Wann haben Sie zuletzt mit Hoffnung gewählt?

Selten kann ich einem Argument von Franz Schellhorn, dem Chef der neoliberalen Pressure-Group Agenda Austria, etwas abgewinnen. In seiner „Profil“-Kolumne der Vorwoche schüttelte er den Kopf darüber, dass die SPÖ die zunehmende Ungleichheit und die fürchterliche soziale Misere in Österreich ständig beklagt. Denn erstens sei Österreich doch ohnehin ein Land mit viel sozialem Zusammenhalt, hoher Lebenszufriedenheit und guten ökonomischen Daten. Zweitens würde die SPÖ damit doch eigentlich die These verbreiten, dass der Sozialstaat nicht funktioniert. Und drittens sei es natürlich noch einmal extra ungeschickt, als Regierungspartei zu sagen, dass alles furchtbar ist – die Wähler könnten einen dafür verantwortlich machen. Diese Argumentation muss man nicht bis ins Detail unterschreiben, aber natürlich trifft Schellhorn einen bedenkenswerten Punkt. Man kann es übrigens generell eigenartig finden, dass zwei Regierungsparteien mit der Botschaft den Wahlkampf führen, dass in Österreich verdammt viel im Argen liegt. Die ÖVP übertrifft die SPÖ da ja noch einmal locker. Grantelnder Pessimismus Sind wir alle miteinander zu negativistisch? Ohne Zweifel ist das auch der Fall. Aber natürlich kann Affirmation eines Status quo, selbst wenn der im internationalen Vergleich ein durchaus herzeigbarer ist, nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Aber vielleicht ist das Problem auch ein ganz anderes. Nämlich dass mit der Kritik selten Optimismus einhergeht – sondern viel häufiger landestypischer grantelnder Pessimismus. „Was haben Ronald Reagan und Spaniens radikale Podemos-Partei gemeinsam?“, schrieb der britische Blogger, Aktivist und „Guardian“-Kolumnist Owen Jones im April. „Wenig, könnte man annehmen. Ersterer war ein dogmatischer Ideologe, der die freien Märkte wüten lassen wollte; Podemos ist eine direkte Rebellion gegen dieses Dogma. Aber beide definierten ihre gegensätzlichen Philosophien auf ähnliche Weise: mit Hoffnung, Optimismus und Ermächtigung.“ Reagans Mantra war „Morning in America“. Der Podemos-Anführer Julio Iglesias sagt: „Wir repräsentieren nicht nur die Stimme der Wütenden, sondern die Stimme der Hoffnung.“ Und fügt hinzu: „Wann war das letzte Mal, dass ihr mit Hoffnung gewählt habt?“ Owen richtete an die Labour Party daher eine Aufforderung, die man aber allen progressiven Parteien, ob groß, klein, links oder linksliberal, in Opposition oder in Regierung, aber auch allen außerparlamentarischen Bewegungen dringend zu bedenken geben soll: Ihr könnt nicht mit Miesepeterei gewinnen, ihr müsst Hoffnung verbreiten.

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