Schirrmachers Loblied auf den Nerd

Für das Wahlblog der Böll-Stiftung

 

FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher kann einem gelegentlich auf die Nerven gehen – mit seinen „Wichtige-Männer“-Netzwerken etwa, mit seinem Methusalem-Komplott. Aber sehr oft weiß man dann doch, was man an ihm hat: Einen aufgeweckten Zeitgenossen, der neugierig ist auf die Welt, einen Mann mit einer Nase, wie man so schön sagt – einen, der Witterung aufnimmt. Jetzt hat er einen ebenso klugen wie wohltuenden Text geschrieben über den „Aufstieg der Nerds“.

Schirrmachers Loblied auf den Nerd weiterlesen

Überraschung: Niemand verteufelt die „Linkspartei“ mehr

Für das Wahlblog der Böll-Stiftung.

 

„Der Bürger weiß jetzt einigermaßen, woran er ist“, hob am Wochenende die FAZ in ihrem Vorwahlkommentar an. Und das stimmt schon: Da die FDP eine Ampel ausschließt und die SPD eine Koalition mit den Linken ist den Wählern, jedenfalls was die Regierungskonstellation angeht, letztlich die eine Frage vorgelegt: Soll Deutschland Schwarz-Gelb regiert werden, oder soll Deutschland nicht Schwarz-Gelb regiert werden? Logischerweise heißt das: Wer Schwarz-Gelb nicht will, darf weder Schwarz noch Gelb wählen. Die Wähler können also ein Signal senden, was sie nicht wollen, eine sehr viel präzisere Botschaft lässt sich diesmal an der Urne kaum abfassen.

Überraschung: Niemand verteufelt die „Linkspartei“ mehr weiterlesen

FS Misik 95: Play it again, Angie!


Eine Woche noch bis zur deutschen Bundestagswahl – aber Spannung will so richtig keine aufkommen. Klar, dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Weder die Amtsinhaberin Angela Merkel noch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sind besonders polarisierend, und begeistern kann man sich weder für die eine noch für den anderen. Aber der Hauptgrund ist: Wie immer die Wahl ausgeht, schon vorher ist klar: Merkel bleibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Kanzlerin. Das nimmt dem Wahlkampf den Thrill. Offen ist nur: Wird es für Merkel zu ihrer Lieblingskoaliton mit der marktradikalen FDP Guido Westerwelles reichen, oder muss sie wieder in eine Große Koaliton mit der SPD? Den Sozialdemokraten dagegen droht eine historische Wahlschlappe. Ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis der Nachkriegsgeschichte – 28,8 Prozent – wirkt diesmal beinahe wie eine schier unerreichbare Traummarke. Eine Prognose ist deshalb keineswegs gewagt: Die SPD wird sich wohl ab kommenden Montag um ein neues Führungspersonal umsehen müssen.

FS Misik 95: Play it again, Angie! weiterlesen

Weissgarnix empfiehlt:

Sechs Jahre ist mein kleines Büchlein „Marx für Eilige“ schon am Markt, aber immer noch kommen freundliche Besprechungen. Besonders freut mich, was Kollege „Weissgarnix“ heute auf seinem Blog zu berichten hat:

Wer sich in die Materie einlesen oder wiedereinlesen möchte, wie ich es vor kurzem auch tat, dem empfehle ich Robert Misiks hervorragendes Einstiegswerk „Marx für Eilige„. Der Titel täuscht dabei kolossal, den es handelt sich bei Misiks Buch nicht um einen der vielen 0815-Kurzkommentare zum „Kapital“, sondern einer recht breit (und deshalb notwendigerweise nicht allzutief) angelegten Würdigung von Marxens Gesamtwerk, inklusive recht ausführlicher Biographie. 

(…)

 Und was mir am allerwichtigsten scheint: Es macht wirklich Spaß, diese Einführung zu lesen, sie ist kurzweilig, gespickt mit Anekdoten und äußerst unterhaltsam – was man von marxistischen Werken bekanntlich nicht immer sagen kann. Ganz besonders empfehlen möchte ich das Werk den zahlreichen Marx-Kritikern und Sozialismus-Beschwörern in den deutschen Presseredaktionen – damit sie wenigstens einmal in ihrem Leben gelesen haben, was Marx wirklich gesagt hat.

Ich verneige mich dankend gen Hamburg, Herr Strobl!

Sarkozy will mehr Glück im BIP

Für das Wahlblog der Böll-Stiftung

 

Erinnern Sie sich noch, wie gerne forsche Marktfetischisten darauf hingewiesen haben, dass Europa gegenüber Amerika im Produktivitätsfortschritt zurückfalle? Und wissen Sie, worauf ein Gutteil dieses „Produktivitätsfortschritts“ beruhte? Auf den Produktivitätsfortschritt in der Finanzindustrie! Aber wie misst man eigentlich die Produktivität von Bankern, Brokern und Kredithaien? Ganz einfach: Transaktionen pro Person und Zeiteinheit. Also: Ein bisschen weniger „Produktivitätsfortschritt“ und uns wäre so manches erspart geblieben.

Sarkozy will mehr Glück im BIP weiterlesen

Merkel im „Rheingold-Express“: Es gibt sie noch, die guten Dinge

Für den Wahlblog der Böll-Stiftung 

 

Ob das eine so gute Bildsprache ist? Im Nostalgiezug „Rheingold Express“, mit dem einst Konrad Adenauer unterwegs war, scheppert Angela Merkel gerade durch die Republik. Wahlkampf aus dem Manufactum-Katalog: Salonwagen mit schwerer, mechanischer Schreibmaschine, schwarzes Telefon aus Opas Zeiten. Es gibt sie noch, die guten Dinge. Auf den Stationen ihrer „Soziale-Marktwirtschaft-Revival-Tour“ machten ihr Nachkommen Adenauers die Aufwartung, in Koblenz verneigte sich Merkel vor der Ära Kohl. Die Botschaft lautet wohl: Auch wenn Merkel erst zur CDU-Chefin werden konnte, indem sie den Bruch mit der Alten-Männer-Union markierte, so ist sie Erbin jener Partei, die die „soziale Marktwirtschaft“ geprägt hat. Sie wissen schon: gezähmter „rheinischer Kapitalismus“ mit seiner Parole: „Wohlstand für alle“. Aber der Nostalgiezug, diese bemühte Patina! Will uns Merkel bildhaft verdeutlichen, dass sie überhaupt keine Idee hat, wie „soziale Marktwirtschaft“ unter modernen Bedingungen aussehen kann? Oh ja, es gab einmal eine Epoche, da waren die Reallohnzuwächse der normalen Leute dynamischer als die Reichtumsgewinne der Oberen. Damals, als es noch Telegrafen gab und Dampflokomotiven. Gewiss, das war kein Paradies auf Erden: Altnazis saßen in Spitzenpositionen, bieder ging es auch zu. Aber von „kralle-dir-was-du-kannst-und-wer-übrig-bleibt-ist-selber-schuld“-Geist war die Zeit jedenfalls nicht durchzogen. Wie soll sie also aussehen, die moderne „Soziale Marktwirtschaft“? Na, vielleicht hat ja der Westerwelle eine Ahnung, der braucht seit der Verschrottung des Guidomobils ohnehin eine Mitfahrgelegenheit.

Ketchup-Ökonomen

Zwei Lektüreempfehlungen: Paul Krugman hat einen großen Essay im New York Times Magazine geschrieben: „How Did Economists Get it So Wrong?“, in dem er sich einmal mehr die Phantasien und Illusionen marktfundamentalistischer Wirtschaftswissenschaftler vorknöpft. Mit einer hübschen Metapher illustriert er die selbstreferentiellen Ableitungen, die in der Vodoo-Makroökonomie der Neoklassiker so beliebt sind:

„Aus der Entdeckung, dass zwei Ketschup-Flaschen exakt doppelt soviel kosten wie eine Ketchup-Flasche, ziehen sie den Schluss, dass der Ketchupmarkt ein perfekter, effizienter Markt ist.“

In Anlehnung an ein Wort von Larry Summers nennt er die Anhänger der „Efficient Market Hypothesis“ daher „Ketchup-Ökonomen“.  

Empfehlenswert auch ein großes Stück in „New Atlantic“ über „Life In (and After) Our Great Depression“. Autor Benjamin Schwarz beschreibt an Hand von Büchern über die Große Depression der 30er Jahre, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen könnte. Denn auch in der großen, tiefen Krise kollabierte die Ökonomie ja nicht etwa, sodass die Menschen in rauchenden Ruinen saßen. Auch sie nistete sich eher schleichend ein, so wie das auch heute geschieht. Die allermeisten Menschen hatten weiter einen Job. Sie hatten nur weniger Geld. Die, die Arbeit suchten, haben schwerer eine gefunden. Wer jung war, dessen Berufslaufbahn kam schleppend oder gar nicht voran. Zukunftszuversicht wich, Pessimismus machte sich breit. Dienstleistungen wurden seltener in Anspruch genommen, weil das Geld dafür fehlte, sodass wieder mehr häusliche Arbeit auf den Schultern der Frauen lastete. Kinder mussten mehr mithelfen, sei es im Haushalt, sei es, dass sie durch kleine Arbeiten zum Familieneinkommen beitrugen. Man ging seltener zu außerhäuslichen Vergnügungen – dafür fehlte das Geld -, man orientierte sich wieder mehr auf die (Klein-)Familie. Die Menschen hatten sogar seltener Sex. Wer in diesem Unsicherheitsgefühl aufwuchs, kriegte es später nie mehr wirklich los.

FDP verjagen? Nicht mit diesen Kanzlerkandidaten

Für das Wahlblog der Böll Stiftung

Es gibt ja eine Reihe möglicher Varianten politischer Stilistik. Man kann sie als Entertainement anlegen, als Rauferei, unter Männern ist auch sehr beliebt, ihr einen Schuss ins virile, tatmenschliche zu verleihen. Und dann gibt es die Phlegma-Politik. Sachlich und fair. „Yes, wie gähn“, kommentierte die taz das Kanzlerduell. Der kluge Comedien Dirk Stermann meinte, Merkel gegen Steinmeier, das ist so, als würden die Klitschko-Brüder gegeneinander boxen während Mama zuschaut.

FDP verjagen? Nicht mit diesen Kanzlerkandidaten weiterlesen