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Die Ösis sind noch knapp davon gekommen. Was wir aus der österreichischen Misere lernen können. – Meine Kolumne aus der SPEX vom Juni

Wir in Österreich sind ja jetzt gerade noch einmal davon gekommen: 31.000 Stimmen lag der grüne Kandidat in der Stichwahl zur Bundespräsidentschaft vor dem rechtsradikalen Kandidaten – ein Fotofinish im Schnappatmungsmodus war das. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass ein Rechtsradikaler nach der Präsidentschaft greift, hat aber natürlich damit zu tun, dass das ganze Land in den vergangenen Jahren nach rechts gekippt ist, oder, wie man das korrekter sagen kann: Dass die gesamte politisch-mediale Klasse sich von den rechtsradikalen Populisten die Agenda aufzwingen ließen.

Das ist die schlechte Nachricht. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Damit könnte nun erstmals seit langem Schluss sein. Denn erstens gibt es jetzt einen linksliberalen Grünen an der Staatsspitze, vor allem aber hat die Sozialdemokratie einen Kanzler und Parteivorsitzenden installiert, der klug genug und entschlossen ist, dieses Spiel nicht mehr mitzuspielen.

Zunächst haben die Präsidentschaftswahlen zwar gezeigt, dass unter bestimmten Umständen beinahe 50 Prozent bereit sind, für einen rechtsradikalen Anwärter zu stimmen, sie haben aber ebenso gezeigt, dass 50 Prozent auch entschlossen sind, dagegen zu votieren. Und diese Zahl ist natürlich ausbaubar, wenn man beginnt, ein paar Dinge richtig zu machen.

Eine große Fehleinschätzung, die aber im politischen Establishment bisher weit verbreitet war, ist die, dass es sich bei den Wählern der rechten Populisten um Menschen mit einem klaren rechten Weltbild handelt, und dass man die nur zurück gewinnt, indem man ihnen Zucker gibt, also sich an ihre Haltung anbiedert. Das war die fatale Fehleinschätzung, die die FPÖ stark gemacht hat.

Die Sozialdemokraten und die bürgerliche Mitte rückten nach Rechts, bestätigten damit aber das Agenda-Setting der Rechten und sandten die implizite Botschaft, dass die FPÖ letztlich ja recht habe. Bessere Propaganda für den Gegner kann man eigentlich kaum machen.

Frank Stauss, der für die SPD ein paar Wahlkämpfe geschlagen hat und ein kluger Kopf ist, hat unlängst aufgeschrieben, was man eigentlich längst schon gelernt haben sollte: „Erstens: Gib niemals auch nur einen Millimeter Freiheit, Rechtstaatlichkeit, Menschenwürde und Minderheitenschutz auf. Zweitens: Versuche niemals, den Rechten durch verbale Verrenkungen und Verständnisduselei auch nur den kleinen Finger zu geben, denn sie werden nie genug bekommen. Ein humaner, empathischer Demokrat kann niemals einen Wettlauf um hassbasierten Populismus gewinnen. Niemals. Jedes Entgegenkommen wird als Schwäche gewertet. Jede Einschränkung des Rechtstaates wird Forderungen nach noch mehr Einschränkungen nach sich ziehen. Drittens: Jede Handlung, die als Anbiederung gewertet werden kann, wird als Scheitern ausgeschlachtet, demagogisch verdreht und in der irren Welt der Rechten als Bestätigung gesehen.“

Warum er damit recht hat, das hat der amerikanische Linguist und Experte für politische Sprache, George Lakoff, seit Jahren schon ausgeführt. Progressive dürfen sich niemals an Rechte anbiedern, und auch nicht an eine imaginäre Mitte, sagt Lakoff, da es letztere gar nicht gibt. Diese scheinbare Mitte besteht aus Menschen, die sowohl progressive als auch rechte Werthaltungen haben. Und bei denen müsse man jene Haltungen aktivieren, die eher linke Haltungen sind. Lakoff nennt diese Menschen „Bi-Conceptionalists“, also, salopp übersetzt, „Doppelsinnige“. Und natürlich sind wir alle ein wenig „doppelsinnige“, auch wenn die einen von uns eher in die eine, die anderen in die andere Richtung lappen.

Welche Haltungen aber angesprochen und aktiviert werden, dass ist eine Frage der politischen Sprache.

Der Wiener Wahl- und Meinungsforscher Christoph Hofinger hat das gerade an einem „Lehrbuchbeispiel“ der österreichischen Debatte vorgeführt. Auch rechte Sozialdemokraten haben die Forderung nach „Strafen für Integrationsverweigerer“ erhoben. Indem man aber eine solche Sprache spricht, erledigt man schon das Geschäft der Gegner. Die Prämisse der Formulierung lautet: Wenn Integration nicht klappt, dann ist der Einwanderer schuld, der sich unmoralisch, ja empörungswürdig verhält.

In Wirklichkeit seien aber die, von denen hier die Rede ist, junge Leute, die am Bildungssystem scheitern. Wer freilich zu scheitern droht, hat Hilfe verdient, während man ihm alle Schuld zuschiebt, wenn man ihn als „Verweigerer“ markiert.

Kurzum: Die Linke und die politische Mitte darf keinen Millimeter eine Sprache übernehmen, die ihre Werthaltungen unterläuft und die der Rechten stärkt.

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