Trump als Chance

Der rote Faden, meine Kolumne in der taz.

Geschichte vollzieht sich ja gelegentlich in seltsamen Volten, als paradoxes Reiz-Reaktions-Schema, man könnte, wäre man altmodisch, auch sagen: dialektisch. Der Aufstieg des autoritären Rechtspopulismus verdankt sich neben vielen anderen Gründen vornehmlich auch dem Verschwinden aller starker Energien aus dem politischen Leben. Weltanschauungsparteien mit ihren starken Überzeugungen verloren an innerre Spannkraft, in ihnen kam eine Kaste von Profi-Politikern hoch, und die Bürger und Bürgerinnen hatten zunehmend den Eindruck, die seien im wesentlichen doch alle gleich. Die Parteien selbst konnten nicht mehr so recht sagen, was sie denn eigentlich wirklich besonders ausmache, was sie in eminenten Sinne ununterscheidbar mache, sodass die Bürger und Bürgerinnen der Verdacht beschlich, dass sich die Richtung niemals ändere, egal wer gewinnt. Das Ergebnis war so etwas wie eine Politik ohne Alternativen, eine Demokratie, bei der in grundlegenden Fragen zwischen den etablierten Kräften doch ein weitgehender Konsens herrschte. Und das war eben auch die Gefahr: Denn, wie Tony Judt einmal sagte, eine Demokratie mit weitgehendem Konsens wird nicht lange eine Demokratie sein.

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Diese Konstellation machte die autoritäre Rechte groß, erstmals als signifikante Minderheit, bis sie dann tatsächlich auf den Sprung zur Mehrheit war, und zwar nicht in einigen Ländern mit Spezialproblemen, sondern ziemlich flächendeckend: Trump in den USA, Ungarn, Polen, in Österreich ist die FPÖ durchaus in der Lage, stärkste Partei zu werden, in den Niederlanden werden die Wilders-Leute wahrscheinlich gewinnen, und eine Präsidentschaft Marine Le Pens ist auch nicht hundertprozentig auszuschließen.

Die dialektische Pointe ist nun allerdings: Damit ist auch die Konstellation, die Spielanordnung auf dem politischen Feld zu Ende, die die Autoritären groß gemacht hat. Die verschiedenen Spielarten liberal-demokratischer Politik sind jetzt kein „Konsens“ mehr, sie sind nicht mehr das Langweilige, Alternativlose, sondern sie sind selbst eine von zwei großen Alternativen: Hier die liberale Demokratie, da die illiberale Pseudodemokratie.

Insofern ist Trump – wenn wir ihn hier als die signifikante Verkörperung und Verschärfung von Orban, Strache, Le Pen etc. betrachten – auch eine Chance. Demokratische Politik ist keine Politik ohne Projekt mehr, sondern hat einen Gegner, einen Antipoden. Sie ist jetzt selbst wieder eine Alternative in einem politischen Wettbewerb, und das alleine kann schon als Energiezufuhr nützen.

Wir in Österreich haben es auf gewisse Weise im Bundespräsidentschaftswahlkampf erlebt, und Ähnliches scheint sich eben auch in Frankreich zu wiederholen. Emmanuel Macron, der jungenhafte, unabhängige Sozialliberale, ist aus heutiger Sicht der aussichtsreichste Anwärter darauf, in einer Stichwahl gegen Marine Le Pen anzutreten – und sie dann auch zu besiegen. Dass es wieder um so etwas wie eminente politische Alternativen geht trägt vielleicht auch zu dem seltsamen Hype um Martin Schulz in Deutschland ein – auch wenn die Bundesrepublik mit einer Rechtspartei, die knapp über der Zehn-Prozent-Marke liegt, natürlich immer noch ein Sonderfall ist. Wie auch immer: Generell ist das „Modell Trump“ für die demokratischen Kräfte auch eine Chance, nämlich sich als echte Alternative zum Autoritarismus darzustellen und sich damit selbst zu „repolitisieren“.

Aber man darf diese These von der Chance nicht missinterpretieren. Das heißt natürlich nicht, dass die alte Apparatschikpolitik von der weichgespülten Mitte jetzt plötzlich ein neues Lebenselexier gefunden hat. Im Gegenteil: Apparatschikhaftes „Weiter so“ und die verstaubten Politikberater-Ratschläge aus den neunziger Jahren würden zur Stimmenmaximierung der Autoritären nur beitragen. Man muss sehr genau analysieren, was genau als Alternative taugt: Wer auch nur den Eindruck erweckt, Teil des hergebrachten Politik-Politik-Establishments zu sein, hat schlechte Karten. Auch hier sind Österreich und Frankreich frappierende Beispiele: In Österreich schlug ein liberaler Grüner die autoritäre Konkurrenz, und auch Macron kann nur deshalb eine Bewegung mobilisieren, weil er sich geschickt als frisch, neu, von jenseits des Polit-Establishments kommend, kurzum, selbst als Kandidat „gegen das System“ positioniert. Und weil er eine glaubwürdige, an Menschenrechten orientierte Pro-Europa-Politik vertritt, und somit nicht als Politiker erscheint, der sich nach Meinungsumfragen richtet oder danach, woher gerade der Wind weht.

Auch das ist eine wichtige Erkenntnis: Früher hätte man gesagt, „electible“ ist nur, wer moderat die konventionelle Mitte abdeckt. Heute sind die, die in die konventionelle Mitte drängeln „unelectible“ – also die, die schlechte Karten haben.

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