abilify online uk, sale of generic tenormin Zum Inhalt springen

    Ist misik.at gehijackt worden?
    Viele Grüße
    Karl

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