Kennen Sie jemanden, der verhungert ist?

Heute habe ich Martin Caparros mit seinem Buch „Der Hunger“ im Kreisky-Forum zu Gast. Hier ein paar Hinweise, weshalb Sie sich das nicht entgehen lassen sollten:

„Können Sie sich vorstellen, was es heißt, nicht zu wissen, was man am nächsten Tag essen soll? Können Sie sich ein Leben vorstellen, in dem Sie sich jeden Tag aufs Neue fragen, was Sie morgen essen werden? (…) in dem jeder Gedanke von diesem Mangel beherrscht ist?  (…)

Wie soll man das ferne Andere erzählen? Sehr wahrscheinlich kennen Sie, werter Leser, werte Leserin, jemanden, der an Krebs gestorben ist, der Opfer eines gewaltsamen Überfalls wurde, der eine Liebe, einen Job, seinen Stolz verloren hat; doch höchstwahrscheinlich kennen Sie niemanden, der mit dem Hunger lebt, mit der Gefahr zu verhungern. So viele Millionen Menschen, die uns so unsagbar fern sind: die etwas durchmachen, was wir uns nicht vorstellen können oder wollen.“

Es ist eines der bemerkenswertesten Bücher, die ich in der letzten Zeit in der Hand hatte – Martin Caparros Buch „Der Hunger“, das unlängst im Suhrkamp Verlag erschienen ist. Caparros erzählt von Müttern und Familien aus dem Niger, trifft Verhungernde in Kalkutta, beschreibt aber auch die politischen Folgen des Hungers in der Geschichte. Ja, er sieht sich dieses seltsame Wort an, das sowohl chronischen Hunger und Unterernährung meint, als auch ein Gefühl, das jeder von uns zwei Mal am Tag hat, als auch metaphorischer die Begierde, den Heißhunger.

Er versucht die Verherrungen des Hungers so akkurat als möglich zu beschreiben, nicht zuletzt, weil Phrasen wie „der Hunger in der Welt“ mittlerweile so sehr zum Gemeinplatz wurden, dass sich niemand mehr die Mühe macht, sich wirklich Konkretes darunter vorzustellen, sodass es sogar längst möglich ist, jene, die den „Hunger in der Welt abschaffen“ wollen als Gutmenschen ins Lächerliche zu ziehen.

In den von chronischem Hunger befallenen Weltgegenden ist „jeder Erwachsene (…) ein Überlebender, jemand, dessen Leben nur geborgt ist. Eine Art glüchlicher Zufall, eine Laune, durch die ein Kind überlebt hat und aufwachsen konnte.“ Dies trifft auf nahezu eine Milliarde Menschen dieses Planeten zu.

Caparros Buch ist nicht nur deshalb so brillant, weil er die Orte der Verheerung besucht hat, sondern weil der argentinische Intellektuelle auch so eine großartiger Schriftsteller und Denker ist, der vermag, das, was er gesehen hat, in grandiose Sätze und Gedanken zu transformieren.

Martin Caparros: Der Hunger. Heute, Dienstag, 17. November, Kreisky Forum für Internationalen Dialog, Armbrustergasse 15, 1190 Wien

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