Bad Religion

Religion. Die Bewegung der „Neuen Atheisten“ will die christliche Rechte in Amerika und den Einfluss von Islam, Christentum & Co. weltweit zurückdrängen. Der energische britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins ist der Prophet der bissigen Gottlosen. profil, 18. Dezember 2006 

 

 

 

 

Gerade lief es für den alten Knochen noch Bestens: Der Präsident der einzigen verbliebenen Supermacht konsultierte ihn regelmäßig, und auch dessen fanatische Widersacher riefen ihn an, bevor sie ihre Selbstmordgürtel zündeten. Wilde Krieger agierten in seinem Namen und auch die Friedfertigen hielten sein Banner hoch. Und wer an ihm zweifelte, tat es nur im Stillen, denn schließlich will man ja niemandes Gefühle verletzen. So viel mitzureden in der Politik, und zwar weltweit, hatte der Kerl schon lange nicht. Die Rede ist natürlich von Gott.

 

Doch, wie schon der Prophet Salomo sagte: „Ein Jegliches hat seine Zeit“. Nichts ist von Dauer. Ein Mann vor allem will den Gottgläubigen das Handwerk legen: Richard Dawkins, 65, britischer Evolutionsbiologe von höchstem Renomée, hat nun den Kampf gegen die Religion aufgenommen. Mit seinem Buch „The God Delusion“ – „Der Gotteswahn“ – tourt er durch die USA und Großbritannien. Und vor allem im bigotten Amerika, wo der Einfluss der evangelikalen Hardliner auf die Politik in den vergangenen Jahren erstaunliche Ausmaße erreicht hat, wird Dawkins gefeiert wie ein Prophet. Auf der Bestsellerliste der „New York Times“ hat Dawkins seit 11 Wochen seinen fixen Platz unter den Top Ten, in Großbritannien führt er die Verkaufsranking beim Internet-Buchhändler Amazon souverän an.

 

Es ist, als hätten viele Menschen nur auf einen wie Dawkins gewartet, einen, der Verständnis und Respekt vor den Religionen beiseite lässt; einen, der sagt, man solle den Irrglauben an höhere Wesen nicht tolerieren; einen, der kühl feststellt, dass die Religionen für die meisten Schrecklichkeiten auf diesem Planeten verantwortlich seien. Zumal Dawkins nur der leidenschaftlichste und renommierteste Vertreter einer neuen Strömung ist. Gerade eben landete der Autor Sam Harris mit seinem bitterbösen „Letter to a Christian Nation“ einen veritablen Bestseller, und auch der Philosoph Daniel Dennett, Anführer der „Brights“-Bewegung, die gegen den Glauben an übernatürliche Kräfte aller Art kämpft, brachte von seinem jüngsten Buch „Breaking the Spell“ zehntausende Exemplare an die Leute.

 

„Zwischen 20 und 30 Millionen Atheisten gibt es in den USA“, schätzt Dawkins. Im öffentlichen Leben jedoch seien sie an den Rand gedrängt. „Wir sind in derselben Situation wie die Schwulenbewegung vor ein paar Jahrzehnten. Ein Coming Out ist nötig.“

 

Die Bewegung der „New Atheists“ – die „neuen Atheisten“ – ist jetzt der letzte Schrei in Amerika. Magazine wie „Newsweek“ widmeten ihnen große Storys, das Technologiejournal „Wired“ feierte den „New Atheism“ gar mit einer knalligen Covergeschichte. Überall in den USA entstehen Aktivistengruppen, und in der Bloggosphäre, den wendigen Weblog-Netzwerken im Internet, gilt der Kampf gegen die Religion schon als „The Next Big Thing“.

 

Bittere Weihnachten also für die Freunde von Grand Old Rauschebart.

 

Eine Überraschung – und wiederum auch nicht. Nirgendwo hatten bigotte Christenaktivisten das Feld in den vergangenen Jahren so gut bestellt wie in den USA – dem Land im Westen, in dem sich rund 90 Prozent der Bürger als religiös deklarieren und zwei Drittel bekunden, sie würden nie für einen Politiker stimmen, der nicht an Gott glaubt. Heute, freut sich der rechte Vordenker Samuel Huntington, ist die Religion „präsenter im öffentlichen Leben als je zuvor seit Beginn des 20. Jahrhunderts“. Die evangelikalen Gemeinden haben an Schlagkraft gewonnen, die besonders konservativen haben durchschnittlich um 20 Prozent mehr Mitglieder als Anfang der 90er Jahre. Sie nehmen nicht nur Einfluss auf die Regierungspolitik von George W. Bush, sie wirken bis in die politische Mitte hinein –  weil viele liberale Politiker eine Scheu davor haben, sich mit den aggressiven Kampagnenprofis der christlichen Rechten anzulegen. Die religiöse Rechte kämpft dagegen, Darwins Evolutionstheorie in Schulen zu unterrichten und will stattdessen „Intelligent Design“ – also die Lehre, dass der Schöpfer-Gott auch noch die Evolution vorausgeplant habe – in die Lehrpläne aufnehmen oder gleich den Kreationismus unterrichten, also den Glauben, dass Gott die Erde genau so wie sie ist vor wenigen tausend Jahren erschaffen hat. Seien es die Auseinandersetzungen um die Homo-Ehe oder der Streit um die Stammzellenforschung, überall versuchen die christlichen Gemeinden Einfluss auf die Politik zu nehmen. Und auch in die Außenpolitik mischen sie sich lautstark ein – schließlich kommt die Vorstellung eines „Kampfes der Kulturen“ den Ideen einer Auseinandersetzung zwischen „christlichem Westen“ und „dem Islam“ entgegen. „Gegen diese Vermischung von Politik und Religion gibt es eine Gegenreaktion, die Leute haben das satt“, sagt Keith Porteous Wood, ein Mitstreiter Dawkins von der britischen „National Secular Society“.

 Weihnachtskarte des britischen Gleichstellungbehörde:

Unerwartet viele Tore öffnen sich den „New Atheists“ dieser Tage. So predigte Dawkins unlängst in der First Parish Church am Harvard Square in Cambridge, Massachusetts – draußen warb ein Spruchband für die gleichgeschlechtliche Ehe. Drei Dollar Eintritt muss hinlegen, wer Dawkins Brandreden hören will, die Säle und Kirchen sind meist auf den letzten Platz gefüllt. Schließlich tut Dawkins auch etwas für sein Geld. In elegantem Oxford-Englisch, das immer auch ein bisschen arrogant klingt, sagt Dawkins einen provokativen Satz nach dem anderen. „So lange wir daran festhalten, dass man religiösen Glauben respektieren muss, alleine deshalb, weil er religiöser Glaube sei, wird man Schwierigkeiten haben, Osama bin Laden oder Selbstmordattentätern diesen Respekt zu versagen.“ Gottglaube sei irrational, aber aufgrund falsch verstandener Toleranz handele es sich dabei um die einzige Art Nonsens, von dem es als anstößig gilt, ihn als solchen zu bezeichnen. Dass Eltern ihren Kindern ihren Glauben vermitteln, nennt er gerne „Kindesmisshandlung“. Wenn er von der Ausbreitung der Religion spricht, redet er von „mentalen Viren“. Wenn man ihm vorhält, er propagiere Intoleranz, dann interpretiert er das als Symptom des „privilegierten Status der Religionen, die gewohnt sind, sich durchzumogeln und erwarten, dass sie sich Kritik nicht stellen müssen“. Besonders viel Spott hat Dawkins aber für jene Leute übrig, die er für atheistische Warmduscher hält – Leute, die sagen, „ich bin ein Atheist, aber die Leute brauchen den Glauben“. Dawkins: Diese Atheisten „glauben an den Glauben“ und halten die einfachen Leute für dumm.

 

Dawkins und seine Mitverschwörer, formulierte das Magazin Wired treffend, kämpfen „nicht nur gegen den Glauben an Gott, sie kämpfen auch gegen den Respekt vor dem Glauben an Gott“. Sie wollen nicht die Gläubigen zum Unglauben verführen, sondern die Agnostiker und Liberalen zum Kampf gegen die Religiösen. „Imagine no Religion“, lautet Dawkins liebster Kampfspruch – „stellt Euch vor, es gäbe kein Religion“, dann gäbe es auch keinen Kampf der Kulturen, die Wissenschaft müsste sich nicht mit bigottem Nonsens herumschlagen, Kinder würden zu vernünftigen Denken erzogen und die Türme des World Trade Center würden auch noch stehen. „Imagine no 9/11, keinen Bürgerkrieg in Nordirland, keine Massaker, keine Ehrenmorde.“ Die Gläubigen würde er nur dann in Ruhe lassen, „wenn sie uns in Ruhe lassen, wenn sie die Kinder in Ruhe lassen, wenn sie aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen und den Rest der Welt in Gefahr zu bringen“.

 

Die Rhetorik der „Neuen Atheisten“ ist kaum zu verstehen ohne die harten Bandagen, mit denen die religiöse Gegenseite bisher agierte – die hatte mit Provokationen und aggressiver Polarisierung Erfolg und diese Strategie greifen ihre Gegenspieler einfach auf. Mal eher polemisch, mal eher wissenschaftlich, versuchen sie zu beweisen, dass Gott gar nicht existieren kann. Zu einiger Berühmtheit brachte es in diesem Zusammenhang schon die Website www.whydoesgodhateamputees.com. Die entwaffnende Frage: Wenn Gott existiert und die Gebete der Menschen erhört, warum wachsen dann Amputierten nicht ihre Gliedmaßen nach? Die Antwort: Entweder die Gebete nützen nichts, weil Gott gar nicht existiert. Oder Gott existiert – und hasst die Amputierten. Mit ähnlich bissiger Logik argumentiert Sam Harris gegen religiöse Abtreibungsgegner: „20 Prozent aller Schwangerschaften enden mit Fehlgeburten. Wenn Gott existiert, dann ist er der fleißigste Abtreibungsdoktor von allen.“

 

Schon warnt etwa Nicholas Kristof, Kolumnist der New York Times, vor der aggressiven Militanz der „Atheistenbrigade“ – die schramme selbst scharf an fundamentalistischen Dogmatismus heran. John Green vom Pew Forum on Religion and Public Life, einem New Yorker Think Tank, assistiert: „Man kann von einem säkularen Fundamentalismus sprechen, der den religiösen Fundamentalismus attackiert.“

 

Nicht unwahrscheinlich, dass trotz anderer Debattenlage die „New-Atheist“-Bewegung auch auf Europa übergreift – schon alleine, weil alles, was in Amerika in Mode kommt, irgendwann auf Europa abstrahlt. „Brights“-Aktivsten gibt es schon in Großbritannien, Frankreich und Deutschland (www.the-brights.net). Außerdem gibt es auch in hiesigen Breiten Versuche christlicher Würdenträger, wieder mehr Einfluss auf das politische und kulturelle Leben zu nehmen – etwa in der Debatte, ob die Türkei zu den „christlichen Werten“ Europa passe oder im Europäischen Verfassungskonvent. So fragen mittlerweile führende Intellektuelle wie etwa der Hamburger Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma: „Muss man Religiösität respektieren?“ Reemtsma: „Nicht jeder Unfug, nur weil einer ihn für wichtig hält, kann Achtung verlangen, wenn man unter Achtung mehr versteht, als ihn einfach machen zu lassen, sofern er keinen Schaden anrichtet.“

 

Richard Dawkins jedenfalls will seinen Kampf mit Elan weiterführen. Denn obwohl der Evolutionsbiologe Gläubige aller Art für ziemliche Idioten hält, will er nicht darauf vertrauen, dass sie gemäß dem darwinschen Prinzip „Survival of the Fittest“  einfach aussterben: „Die Ignoranz stirbt nicht aus.“ Vielleicht aber, ätzt die New York Times, gelinge es dem streitbaren Naturwissenschaftler ja doch, manch Gottgläubige in ihren Gewissheiten zu erschüttern: Schließlich stelle sich die Frage, warum Gott, wenn er denn allmächtig und omnipräsent sei, „nicht einen Blitz vom Himmel schickt um Richard Dawkins zu zerschmettern?“

2 Gedanken zu „Bad Religion“

  1. In Anbetracht der Verschärfung der Gegensätze zwischen Evolutionsanhängern und fundamentalistischen Religionsfanatikern möchte ich versuchen, eine wissenschaftlich fundierte Aussage zu diesem Themenkomplex beizusteuern. http://mitglied.lycos.de/futuremann/
    Ich glaube, dass es unbedingt notwendig ist, die allgemeine Unkenntnis der Zusammenhänge von belegten Tatbeständen und reine Spekulation in der Darwinschen Evolutionstheorie zu beseitigen.
    In diesen Zusammenhang ist die Frage erlaubt, beinhaltet Evolution die ständige Weiterentwicklung der Arten, oder ist sie nur eine Vorspiegelung von falsch interpretierten Zusammenhängen. Falls letzteres zutreffen sollte, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Tod nicht als untrennbarer Bestandteil des Lebens angesehen werden muss, weil er als Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Arten nach Darwin nicht mehr benötigt wird.
    Das bedeutet nichts anderes, dass der Zelltod des Alterungsprozesses nachträglich im biologischem System implantiert worden ist.
    Ich empfehle wärmstens, die Publikation zu diesem Thema im Internet anzuklicken.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr H.W. Spice

  2. Hallo Freunde,
    der an Schärfe zugenommene Feldzug der deutschen Evolutionsbiologen, mit der Zielstellung, gegen alle modernen Erkenntnisse von Forschung und Wissenschaft zu Felde zu ziehen und das nur aus dem Grund heraus, den persönlichen Erfolge nicht in Frage zu stellen, sollten uns alle zum Widerstand aufrufen.
    Prinzipiell ist die Darwinsche Evolutionstheorie mit ihrer Grundaussage, dass natürliche Selektion und zufällige Mutationen für die Entstehung und Weiterentwicklung des Lebens verantwortlich seien, weder mit der Realität noch mit allen neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen im Einklang zu bringen, mehr noch, sie ist schlicht und einfach falsch. Sollten Sie anderer Meinung sein, verweise ich auf meine Homepage http://mitglied.lycos.de/futuremann/.
    Führende Kirchenvertreter aller Konfessionen befassen sich in öffentlichen Foren mit Teilen der Evolutionstheorie und gehen dabei soweit, dass sie sich ein Nebeneinander von Schöpfung und Evolution vorstellen können, obgleich es in der Genesis keinen Spielraum für Theorien jedweder Art gibt. Natürlich stellt sich man sich die Frage nach dem warum, vielleicht haben sie ihre Bibel nicht genügend studiert, wie dem auch sei, ein führender Vertreter einer Kirche sollte diesen Unsinn einfach nicht erwähnen. Beim Bibelstudium gibt es ja auch ganz erstaunliche Ergebnisse, denn die Kreationisten, die das Alter der Erde auf 6000 Jahre berechneten, stellen damit Basiserkenntnisse der Forschung auf den Kopf.
    Selbstverständlich ist die Bibel kein Dokument, aus dem man durch Addition von Zeitangaben Rückschlüsse auf das Alter der Erde, der Menschheit oder den Beginn des jüngsten Gerichts vorhersagen kann.
    Das will und kann die Bibel nicht leisten.
    Zum Abschluss meiner Kurzmitteilung ein abgewandeltes Zitat: „Was nützt es dem Menschen,wenn er zwar an Gott glaubt, doch seinen einzigen Sohn negiert?“
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr H.W. Spice

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