Steh zu Deinen Werten!

Walter Ötsch und Nina Horaczek sezieren die Tricks der Demagogen – und erklären, wie man mit ihnen umgehen soll. (Falter, August 17)

Sie mögen sich vielleicht fragen, ob es ein solches Buch in Österreich unbedingt gebraucht hat: „Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung.“ Wir hier in Österreich sind ja ohnehin unfreiwillige Experten auf diesem Feld: Seit 30 Jahren, seit dem Amtsantritt Jörg Haiders sind wir den rhetorischen und den narrativen Tricks der Demagogen ausgesetzt und entsprechend mit ihnen vertraut. Wozu das also? Und außerdem, mögen Sie schließlich zu bedenken geben, wollen Sie ja gar kein Populist und Volksverführer werden. Wozu also eine Anleitung dazu?

Aber die Antwort ist einfach: Weil man die Tricks durchschauen muss um auf sie angemessen reagieren zu können. Der Populist will spalten – und wer rein emotional reagiert, läuft ihm schon ins Messer.

Hier haben sich zwei Autoren gefunden: Nina Horaczek, Falter-Journalistin, eine Expertin auf dem Gebiet der rechten Politik und exzellente Schreiberin, Walter Ötsch wiederum ist Universitätsprofessor, Kommunikationstrainer, wahrscheinlich der ausgewiesene linke NLP-Trainer. Er hat schon Politiker gegen Jörg Haider erfolgreich gecoacht und vor einem Jahr in Falter-Videos die Hofer-Auftritte minutiös seziert. Das Buch ist nun tatsächlich im Stil der Ratgeberliteratur geschrieben. „Wenn sie Populist werden wollen, dann tun sie dies und das…“ Man kann das einen erzählerischen Kunstgriff nennen: Denn natürlich richtet sich das Buch nicht an das Publikum der Möchtegern-Populisten. Aber gerade der Kunstgriff erlaubt eine Nüchternheit. Nie wird die Schrecklichkeit der Populisten gegeißelt, sondern deren Geschick heraus gestrichen.

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Die populistische Rhetorik spaltet die Welt in ein „Wir“ gegen „Sie“. Wir – „das Volk“. Sie – „die Anderen“ (Ausländer, Flüchtlinge, Eliten, der politische Gegner, die Gutmenschen…). Reines Schwarz-und-Weiß. Das Volk, das eigentlich nicht existiert (in der Realität gibt es nur eine buntscheckige Bevölkerung), wir gleichsam erfunden, und oft wird die große Mehrzahl der Bevölkerung aus dem Volk ausgemeindet. Eine absurde Operation – aber sie funktioniert. Konzentriere Dich auf Einzelfälle. Verwandle Sachprobleme in Personenprobleme. Wenn in einer komplexen Welt manche Dinge nicht gut funktionieren, erzähle, dass irgendein korrupter Typ dafür verantwortlich ist, den man auf der menschlichen Ebene unbedingt abwerten muss. Dinge sind nicht einfach schlecht, jemand muss auf persönlicher Ebene unbedingt Schuld daran tragen. Geriere Dich als Opfer. Dann ist selbst die aggressivste Rhetorik nichts als Notwehr einer verfolgten Unschuld. Spiele auf der Klaviatur der Gefühle, auf Body-Talk. Dominanzgesten, Erfolgsgesten, Aggressivität und Schwung zeigt man am besten non-verbal. Verstehe, dass man „sprechen“ kann, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

Erst im letzten Kapitel springen Autor und Autorin in die andere Perspektive – wie man kontern soll. Zeige nicht deinen Ärger, bleibe ruhig. Nichts hilft dem Populisten mehr, als wenn er Dich auf sein Terrain lockt und dort zur Weißglut treibt. Unterlaufe seinen Stil, wechsle die Ebene, etwa, indem man direkt anspricht, dass er mit permanenten persönlichen Unterstellungen kommt. Hinterfrage sein Schwarz-Weiß-Bild. Und vor allem: Stehe zu Deinen Werten. Passe Dich dem Diskurs, den der Populismus etabliert, nicht an. Schon aus einem Grund: „Wer schon bei leichtem Gegenwind ins Wanken gerät, darf sich nicht wundern, wenn ihm niemand vertraut.“ Denn das Publikum, mag es auch anderer Meinung sein als Du, wird nichts mehr verabscheuen als Wendehalsigkeit. Wenn Du zeigst, dass Du nicht zu Deinen Werten stehst, kann der Populist eine Champagnerflasche aufmachen – dann hast Du nämlich seine Behauptung bestätigt, dass Du für nichts stehst und für den Machterhalt alles tun würdest.

Walter Ötsch/Nina Horaczek: Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung. Westend-Verlag, Frankfurt/M. 2017. 256 Seiten. 18,50.- Euro

 

3 Gedanken zu „Steh zu Deinen Werten!“

  1. Hallo Herr Misik,
    ich habe Ihnen letzte Woche ganz konservativ ein E-Mail geschickt.
    Ich hege den Verdacht, dass Sie es nicht bekommen haben?
    Gruß Michael Egger

    1. es ist ein bisschen sommer und urlaubszeit und daher kann sein, dass ich es bekommen und noch nicht gelesen habe. ich werde mal nachsehen und mich – bitte bisshen zeitverzug tolerieren – melden.

  2. „Der Populist will spalten“

    Ja, eh. Die seit Langem hierfür erfolgreichsten Mittel sind Klassenkampf und Identity-Politics, denn ohne gesellschaftliche Fragmentierung, ohne Zerstörung bislang noch halbwegs bestehender Zusammenhalte zwischen denen, die schon länger da sind, gibt es auch keinen ’neuen Menschen‘, der sich widerstandslos in Utopia ansiedeln läßt.

    Steht daher auch öffentlich zu euren Werten, liebe Sozialisten, und wenn euch das nicht gelingt, dann verzichtet doch bitte angesichts der eingemahnten Entspanntheit in der Debatte wenigstens auf das fette Rufzeichen beim marktschreierischen „Haltet den Dieb!“

    Zugegeben, der Wurm am kommunikativen Haken muß dem Fisch schmecken, nicht dem linken Angler, was die eine oder andere, der mentalen Gesundheit abträgliche Verrenkung in der Argumentation trefflich erklärt. Aber, und das ist das Traurige, nachdem das vormalige revolutionäre Subjekt längst schon aus roten Gewässern ausgebüchst ist, angelt man dergestalt aktuell bloß noch unter seinesgleichen.

    Die verfolgende Unschuld schnitzt sich dennoch eine Flöte nach der anderen. Für die einen sind das ’narrative Tricks‘, für andere ein sich wechselseitiges Zupfeifen von Mut im zunehmend finsteren Wald. So wird das nichts mit den Champagnerflaschen, pardon: Krimsektflöten.

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