Protest bringt Leben in die Bude, oder, Alfred Gusenbauer?

Was ist Protest? Und ist nicht doch was Gutes daran? Darüber wollte ich mich mal mit SPÖ-Chef und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer unterhalten. Ein Videocast.

8 Gedanken zu „Protest bringt Leben in die Bude, oder, Alfred Gusenbauer?“

  1. Also irgendwie ist mir die erfreute Nachsichtigkeit, mit der die SPÖ-Spitze auf partei-interne Protest reagiert nicht ganz geheuer. Vielleicht könnten Sie, lieber Herr Misik, noch einmal genauer ausführen inwieweit die SPÖ nun tatsächlich „unter Druck gesetzt wurde“? Denn so wie es aussieht, läuft alles wie gehabt, dh, die Studiengebühren bleiben und was die mögliche Nicht-Anschaffung der Eurofighter betrifft, bin ich auch sehr sketpisch. Aber andererseits bin ich nicht übermäßig enttäuscht, weil ich die SPÖ ohnehin nicht gewählt habe. (Denken Sie sich an dieser Stelle einen Smiley dazu.) Hätte ich mein Kreuzchen bei SPÖ gemacht, könnte ich allerdings tatsächlich etwas ungehalten sein über ihre inhaltlichen Kehrtwendungen. Ja, eine Große Koalition ist keine Alleinregierung, aber war denn die auch nur irgendwie eine realistische Möglichkeit? Man könnte also als ärgerlich ansehen, wie hier im Wahlkampf letztendlich nicht durchsetzbare Maximalpositionen formuliert wurden. Ich erinnere mich noch gut, mit welcher Emphase sich Alfred Gusenbauer in einer seiner letzten Interviews vor der Wahl zum Thema Eurofighter geäußert hat, und das obwohl der SPÖ nicht einmal das ganze Vertragswerk vorlag. Wobei ich bei dieser Interview-Passage sofort lächeln mußte, da ja klar war, daß nach dem 1. Oktober Positions-„Korrekturen“ erfolgen würden.

  2. Oder um mit den Sternen zu sprechen:
    „Nur kein Pathos, ratlos, harmlos
    keinen Pathos, Tote werfen keinen Schatten!
    Keine Parolen, keine blöden wie die:
    Fickt das System!“

  3. Herr Misik!
    Es hilft halt alles nichts: Sie sind und bleiben, zwar eloquent und rhetorisch und analytisch sehr versiert, eben doch ein „Wellness-Rebell“, ein braver linksliberaler „Querkopf“, der sich permanent den Anstrich des Subversiven und Hippen gibt. Deshalb müssen Sie immer wieder Popzitate bringen, um ja zu beweisen, dass sie eh´ von Popkultur was verstehen, diese und jene Bands kennen und das Lebensgefühl der pop-linken Jugend inhaliert haben.
    Um ehrlich zu sein: Meine Empörung über die neue Regierung hält sich ebenfalls in Grenzen – vor allem deshalb, weil ich – 25, Student aus „einfachen“ Verhältnissen – mir von einer SPÖ-geführten Regierung, zumal mit der ÖVP als Partner, nichts in Großartiges erwartet habe und der Auffassung bin, dass die Kritik tiefer gehen muss, als einfach nur einzelne Maßnahmen oder Rücknahmen einzelner Maßnahmen zu fordern (so beginnen soziale Selektion / Ausgrenzung / Ungerechtigkeiten nicht erst beim Studium, sondern schon viel früher, etc) – während Sie, wie ich Sie kenne – offenbar bereits die Tatsache, dass die SPÖ wieder den Kanzler stellt und Orange-Brau aus der Regierung verschwunden ist, als emanzipatorischen Fortschritt feiern. Natürlich dürfen die ideologisch-programmatischen Unterschiede zwischen den Parteien nicht geleugnet werden, aber es gibt auch in vielen entscheidenden Punkten(stillschweigenden) Konsens; dazu später noch.
    Der Protest vor allem für die Abschaffung der Studiengebühren und gegen das abstruse „Sozialdienst“-Modell (dessen Verurteilung ich von ihnen bisher vermisst habe – oder habe ich etwas nicht beachtet bzw. überlesen?) ist, zumal angesichts des aktiven Engagements vieler junger Sozialdemokraten im Wahlkampf diesbezüglich, verständlich. Aber er (der Protest) ist – abgesehen davon, dass er zu kurz greift, realpolitisch wirkungslos sein wird und Gusenbauer sich ohnehin schon vom „Demonstranteng´sindl“ in trauter Eintracht mit der ÖVP distanziert hat – letztlich so bieder und konformistisch wie die SPÖ selbst, vor allem, weil ihm auch ein Moment innewohnt, über das in Österreich parteien- und lagerübergreifend Konsens herrscht – Staatsfetischismus. Doch um das genauer auszuführen, müsste nun in den Fundus der Kritischen Theorie hineingreifen werden, von dem sie, Herr Misik, als Parade-Vermenger, Vereinfacher und Verwässerer linker Theorien und Protagonist eines gefälligen Einerseits-Andererseits-Journalismus, der Differenziertheit mít Standpunktlosigkeit verwechselt, kaum etwas wissen wollen. Dafür umso mehr von den Wahlverwandtschaften zwischen Karl Marx, Michael Moore, Wir sind Helden, Tocotronic und Alfred Gusenbauer. Weiter so!

  4. digital.alterego: Da hat Martin Blumenau aber eine interessante Mischung aus pueriler Skatologie und leichtfertigem Elitismus zusammengebraut! („Zumindest 80% (in Österreich 90%) der jungen Menschen sind…nicht ernsthaft an irgendetwas interessiert.“)
    Im Englischen nennt man so etwas wohl „rant“ 🙂

  5. FrF: Über diese Aussage von MB ließe sich natürlich trefflich streiten, obwohl ich sagen muss, ich neige dazu ihm zuzustimmen.
    Was MB aber sehr gut auf den Punkt gebracht hat, ist diese onkelhafte und gönnerhafte Pose in die sich bevorzugt die „forty/fifty somethings“ schmeissen, wenn es darum geht der Jugend zu erklären wie „richtig“ zu revoltieren ist.
    Das war für mich auch durchaus aus diesem Videocast herauszuhören.

  6. Freut mich, dass hier so intensiv diskutiert wird, auch über tricky Fragen. Onkelhaft und gönnerhaft, das hat schon was, vor allem ist das schwer zu vermeiden (außer man hört auf sich zu äußern). kommt dann eher auf den ton an. anyway. sitze gerade an einem stück für den nächsten „Falter“, das dann am Mittwoch auch hier zu lesen sein wird. darin möchte ich auf eine Reihe – auch oben angeschnittener – Fragen näher eingehen.

  7. Übrigens: Zur von mir vertretenen und in meinem Posting vom 27. 1. geäußerten Auffassung, die Forderung nach der Abschaffung der Studiengebühren sei verkürzt möchte ich auf den ausgezeichneten Kommentar „Heilige Kuh“ von Hans Pechar hinweisen, der die entscheidenden Probleme der Bildungs-Debatte zur Sprache bringt; erschienen im Österreich-Teil der jüngsten „Zeit“, nachzulesen unter http://www.zeit.de/2007/05/OE-Studenten?page=all

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