Aló Hugo

Venezuelas Präsident, der Haudegen Hugo Chávez, ist der neue Darling der westlichen Linken. Taugt der Caudillo von Caracas tatsächlich zum Säulenheiligen? Falter, März 2005

 

Mal trägt er Uniform und Stiefel dazu, dann wieder Anzug; fast immer auch ein Barett, Signum des Kriegers. Hugo Chávez, linker Populist, Entertainer, eine Type – mit mehr als einem Schuss ins Caudillohafte. Präsident Venezuelas seit sieben Jahren, hat er es schon länger zum Liebling der lateinamerikanischen Linken gebracht. Doch seit Jänner dieses Jahres ist er auch noch der Darling der globalen Zivilgesellschaft. Da hatte der volksnahe Ex-Militär seinen großen Auftritt beim Weltsozialforum in Porto Alegre. Dort hielt er vor 120.000 Leuten eine denkwürdige Rede in der er sich in gewohnter Bescheidenheit in eine Reihe von Jesus bis Che Guevara stellte: "Ich bin kein Präsident, ich bin Hugo … Ich bin ein Revolutionär und jeden Tag bin ich mehr Revolutionär, denn jeden Tag kann ich mich mehr davon überzeugen, dass dies der einzige Weg ist, auf dem wir die kapitalistische Hegemonie brechen können." Und: "Goliath ist nicht unbesiegbar, der Imperialismus ist nicht unbesiegbar." Schließlich rief er zur weltweiten Verschwörung gegen den Neoliberalismus auf. "Der beste Weg zu einer lebenswerten Welt führt nicht über den Kapitalismus, sondern über den Sozialismus."

 

Verschafft hat ihm diesen Auftritt Ignacio Ramonet ("Ein guter Freund", so Chavez), der Chefredakteur der "Le Monde Diplomatique", der auch eine der führenden Celebrities im weltweiten globalisierungskritischen Attac-Netzwerk ist. Das gibt dem Chavez-Hype eine gewisse Brisanz. Wächst da womöglich wieder jemand in die Rolle des Säulenheiligen der westlichen Linken? Nach Lenin, Mao, Fidel, Che und Ho Tschi Minh – jetzt also Genosse Hugo? Und wird demnächst wieder ein Land zum Modell erklärt – diesmal eben Venezuela?

 

Es wäre erstaunlich und verstörend. Schließlich hat die westliche Linke ordentlich Lehrgeld bezahlt für die Vergötterung martialischer Haudegen. Und einen Schlag in Richtung eines autoritären Peronismus hat Chavez ohne Zweifel, wenngleich er sicher eine ambivalente Figur ist. Aber er ist eben auch kein lupenreiner Demokrat: Er ließ die Rechte des Präsidenten in der Verfassung stärken, beschnitt die Unabhängigkeit der Richter und poltert in seiner sonntägigen Fernsehsendung "Aló presidente" schon mal nach einer Höchstgerichtsentscheidung, "das Volk" werde sich einen Dreck darum scheren. Kritiker nennt er gerne auch "Banditen". Öffentlich greift er kritische Zeitungen an. Wenn seine Anhänger dann Redaktionen verwüsten, hat er damit natürlich nichts zu tun.

 

Aber das ist nur die eine Seite. In der Verfassung hat er nicht nur die Rechte des Präsidenten, sondern auch die des Volkes stärken lassen (auf Kosten des Parlaments). Jeder Amtsträger, heißt es in der "partizipatorischen" Konstitution, könne auch aus dem Amt gewählt werden. Als die bürgerliche Opposition, die Reichen und Oligarchen und ihre Anhänger, von diesem Recht vergangenes Jahr Gebrauch machten, tat Chavez nichts, sie daran zu hindern. Per Unterschriftenkampagne erzwangen sie eine Abstimmung, in der der Präsident aus dem Amt gefegt hätte werden sollen. Sie geriet zu einer eindrucksvollen Bestätigung Chavez´: Rund sechzig Prozent lehnten die Abberufung ab. In den Armenviertel stimmten bis zu 80 Prozent für ihn. Überall waren an den Häuserwänden zwei simple Buchstaben aufgetaucht: "No!" – "Nein" zur Abwahl. Spätestens damals konnte man die Augen nicht mehr daran verschließen, dass in Venezuela ein soziales Experiment im Gang ist und dass die Unterschichten "ihren" Präsidenten mit Verve verteidigen. Wer nach Venezuela reist, wird von linken Gruppen bald mit dem Ruf: "Welcome to our Revolution" begrüßt.

 

Der Neoliberalismus ist in Lateinamerika allgemein schwer in Bedrängnis geraten. Rechte Politiker werden abgewählt. Brasilien, Argentinien, Uruguay haben linke Präsidenten. Der Geist Bolivars, des legendären Unabhängigkeitshelden des 19. Jahrhunderts, ist wieder erwacht. Aber während Brasiliens Arbeiter-Präsident Lula da Silva uns seine Kollegen versuchen, das globale Establishment bei Stimmung zu halten und nur ja nicht radikal erscheinen wollen, wandelt Chavez auf einen anderen Pfad. Er nimmt den Reichen und gibt den Armen. Die Profite der verstaatlichten Ölindustrie wandern nicht mehr auf Nummernkonten ins Ausland, sondern in halb-staatliche Sozialprogramme. Das ist das Spezifikum der venezuelanischen "Revolution": Venezuela ist reich, fördert etwa drei Millionen Barrel Rohöl pro Tag, also etwa so viel wie Norwegen oder der Iran. Und: Die USA sind von den Ölimporten aus Caracas abhängig – Venezuela ist ihr drittwichtigste Lieferant.

 

Deswegen hat der Staat vergleichsweise viel Geld, das er nun in Sozialprogramme umleiten kann, vor allem in den Gesundheits- und Bildungsbereich. Die Gelder werden an Missiones überwiesen, Basisinitiativen – also gewissermaßen staatlich alimentierten NGOs -, und nicht an staatliche Einrichtungen. Damit wird die klassische Ministerialbürokratie umgangen. Wer will, kann Grund- und Hochschulausbildung nachholen – und bekommt automatisch 100 Dollar pro Monat an Stipendium überwiesen. 1,3 Millionen Erwachsene sollen seit Chavez Amtsantritt Lesen und Schreiben gelernt haben – der Analphabetismus gilt als ausgerottet. Lehrer und Ärzte, dies nebenbei, kommen aus dem darbenden sozialistischen Bruderland Kuba. Auch alternative Medien werden gefördert. Der Staat fördert das – besteht aber nicht auf seine Kontrolle.

 

Der Rohstoffreichtum, der das möglich macht, ist natürlich auch ein Problem: die Einnahmen werden in Sozialprogramme umgelenkt, es werden staatliche Almosen verteilt, produktive Investitionen gibt es aber kaum. Venezuela verkauft Rohöl und andere Bodenschätze. Produziert im strengen Sinn wird in Venezuela aber nichts – schon gar nichts, was am Weltmarkt bestehen könnte. Die Frage ist schon berechtigt: Was ist das für ein soziales Experiment, dessen Voraussetzung darin besteht, dass man in Öl schwimmt?

 

Aber natürlich ist es besser, das Geld wird gerecht verteilt, als dass es allein in den Taschen der Oberschichten verschwindet. Gewiss wird viel unproduktiv verpulvert, etwa wenn an steilen Hanglagen am Stadtrand Gemüse angepflanzt wird – viel Aufwand, wenig Ertrag. Aber es wird auch produktiv in "Humankapital" investiert. Mit gut ausgebildeten jungen Leuten kann Venezuela vielleicht einmal den Anschluss an die globale Wissensgesellschaft schaffen – wie China, wie Indien (kein Zufall, dass Hugo Chavez unlängst Bangalore besuchte, die Heimat der berühmten Computer-Inder).

 

Venezuelas Experiment, kurzum, ist interessant. Hugo Chavez ist eine faszinierende Type, mit positiven und negativen Seiten; die positiven überwiegen. That’s it. Nicht mehr, nicht weniger.

 

Wer mehr wissen will:

Kollektiv p.i.s.o. 16: Venezuela. Welcome to our Revolution. München, 2004. Gegen den Strom. 168 Seiten, 11,90.- Euro

Ein Gedanke zu „Aló Hugo“

  1. Hugo Chavez ist eine faszinierende Type, mit positiven und negativen Seiten; die positiven überwiegen. That’s it. Nicht mehr, nicht weniger.
    CHAVEZ IST EIN BAUER, EIN IDIOT, EIN UNGEBILDETED ARSCHLOCH! ihr habt doch keine ahnung. KEINE AHNUNG!!! ihr habt auch keine ahnung was in venezuela im moment passiert.. KEINE..ich werde dazu nicht viel sagen außer. hört euch meinungen mal an. fliegt nach venezuela redet privat mit den leuten und verbringt ein paar monate dort, nicht als turist, als venezolaner.. und dann werden eure letzten worte sein, hugo chavez ist ein ARSCHLOCH. That’s it. Nicht mehr, nicht weniger.

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