Ob ich erklären könne, dass man SPÖ wählen soll…

fragte mich das Wiener Magazin "Datum". Klar, wird schon gehen, sagte ich. Das ist das Ergebnis.

Man kann die Sache so sehen: Österreich ist ein Land, in dem die Regierung verdient, abgewählt zu werden, in dem die Opposition aber nicht verdient, gewählt zu werden. Eine ziemlich vertrackte Situation. Trostlos. Aber natürlich ist das nur eine sehr pointierte Formulierung. Denn selbstverständlich verdient es die Regierung viel mehr, abgewählt zu werden, als es die Opposition nicht verdient, gewählt zu werden.

 

Okay, okay, ich weiß schon: die Sozialdemokratie unter Gusenbauer, Cap und Bures ist von einer schwer erträglichen Unfähigkeit, jedem öffentlichen Auftritt eines ihrer Spitzenrepräsentanten folgt ein sofortiger Einbruch der Umfragewerte, meist reagiert sie falsch, oft glaubt sie, ihr Heil in Populismus suchen zu müssen (EU-Erweiterung, Türkeifrage…), und der Parteichef schwitzt viel. Ihre Inkompetenz paart sich mit gotesker  Selbstsicherheit, eine ungute Mischung, die sich zu Beratungsresistenz und Trotzverhalten amalgamisiert. Und BAWAG. Und das Hin und Her in der Frage der Gewerkschafterrepräsentanz im Parlament. Und und und.

 

Dazu die Grünen: die stellen sich seit 2002 derart aus Regieren ein, dass sie gelegentlich auf’s Opponieren vergessen.

 

Alles sehr ärgerlich. Aber was zählt das im Vergleich mit dieser Regierung? Im Vergleich zu einer ÖVP im Machtrausch, die alles schwarz einfärbt, bis zum letzten Radioredakteur und zum hintersten Gendarmerieposten? Im Vergleich mit einer Regierungspolitik, die alle produktiven Investitionen, von Infrastruktur bis Universitäten, zurückschraubt und das Land im EU-Vergleich ziemlich weit nach hinten geführt hat? Für die Reform heißt, ihre Parteifreunde an die Futtertröge zu hieven und die sonst alles verschläft? Was sind all die Schwächen der Opposition gegenüber dieser Chaos- und Narrentruppe in der Regierung, im Vergleich zu Grasser, BZÖ, dem „konstruktiven Politiker“ Jörg Haider und einem Spitzenkandidaten Westenthaler, der die Anti-Ausländer-Trommel rührt und mit einer Innenministerin, die Ehen zerreißen lässt? Was ist all das Versagen der Opposition am Feld der Symbolpolitik verglichen mit dem Skandal der realen Regierungspolitik?

 

Got it?

 

Okay. Wenn wir uns also darauf einigen können, dass es verdammt gut wäre, diese Regierung los zu werden, können wir die Varianten durchspielen, die möglich sind.

 

Erstens: Eine rot-grüne Regierung. Die Voraussetzung dafür ist, dass die SPÖ ziemlich stark und die Grünen ziemlich stark aus den Wahlen hervorgehen – erstere irgendwo bei vierzig, zweitere irgendwo bei zehn Prozent. Der Vorteil: Eine echte Wende. Nachteil: nach gegenwärtiger Lage der Dinge ziemlich unrealistisch.

 

Zweitens: Eine schwarz-rote Regierung. Vorteil: Realistisch. Vorteil: die ÖVP müsste sich mit einem relativ gleich starken Partner einigen und wäre in ihrem Machtdrang stark eingeschränkt. Der Nachteil: Geringer Hipheitsfaktor.

 

Drittens: Eine schwarz-grüne Regierung. Vorteil: Realistisch. Vorteil: Die Grünen können endlich das Regieren üben. Vorteil: Ein paar ansehnliche Figuren im Kabinett. Nachteil: Eigentlich kein wirklicher Regierungswechsel. Die ÖVP gibt ein paar Zipfel aus der Hand, die wichtigen Hebel der Staatsmaschine würde sie aber sicher nicht loslassen.

 

Es führt also kein Weg darum herum: Damit sich wirklich etwas ändert, muss die SPÖ stark werden – damit sich entweder eine rot-grüne Regierung ausgeht oder zumindest eine Große Koalition, die die ÖVP-Macht auf Demokratieverträglichkeit einhegt.

 

Got it? Got it!

 

Man hört oft, die SPÖ würde sich doch nicht anders verhalten als die ÖVP, wenn sie wieder ran käme. Abgesehen davon, dass dies, wäre es so, gar nicht so schlecht wäre, denn dann gäbe es immerhin wieder ein „Gleichgewicht des Schreckens“, so fragt sich doch, ob das überhaupt stimmt. Diejenigen, die diese These vertreten, verweisen dann meist auf die Bilanz von dreißig Jahren SPÖ-Regierung. Aber war in dieser Zeit, selbst in der Zeit der Alleinregierung, die SPÖ jemals so schlimm wie die ÖVP heute? Immerhin hat es die SPÖ doch geschafft, anständige Leute hoch kommen zu lassen. Allein in den letzten fünfzehn Jahren SPÖ-Regierung kamen Leute wie Vranitzky, Scholten, Lacina auf verantwortliche Posten. Im Rückblick: Was für eine goldene Ära! Wer prägt die ÖVP dagegen in den letzten 15 Jahren? Mock, Schüssel, Bartenstein.

 

Got it? Got it!

 

Und im ORF? Da, so heißt es, hätte es eben einen Rotfunk gegeben und jetzt gibt es einen Schwarzfunk. Irgendwie muss ich da in einer anderen Welt gelebt haben. War Gerd Bacher nicht während der SPÖ-Alleinregierung Generalintendant? Waren in der SPÖ-Ära nicht unabhängige Köpfe, die ihren Beruf beherrschten, ORF-Chefredakteure, wie etwa Franz Kössler? Es ist eine Gemeinheit solchen Leuten gegenüber, sie mit einer Frau Lindner und einem Herrn Mück zu vergleichen.

 

Got it? Got it!

 

Ich werde, sollte ich sie denn wählen, die SPÖ sicher nicht mit Freude wählen. Sollte ich die Grünen wählen, würde ich sie wahrscheinlich sogar mit mehr Freude wählen. Ich würde auch froh sein, wenn eine Schwarz-Grüne Regierung regieren, denn dann wäre wenigstens diese Schwarz-Blau-Orangene Spuk zu Ende. Aber bei Lage der Dinge ist eine Schwarz-Rote Koalition mit einer starken SPÖ doch das realistischerweise Beste, was dem Land passieren kann. Keine Aussicht, die einen vor Freude an die Decke hüpfen lässt, aber doch die beste in einem Land, in dem man unter ziemlich großen Übel Schwierigkeiten hat, sich für das jeweils kleinste zu entscheiden.

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