Ist Bush nächste Woche am Ende, Herr Rabinbach?

Der US-Historiker Anson Rabinbach prophezeit, dass der Präsident nach den Wahlen zu Repräsentantenhaus und Senat am 7. November eine lahme Ente sein wird – selbst wenn die Republikaner knapp gewinnen – Falter, 2. November 2006

 

 

 

 

Werden die Republikaner die Midterm-Wahlen am 7. November verlieren?

 

Rabinbach: Wenn man die Wahlergebnisse ansieht, die des Jahres 2000 und des Jahres 2004, dann sieht man: es ist extrem knapp zwischen den beiden Parteien. Da gibt es nur ein paar tausend Stimmen, die sie trennen. In unserem System kann aber die Regierung tun, was sie will, und die Oppositionspartei funktioniert nicht einmal wie eine richtige Oppositionspartei. Viele kritisieren die Demokraten, sagen sie seien feige. Aber das ist ganz normal in den USA.

 

Vielleicht ist es aber so, dass sich die Parteien gar nicht so sehr voneinander unterscheiden?

 

Rabinbach: Aber nein! In der Innenpolitik sind sie Meilenweit voneinander entfernt. In der Außenpolitik kann man darüber streiten.

 

Es gibt aber doch nicht nur den Umstand, dass die beiden Lager etwa gleich groß sind. Amerika als solches ist total in zwei Lager gespalten, die sich leidenschaftlich bekämpfen, richtiggehend hassen. Woher kommt dieser aggressive Zug?

 

Rabinbach: Es gibt eine Reihe von Gräben. Wir haben diese Spaltung in „Red-and-Blue“-States, also in die, die von Demokraten, die von Republikanern dominiert werden. Aber auch innerhalb dieser Staaten gibt es eine tiefe Spaltung. Viele Bundesstaaten, die als Erbpacht einer Partei galten, sind nun Swing-Staaten.

 

Was heißt das für die Wahlen Anfang November?

 

Rabinbach: Das heißt, es wird wieder unglaublich eng. Vielleicht verlieren die Republikaner die Kontrolle des Repräsentantenhauses, vielleicht mit ein, zwei Sitzen Rückstand – vielleicht auch nicht. Im Senat ist es noch komplizierter. Das Interessante ist: Das Land ist gespalten und es hat sich seit dem Jahr 2000 nichts daran geändert. Bush hat keine Hegemonie, er hat seine Stellung als Präsident im Grunde nicht verbessern können.

 

Was die Regierung tut, ist also irrelevant – die Leute sind leidenschaftliche Anhänger eines Lagers und bleiben es auch?

 

Rabinbach: Man sagt immer, die Republikaner sind leidenschaftlicher. Man sagt auch, die konservativen Parteistrategen sind geschickter darin, die Leidenschaften ihrer Wähler zu mobilisieren. Ich denke, dass das so nicht stimmt. Die Republikaner kommen unter Druck, auch wegen des Irakkrieges: Wenn sie die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verlieren, wird das als ein Referendum über den Irakkrieg interpretiert werden.

 

Und wenn nicht?

 

Rabinbach: Dann wird das im Gegensatz dazu nicht unbedingt als Zustimmung zum Krieg interpretiert werden. Zudem ist diese Wahl, wie immer sie ausgeht, danach ist die Bush-Regierung schwach. Die nächsten zwei Jahre ist Bush eine lame duck, wie wir dazu sagen, eine lahme Ente. In seiner Partei wird die Rücksicht auf den Präsidenten schwinden.

 

Warum?

 

Rabinbach: Weil es einfach keine Wahlen mehr geben wird, bevor ein neuer Präsident antritt. Das bedeutet, dass kein Amtsträger der Partei mehr hoffen kann oder darauf angewiesen ist, dass Bush etwas für ihn tut. Das heißt umgekehrt: Nach dem 7. November hat keiner in seiner Partei einen Grund, ihn zu unterstützen.

 

Man wird Ausschau nach dem potentiellen Nachfolger halten? Wer wird das denn sein?

 

Rabinbach: John McCain gilt derzeit als Favorit. Aber man weiß es nicht. Man weiß es auch bei den Demokraten nicht.

 

Hillary?

 

Rabinbach: Hillary Clinton wird ihren Anspruch sehr massiv anmelden, danach sieht es aus. Aber auch Barack Obama, der charismatische schwarze Senator von Illinois, wird bereits als Präsidentschaftskandidat genannt – wenngleich für ihn die Wahl wohl noch zu früh kommt…

 

…aber als Vizepräsidentschaftkandidat unter einer Präsidentschaftkandidatin Clinton? Wäre das nicht ein Paar! Hillary und Obama, die beiden Celebrities des liberalen Lagers!

 

Rabinbach: Können Sie sich ein Präsidentschaftticket der Demokraten vorstellen, mit einer Frau und einem Afroamerikaner? Ich kann es mir vorstellen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es gewinnen kann.

 

Sie wissen nicht, ob es gewinnen kann? Oder wissen Sie, dass es nicht gewinnen kann?

 

Rabinbach: Ich weiß nicht, ob es gewinnen kann. Aber ich weiß, dass viele einflussreiche Demokraten sicher glauben, dass es nicht gewinnen kann. Andererseits: Es gibt genügend Hinweise, dass bei Wahlen zunehmend gilt: Race doesn’t matter, dass also die Bedeutung, ob einer Schwarz oder Weiß ist, abnimmt. Obama hat natürlich Vorteile: Er ist extrem scharfsinnig, intellektuell, ein brillanter Redner. Aber er hat auch Nachteile: Er ist erst seit zwei Jahren Senatsmitglied. Man würde sagen: Der hat doch keine Erfahrung! Und Hillary Clinton: Wir wissen alle, sie wird nicht gerade von allen Amerikanern geliebt. Freilich, sie hat sich sehr geschickt erwiesen. Sie ist nicht als scharfe Kritikerin des Irakkrieges hervorgetreten, im Gegenteil, damit sie nicht mit dem linksliberalen Flügel ihrer Partei identifiziert wird.

 

George W. Bush hat den Irakkrieg unlängst selbst mit Vietnam verglichen. Hat er gewusst, was er da tut?

 

Rabinbach: Ich denke ja. Ich glaube, er wollte den Druck von den Kandidaten seiner Partei nehmen, die bisher gezwungen waren, die Probleme zu beschönigen. Jetzt können die sagen: „Seht doch, sogar der Präsident meint, dass der Krieg schlecht läuft…“ Er versucht, die Kriegsfrage innenpolitisch etwas zu neutralisieren.

 

Lassen Sie uns noch einmal auf die Spaltung des Landes in zwei Lager zurückkommen – hier in Österreich ist das ja nicht so viel anders. Dagegen ist das in Ländern wie Deutschland oder Frankreich eigentlich Vergangenheit. Was braucht es, damit ein Land ein Opfer dieses Campismus wird?

 

Rabinbach: Parteilichkeit, der Streit zwischen verschiedenen politischen Meinungen ist doch nichts Schlechtes!

 

Eine ressentimentgeladene, aggressive Atmosphäre, ist die etwas Gutes?

 

Rabinbach: Nun, für Österreich gilt, dass dieses Land praktisch von zwei rivalisierenden politischen Lagern aufgebaut wurde. Auch die USA waren, das fällt von außen nicht so auf, immer ein sehr gespaltenes Land. In Schwarz-Weiß, in Reich-Arm. Religion – die Spaltung in evangelikale und moderate Christen. Eigentlich sind Deutschland und Frankreich die Sonderfälle, weil in diesen Ländern das nationalkonservative Lager diskeditiert wurde – in Deutschland durch die Nazis, in Frankreich durch Vichy.

 

Vielleicht ist ein zunehmend aggressiver Stil aber einfach die Zukunft, etwas Modernes, was mit Geschichte gar nichts zu tun hat. Ist es nicht so, dass es ganz gut funktioniert, wenn man den Gegner zum Feind erklärt, ihn verächtlich macht – als Gauner, als lächerliche Figur, als Vaterlandsverräter?

 

Rabinbach: Ich weiß nicht. Im Moment sieht man, dass die Moderaten in der Republikanischen Partei starken Aufschwung haben. Warum? Weil manche moderate Anhänger der Republikaner zu den Demokraten wechselten und das wurde als Alarmzeichen verstanden. Da bricht das Eis auf. Hinzu kommt: In den USA gibt es eine sehr positive Erinnerung an die Zeit des Zweiten Weltkrieges und dann des Kalten Krieges, als man gemeinsam den Totalitarismus bekämpfte. Diese Jahre des Konsenses sind bedeutend in den kollektiven Tiefenerinnerungen der Amerikaner.

 

Anson Rabinbach ist einer der renommiertesten amerikanischen Historiker. Der Spezialist für Europäische Geschichte ist Professor an der Princeton-University.

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