„Organe ohne Grenzen“

Ein Beitrag für den WDR über den weltweiten Handel mit menschlichen Organen. Zu hören hier 

 

Eine kleine, fast unscheinbare Meldung der vergangenen Tage: In Kanada hat ein Rechercheteam, das vom einem ehemaligen Staatssekretär und einem Menschenrechtsanwalt geleitet wird, erschreckende Details über das einträgliche internationale Geschäft mit menschlichen Organen enthüllt. Mehrere hundert Kanadier jährlich, so das Ergebnis ihrer Recherchen, reisen nach China, um dort neue, lebenswichtige Organe zu erstehen. Meist handelt es sich um Nieren, die Gefängnisinsassen zwangsweise entnommen werden – oft Anhänger der Falun Gong Sekte.

 

Aber auch die Transplantation von Organen, deren Verlust der Spender nicht überlebt, ist üblich – Herz, Leber, beispielsweise. „Executions on demand“, „termingerechte Hinrichtungen“, kommen schon vor. Während normalerweise, so Menschenrechtsanwalt David Matas, ein Empfänger auf einen Spender wartet, wartet in diesem Fall ein Organspender auf seine Hinrichtung, bis ein Empfänger kommt.

 

Die chinesischen Behörden dementieren natürlich diese drastischen Schilderungen. Aber es besteht kein Zweifel, dass es längst einen regen Handel mit menschlichen Organen gibt. „Organe ohne Grenzen“ – hat das angesehene amerikanische Fachmagazin „Foreign Policy“ einen großen Report zu diesem Thema überschrieben. China, Indien, Südafrika, Moldawien, Indonesien, die Philippinen, Rumänien, Brasilien – das Business mit den Körperteilen blüht. Die große Mehrzahl der kommerziell verpflanzten Organe sind natürlich Nieren, aus dem simplen Grund, weil der Spender mit der verbleibenden Niere überleben kann.  750 bis 1000 Euro erhalten die Spender durchschnittlich in Indien oder auf den Philippinen, moldawische Organverkäufer steigen mit bis zu 3000 Euro vergleichsweise opulent aus. Die Empfänger freilich müssen mindestens 30.000 Euro hinlegen. Die Differenz streichen die Vermittler ein.

 

Die meisten Spender geben ihre Organe freiwillig, aber was heißt schon freiwillig, wenn, wie auf den Philippinen das durchschnittliche monatliche Familieneinkommen eines Organverkäufers gerade mal bei 25 Euro liegt? Und obzwar es eine chinesische Spezialität ist, dass der Staat mitschneidet und das Institut der Todesstrafe unternehmerisch nützt, so ist vergleichbar Makabres doch auch aus anderen Ländern bekannt. In Russland verschwinden laufend Straßenkinder, und es gibt Hinweise, dass viele als Detailware am internationalen Organmarkt enden. In Brasilien wiederum kann es einem widerfahren, dass einem bei ganz anderen Operationen nebenbei auch die Niere abhanden kommt, ohne dass man es gleich bemerkt – wenn man es überhaupt irgendwann bemerkt.  

 

Wäre all das nicht so abstoßend, man könnte es gar für eine groteske, tragisch-komische Pervertierung der allgemein herrschenden neoliberalen Doktrin halten. Wieder ein Bereich des Lebens, der vom freien Markt erledigt wird, statt von der Zuteilungslogik staatlicher Bürokratien. Er ist eben effizient, der Markt. Weil die Nachfrage das Angebot übersteigt, findet der Markt mit seiner mirakulösen unsichtbaren Hand eben Mittel und Wege, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Schließlich wird uns ja bei der Privatisierung öffentlicher Güter immer wieder eingeredet, dass die Menschen nur zu schätzen wissen, was einen ordentlichen Preis hat. Ein Koffer Geld für ein Organ, da sieht man, wie die Menschen das Leben schätzen! Kurzum: Was ist eine Predigt vom Papst über den Wert des Lebens gegen die Preisfindung, für die der globale Markt sorgt?

 

Preisfrage: Wenn wir anfangen würden, Babys am freien Markt zu kaufen und zu verkaufen, wäre das ein Symptom dafür, welch hohen Wert wir dem menschlichen Leben beimessen – oder doch eher ein Indiz, dass mit der globalen Marktgesellschaft etwas fundamental nicht in Ordnung ist?

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