„Kaputtalismus“ – Mein neues Buch (Erscheinungsdatum 14. Jänner 2016)

Kann der Kapitalismus überleben? Ein Teil der Antworten könnte Sie beunruhigen…

Voranzeige: Im Januar 2016 erscheint mein Buch "Kaputtalismus - Wird der Kapitalismus sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen?" im Aufbau-Verlag.
Voranzeige: Im Januar 2016 erscheint mein Buch „Kaputtalismus – Wird der Kapitalismus sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen?“ im Aufbau-Verlag.

Am 14. Jänner 2016 erscheint im Berliner „Aufbau-Verlag“ mein Buch „Kaputtalismus – Wird der Kapitalismus sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen. Aufbau Verlag, 224 Seiten, 16,95.- Euro

Hier gibt es im Anschluss, damit Sie sich schon ein wenig ein Bild machen können, ein paar Takte aus Kapitel 4. Und am Seitenrand einen Blick ins Inhaltsverzeichnis. Für Rezensionsexemplare wenden Sie sich bitte direkt an den Aufbau-Verlag – hier der Link. Kontakt für Lesungen, Vorträge etc. entweder direkt an mich oder an den Verlag.

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Es ist völlig unbestreitbar – und in der ökonomischen Zunft auch unbestritten -, dass es in den Jahren nach 1970 zu einem spürbaren Niedergang der kapitalistischen Dynamik gekommen ist, die die durchschnittlichen Wachstumsraten reduzierte und in manchen Großregionen den Kapitalismus schon nahe an die Schwelle zur Stagnation brachte. Umstrittener sind allerdings die Ursachen, die dafür angegeben werden.

Keynesianisch inspirierte Autoren wie Paul Krugman oder Joseph Stiglitz führen die Wende eher auf einen „externen Schock“ zurück, nämlich auf den Anstieg der Ölpreise, der 1973 zur ersten schweren Krise der Nachkriegszeit geführt hat, aber eben als „externer Schock“ bezeichnet wird, weil er nicht wirklich strukturelle ökonomische Ursachen hatte. … Es begannen harte Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterbewegung, damit sich die Arbeitsplatzsicherheit und mit ihr die Löhne reduzieren, und auf die gestiegenen Kosten der Sozialsysteme durch höhere Arbeitslosigkeit reagierte man überall mit einem Rückbau der Sozialstaaten. Der dadurch ausgelöste Rückgang der „aggregierten Nachfrage“ (also der gesamten addierten Kaufkraft aller Wirtschaftssubjekte, der privaten Haushalte, der Unternehmen und des Staates) bewirkte wiederum eine Verschärfung der Krisentendenzen, was in einem weiteren Schritt noch neue kontraproduktive Anpassungen sich zog.

Robert Misik’s Caputalism is an authentic warning, coming from a cutting edge Germanophone public intellectual, that European capitalism needs to be stabilised before its non-viability begets another rapture with calamitous effects for Europe and the world at large.                                                                                                                                      Yanis Varoufakis

Die eher wirtschaftsliberal orientierten Autoren tragen gewissermaßen die exakt spiegelverkehrte Argumentsreihe vor: die argumentieren, dass das keynesianische Arrangement zu viel zu hohen Löhnen und zu geringer Flexibilität an den Arbeitsmärkten geführt habe und dass überhaupt die vielen staatlichen Regulierungen das segensreiche Wirken der Marktkräfte ausgeschaltet hätten, weshalb Deregulierungen und eine Entfesselung der Marktkräfte notwendig seien. …

Andere Denkschulen, darunter marxistische Forscher oder einer Art keynesianisch-marxistisch inspiriertem Theoriemix anhängende Ökonomen, geben komplexere Antworten, die den Vorteil höherer intellektueller Konsistenz haben, aber auch den Nachteil, dass aus ihnen nicht so leicht Politikempfehlungen abzuleiten wären. …

Der marxistisch inspirierte Wirtschaftswissenschaftler Robert Brenner beispielsweise bietet noch eine Erklärung für das Ende des Nachkriegsbooms und die Wende zum sukzessiven Niedergang an, die die Tendenzen zum Niedergang aus dem systemischen, ökonomischen Prozessieren der Wirtschaft selbst ableitet.

(…)

Inhalt 1Alles weitere ergibt sich aus dieser Interpretation beinahe schon vollkommen logisch: Da sich bei niedrigeren Profitraten manche Investitionen nicht rentieren, wird weniger investiert, was wiederum den Produktivitätsfortschritt hemmt. Da Unternehmen, die weniger Profite realisieren, sich recht häufig auch die Investitionen nicht leisten können, sinkt das Investitionsniveau und der Produktivitätsfortschritt noch einmal. Das Wachstum reduziert sich, die Arbeitslosigkeit wächst. Die Kaufkraft hält nicht mehr mit dem potentiellen Output mit, das beim gegenwärtigen Produktivitätsniveau erreicht werden könnte – geschweige denn, dass es ein höheres Output, das durch produktivere Anlagen erzielbar wäre, absorbieren könnte. Der Kapitalismus schwenkt auf einen Pfad „säkularer Stagnation“ ein, wie das Brenner bereits 1998 genannt hat. Ein prophetischer Begriff, der uns noch häufiger unterkommen wird.

Inhalt 2Wenn ein solches Arrangement einmal in den Prozess des Niedergangs eingetreten ist, liegt nahe, dass es nicht mehr nachhaltig aufrechterhalten werden kann und alle Akteure hektisch versuchen, sich zu adaptieren. So haben die USA zunächst versucht, durch höhere Staatsverschuldung die Wirtschaft anzukurbeln, als auch durch eine Abwertung des Dollars gegenüber den konkurrierenden Währungen an „Wettbwerbsfähigkeit“ zu gewinnen, da ja neben den Kosten – etwa für Personal, Rohstoffe, Maschinen etc. – die eine Firma im wesentlichen in ihrer Inlandswährung begleicht, ja, sobald sie am Weltmarkt agiert, auch die relative Überbewertung dieser Inlandswährung ihre Konkurrenzfähigkeit senkt (wenn ein US-Unternehmen ein Auto für 30.000 Dollar auf den Markt wirft, ist dieses Auto für einen deutschen Käufer teurer, wenn 30.000 Dollar beispielsweise 25.000 Euro wert sind, als wenn sie nur 20.000 Euro wert sind). Mit diesen widersprüchlichen Politiken haben die USA das globale Wachstum stimuliert und reduziert zugleich: Wegen der Konjunkturprogramme wurden die europäischen und japanische Exporte in die Vereinigten Staaten stimuliert, durch die Währungspolitik wiederum gebremst.

Inhalt 3Diese ohnehin schon recht paradoxen Prozesse zogen noch bizarrere Absurditäten nach sich. Um ihre Defizite zu finanzieren, benötigten die USA Geld, das sie sich beispielsweise von japanischen Sparern liehen, während mit den in den globalen Konsum gepumpten Geldern auch die japanischen Exporte in die USA anstiegen. „Es war schwierig, genau zu sagen, wer von wem mehr abhing – der amerikanische Finanzminister von japanischen Krediten oder die japanische Industrie von US-Konsumenten“ (Brenner). Wir müssen hier die komplexen Wechselwirkungen, die von internationalen Waren- und Kapitalströmen, von Leistungsbilanzüberschüssen und -defiziten usw. ausgehen, nicht im Detail diskutieren – es wird jetzt schon offensichtlich, dass all das natürlich die Geschäftsaussichten aller Unternehmen komplizierter machte, da es angesichts wachsender Instabilitäten für Unternehmen schwieriger wurde, die Zukunft auch nur grob zu kalkulieren. (Wie entwickeln sich Zinssätze? Wie entwickeln sich Währungsrelationen? Was werden mich im kommenden Jahr importierte Rohstoffe kosten? Wie teuer werden meine Waren kommendes Jahr in den USA oder sonstwo sein?). Eine zunehmend unsicherere Zukunft ist aber natürlich kein besonders hoher Anreiz zu investieren.

Der Charme von Brenners Analyse liegt also darin, dass sie das Ende des Nachkriegsbooms und den Beginn des langsamen Abstiegs aus endogenen Tendenzen, also logischen inneren Dynamiken des Kapitalismus und sehr wirklichkeitsnahen Interpretationen von Geschäftsentscheidungen der einzelnen Unternehmen erklärt. Und damit liegt der Schluss nahe: Wenn sie auch nur grob stimmen, dann lassen sich die Krisentendenzen nicht einfach durch eine andere Politik aus der Welt schaffen, weil ein entwickelter Kapitalismus sowohl aus technologischen als auch ökonomischen Gründen an Grenzen stößt, die hohe Wachstumsraten und Produktivitätszuwächse nicht mehr zulassen. Dann sind viele der Phänomene, die wir schon angedeutet haben (und die etwa für Mainstream der Keynesianer im Vordergrund stehen), nicht die Ursache der Krise, sondern nur ihre Folgen, die sich dann auch gut in die Krisenanalyse integrieren lassen. „In diesem Klima der geringen industriellen Profitabilität zog verfügbares Kapital eine leichtfüßige spekulative Karriere immer häufiger der bodenständigeren Investition im verarbeitetenden Gewerbe vor. Und so kam es zu einer Finanzialisierung der Weltwirtschaft, die mehr Volatilität als Wachstum mit sich brachte“, schreibt der amerikanische Bestsellerautor Benjamin Kunkel. Gewinnträchtige Investitionsmöglichkeiten in der Realproduktion werden seltener, und Brenner erklärt plausibel, warum das so ist. In einer solchen Situation, in der man sich als Investor zu entscheiden hat, ob man in den langfristigen und unabwägbaren Aufbau von Produktionskapazitäten investiert, die einem hinterher im Glücksfall vier oder fünf Prozent an Return-of-Investment bringen, oder ob man sein Geld eher mühelos am Finanzmarkt anlegt, der einem während des Booms sieben oder mehr Prozent an Renditen versprach, ist völlig klar, dass sich die Finanzmärkte aufblasen und die Finanzinstitutionen zu den bestimmenden Playern des globalen Kapitalismus werden.

Die kapitalistische Dynamik bricht ab

Es gibt in einer solchen Situation keine allzu guten Auswege mehr, meint Brenner und verweist auf die blinden Flecken sowohl des keynesianischen als auch des neoliberalen Arrangements. Während der Keynesianismus durch Staatsausgaben die „aggregierte Nachfrage“ hochhalten will, versucht der Neoliberalismus sie durch Austeritätspolitik zu reduzieren. Beide haben aber problematische Auswirkungen, wenn das Problem des Kapitals eigentlich sinkende Profitraten sind: Der Keynesianismus hält auch schwache Firmen am Leben, was das Produktivitätswachstum hemmt, hat aber auch den positiven Nebeneffekt, dass in der recht rosigen Nachfragesituation, die er schafft, ein „positives Umfeld für die notwendigerweise riskanten und teuren Eintritte in neue Branchen und Produktionsfelder“ (Brenner) entsteht – dass also neue, innovative Firmen eine Chance zum Entstehen haben; der Neoliberalismus wiederum erzwingt zwar den Untergang schwacher Firmen, schafft aber ein schlechtes Umfeld für den Aufstieg innovativer Firmen.

Jede dieser Antworten fällt sich gewissermaßen selbst ins Wort, das heißt jede Maßnahme, die gesetzt wird, konterkariert die Bedingungen, die notwendig wären, damit sie positive Wirkungen entfalten könnte – schon wieder so ein „Widerspruch“, für den keine leichte Lösung in Sicht ist. Ein Problem zieht eine scheinbare Lösung nach sich, die selbst wieder zum Problem wird. Genau aus diesen Gründen hat auch der Kapitalexport in Billiglohnländer keine nachhaltige Erholung gebracht: „Die weltweite Bewegung in Richtung niedrigerer Produktionskosten und niedrigerer Lohnkosten in den jeweiligen spätest-entwickelten Ländern führte nur zur Intensivierung des Ausgangsproblems“ (Brenner).

„Seit den Hochzeiten von Reaganismus und Thatcherismus Ende der 1970er Jahre hat das Kapital seine Dominanz ganz entschieden ausgebaut, besonders in den USA. Lohnzuwächse wurden sehr effektiv unterdrückt. Fiskalische Austerität (wurde durchgesetzt). Die Reichen haben von vielen Runden der Steuerreduktion profitiert. Industrie nach Industrie wurden dereguliert und die Gewerkschaften geschwächt. Der globale Kapitalfluss wurde zunehmend von Fesseln befreit, sodass multinationale Unternehmen und Banken die Welt besser nach den profitabelsten Orten für ihre Aktivitäten absuchen konnten. Das Finanzsystem wurde entfesselt, sodass immer barockere Wege gefunden werden konnten, aus Geld mehr Geld zu machen. (…) Und trotz all dessen laufen die Dinge nicht gerade gut für die kapitalistische Weltwirtschaft. Mehr noch – ironischerweise gibt es einen engen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß, in dem das Kapital von Regeln befreit wurde, und der Geschwindigkeit, in der die Leistungsfähigkeit der führenden kapitalistischen Volkswirtschaften nach unten ging“, lautet Brenners Resümee. Die Kapitalbesitzer hätten zwar gesiegt, aber es sei ein „Pyrrhussieg des Kapitals“ gewesen. Die Unternehmen haben von der Unterdrückung von Lohnsteigerungen und vom Sparkurs bei den Wohlfahrtssystemen profitiert, „aber das, was sie auf dieser Seite gewonnen haben, verloren sie auf der anderen Seite durch weniger Aufträge, weniger Beschäftigung, durch die geringere Kapitalauslastung, durch die sinkenden Einnahmen aus Verkäufen.“

Eine Ökonomie, die auf einen solchen Pfad geraten ist, hat nun allerdings ein großes Problem: Die Löhne in den allermeisten Sektoren der Volkswirtschaft stagnieren, wachsen nur mehr langsam oder gehen sogar zurück. Die Produktionskapazitäten sind nicht ausgelastet, weshalb man die Krisenphänomene, die sich in einer solchen Situation zeigen, auch als Phänomene einer „Unterkonsumtionskrise“ charakterisieren kann. Um die Kaufkraft noch einigermaßen mit dem potentiellen Output in Einklang zu bringen, wird die Verschuldung der Konsumenten gleichsam in die Höhe getrieben. Menschen, die weniger einnehmen, als sie konsumieren wollen, sind mit jenen, die mehr an Vermögen haben, als sie ausgeben können, durch die Finanzmärkte verbunden, beschreibt James K. Galbraith in seiner Studie „Ungleichheit und Instabilität“ – und zwar durch ein Schuldner- und Gläubiger-Verhältnis. So wurde durch die horrende Verschuldung der amerikanischen Haushalte in den vergangenen Jahrzehnten auf künstliche Weise das Nachfrageniveau aufrecht erhalten, das es bis 2007 erlaubte, dass die USA der Motor der Weltwirtschaft blieben. Der britische Sozialhistoriker Colin Crouch nennt dieses Muster sarkastisch einen „privatisierten Keynesianismus“. Privatisiert deshalb, weil nicht primär die Staaten durch Deficit-Spending – also durch schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme – die Wirtschaft am Laufen gehalten haben, sondern private Haushalte durch Verschuldung. Dieser Möglichkeit ist nun durch die Überschuldung vieler amerikanischer Haushalte ein Riegel vorgeschoben. Natürlich, dieser eigentümliche Keynesianismus war nicht nur privatisiert, die chronische Unterfinanzierung und damit die Defizitpolitik der westeuropäischen Wohlfahrtsstaaten hatte einen vergleichbaren Effekt. Jedenfalls hat ein solches Arrangement eine Reihe von Nachteilen: Wachsende Verschuldungspositionen stehen auf den Finanzmärkten wachsenden Vermögenspositionen gegenüber, während die Wirtschaftsleistung selbst stagniert oder nur mehr langsam wächst. Um überhaupt noch Wachstum zu gewährleisten, müssen die Vermögenspositionen auf den Finanzmärkten weiter wachsen, da ja die privaten Haushalte wie die Unternehmen ihre „Vermögen“ (z.B. den fiktiven Buchwert ihrer Häuser, aber auch Wertpapiere) als Sicherheiten für neue Kredite einsetzen müssen, was nur so lange funktioniert, solange die Vermögenswerte steigen. Ohne diese vielfältigen fiktiven „Reichtumseffekte“ (wenn Ihr Haus im Wert steigt, sind Sie ja nur buchhalterisch „reicher“, solange Sie es nicht verkaufen), wäre das Wachstum des BIP überall in der kapitalistischen Welt in den 1990er- und 2000er Jahren noch viel geringer ausgefallen, als es ohnedies ausfiel, die Arbeitslosigkeit wäre überall sehr viel höher gewesen.

blogwertDiese „Finanzialisierung“ des globalen Kapitalismus allein ist eine immense Quelle der Instabilität. Die Ungleichheitsschere geht noch einmal auf, da ja die Schuldner, die ohnehin zu geringe Einnahmen haben, um ihr Konsumniveau zu halten, den Gläubigern nicht nur die Kredite zurückzahlen, sondern auch noch monatliche Zinsen überweisen müssen. Mit dem Wachstum der Ungleichheit gerät das Nachfrageniveau aber noch einmal zusätzlich unter Druck. Ein Teufelskreis.

Es ist völlig klar, dass ein System, das sich aus seiner inneren Dynamik heraus zu einem solchen Arrangement entwickelt hat, seine besten Zeiten hinter sich hat. Ob es in einer Abwärtsspirale des Niedergangs gefangen ist oder ob es vor seiner eigenen Tendenz zur Selbstzerstörung gerettet werden kann, das wollen wir im nächsten Kapitel ergründen.

Ein Gedanke zu „„Kaputtalismus“ – Mein neues Buch (Erscheinungsdatum 14. Jänner 2016)“

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