Politik der Hoffnung statt der Angst

Der Aufstieg des Rechtspopulismus – und was man dagegen tun kann – Ein Beitrag für das Magazin von Amnesty International Deutschland.

„Doppelt hält besser“ – Österreichs Grüne machen gerade aus der Not eine Tugend und den bitteren Ernst ein wenig zum Spaß. Denn die Stichwahl um die Präsidentschaft, die der grüne Kandidat Alexander van der Bellen „arschknapp“ gegen Norbert Hofer, den Kandidaten der rechtsradikalen Freiheitlichen Partei gewonnen hat, muss am 2. Oktober wiederholt werden. Weil’s so spannend war, geht die Zitterpartie in die zweite Runde, oder um genau zu sein, in die dritte.

Wenns einmal nicht reicht, muss van der Bellen eben die Stichwahl zweimal gewinnen.

War Österreich aber in den neunziger Jahren noch ein Sonderfall, so ist der Aufstieg aggressiver Rechtsparteien mittlerweile ein europaweites Phänomen. Er verdankt sich einer Reihe von Gründen:

– dem Reißen der kommunikativen Fäden zwischen den etablierten Eliten und einem Teil der normalen Bürger und Bürgerinnen: jenen, die finden, „die da Oben“ interessieren sich ja überhaupt nicht mehr für sie.

– dem Fehlen einer Botschaft der positiven Hoffnung, verkörpert in Parteien eines technokratischen, neoliberalen Mainstreams.

– damit verbunden: Einer Politik der Angst, der Dauergereiztheit, der Aufstachelung negativer Emotionen, einer Disziplin, in der die Rechtspopulisten einfach unschlagbar sind.

– einer über lange Dauer wirksame Konzeptlosigkeit der politischen Konkurrenz.

– und, generell gesprochen, einem Verdruss an der routinisierten Politik etablierter Eliten, mit ihren Ritualen, ihrem Jargon, ihrem substanzlosen Gelaber und dem Bild, das sie abgeben. Viele Leute haben, manchmal auch nur unbewusst, das Gefühl: Die politische und ökonomische Maschine ist kaputt, aber die Eliten haben nicht einmal einen Plan.

Dieser Gefühlscocktail ist nahezu überall wirksam: In Österreich, in Polen und Ungarn, auf seine Weise profitiert in Deutschland die AfD, in Frankreich der Front National von Marine Le Pen, in Großbritannien brachte er den Brexit-Befürwortern eine Mehrheit und in den USA bescherte er einen clownesken Halb-Irren wie Donald Trump als republikanischen Präsidentschaftskandidaten.

Dieser Rechtspopulismus gedeiht auf dem Humus einer inhaltsleeren Mitte-Politik, die sich als „alternativlos“ behauptet – und viele halten den Aufstieg dieses Populismus selbst mittlerweile für „alternativlos“, insofern, als kein Gras gegen ihn gewachsen sei. Aber das ist Unsinn. Mit einer ökonomischen und sozialen Reformpolitik, die Hoffnung auf gerechtere Verteilung des Wohlstands macht; mit einer Akzentuierung politischer Differenzen der anderen Parteien; mit einer milieumäßigen Verbreitung des politischen Personals, mit einer Demokratisierung und Popularisierung der Parteien; mit dem Entstehen anderer, neuer Veränderungsparteien, seien die links-progressiv oder liberal-konservativ – mit all dem kann man den Populisten Paroli bieten.

Nicht, dass dann der Erfolg garantiert wäre. Nicht, dass der Spuk dann quasi von selbst verschwinden würde. Aber eine solche innere Erneuerung des demokratischen Systems und der politischen Kräfte, die es tragen, ist die Vorbedingung, gegen den Aufstieg einer Politik der Angst überhaupt eine Chance zu haben.

Was aber ein sicherer Weg zum Mißerfolg ist, sind implizite Botschaften wie: Wählt uns, um das Schlimmste zu verhindern. Wählt uns, weil mit uns wird es langsamer schlechter. Wer solche Signale abschickt, kann den Schlüssel zum Kanzler- oder Präsidentenamt gleich den Rechtspopulisten übergeben.

Das allerwichtigste ist, nicht wie das Kaninchen auf die Schlange des Rechtspopulismus zu starren, aus Angst in Kleinmütigkeit zu verfallen oder gar seine Forderungen und seine Sprache zu übernehmen, im falschen Glauben, damit würde man ihm „den Wind aus den Segeln“ nehmen. Das ist überhaupt das falscheste.

Am besten, man denkt dabei jeden Tag an den schönen Satz des Philosophen Hegel, der meinte, die Furcht zu irren sei schon der Irrtum selbst. Und an Franklin D. Roosevelt, dessen Wendung legendär wurde: Wir haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst.

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