„Großer Schädling“

Adam Michnik, der legendäre polnische Dissident, der seine Gegnerschaft zum KP-Regime mit jahrelangem Gefängnis büßte, soll nun offenbar vom Thron gestoßen werden. Seit Wochen ist Michnik Ziel wüster Angriffe rechtskonservativer Kreise. So attackierte der Premierminister Jaroslaw Kaczynski, der Bruder von Präsident Lech Kaczynski, Michnik als „großen Schädling“. Der Hintergrund: Michnik war für die demokratische Opposition 1989 am Runden Tisch gesessen, der die friedliche Machtgabe durch die Kommunisten verhandelte. Michnik hatte sich damals und auch in den Jahren danach für eine „nationale Versöhnung“ ausgesprochen und gegen eine Abrechnung mit den Kommunisten. Dieser Linie blieb Michnik bis zuletzt treu, was die Konservativen umso mehr erbost, als Michnik als Gründer und Chefredakteur der führenden polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ über erhebliche publizistische Macht verfügt.  profil, 19. Februar ’07

Auch Kulturminister Kazimierz Ujazdowski wetterte gegen Michnik und andere liberale Intellektuelle, die „eine besonders destruktive Rolle“ spielten. Immer öfter ist von der „Kiszczak-Michnik-Ära“ die Rede, die ein Ende haben müsse – in Anspielung an den letzten kommunistischen Innenminister Czeslaw Kiszczak. Sogar ein eigenes Wort wurde bereits geprägt: „Michnikowsczczyna“ – „Michnikherrschaft“ – nach dem gleichnamigen „Enthüllungsbuch“ des Journalisten Rafal Ziemkiewicz. Die Kampagne gegen den linksliberalen Vorzeigeintellektuellen hat einen speziellen Hautgout, weil der als „Schädling“ apostrophierte Michnik jüdischer Abstammung ist – die Attacken sind also nicht frei von antisemitischen Untertönen. Mit der Kampagne gegen Michnik soll, fürchten liberale Kommentatoren, nicht nur die Abrechnung mit der kommunistischen Nomenklatura durchgesetzt werden, sondern die moralische Autorität aller einstigen dissidenten Künstler, Intellektuellen und Journalisten untergraben werden.

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