Gotteskrieg

USA. Militante Atheisten und christliche Frömmler liefern sich ein bizarres Gefecht – mit Internet-Videos und knallharten TV-Debatten. profil, 26. Mai 07

 

 

 

 

Papst Benedikt XVI. löste im vergangenen Herbst einen mittelgroßen globalen Aufruhr aus, indem er postulierte, das Christentum sei der „vernünftige Glaube“. Vielleicht würde der Pontifex sich das noch einmal überlegen, würde er einen Blick ins Internet werfen. Denn vor allem in den USA liefern sich christliche Frömmler und militante Atheisten einen bizarren Glaubenskrieg. Ob man dies als Triumph der Vernunft charakterisieren mag, ist gewiss Geschmackssache.

 

Seitdem der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins mit seinem Buch „The God Delusion“ („Der Gotteswahn“) einen Fundamentalangriff auf das evangelikale Amerika gestartet hat, fühlen sich Amerikas Atheisten wieder ein wenig im Aufwind. Brian Flemming, ein Dokumentarfilmer aus Los Angeles, verlagerte den Kampf dann in die YouTube-Sphäre: Sein Aufruf, atheistische Bekenntnisse ins Internet zu stellen, löste eine Welle des blashemischen Coming-Outs aus. Mehr als tausend Amerikaner produzierten kurze Videoclips und stellten sie auf das Videoportal. Die Filmchen sind so eindeutig wie schlicht: „Hey, ich bin Christopher, und ich leugne mit Entschiedenheit Gott den Vater, seinen Sohn Jesus und ihren magisch fliegenden heiligen Geist“, proklamiert einer. Ein anderer: „Ich bin Alex und ich leugne die Existenz des Heiligen Geistes.“

 

Auf den Internetsites „The Blasphemy Challenge“ („die blasphemische Herausforderung“) und „The Rational Response Squad“ („Vernunfteinsatz-Truppe“) finden sich die Videos geballt. Die selbst gedrehten Streifen waren als Provokation gedacht, als scharfe Duftmarke im polit-frömmlerischen Amerika. Doch Gottes Truppen ließen sich das natürlich nicht gefallen. Weit davon entfernt, die andere Backe hinzuhalten, konterten sie nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Vor ein paar hundert Jahren wäre noch die heilige Inquisition mit ihren Folterwerkzeugen auf den Plan getreten. Heute begnügt sich auch die Sache Gottes mit Homevideos.

 

„Challenge Blasphemy“ heißt die Gegenattacke, „Praise the Lord“ lautet die Parole. Postuliertes Ziel: „Die Liebe zu Jesus kommunizieren“. Jetzt kehren auch junge Christen ihr Innerstes nach Außen: „Es gibt den heiligen Geist“, spricht eine Chelsea in die Kamera. „es gibt den Lord Jesus Christus und Gott gibt es auch. Jesus ist Teil meines Lebens, täglich.“ Zum Schluss wirbt sie dafür, sich der Gottes-PR anzuschließen: „Ich ermutige jeden Christen, sich öffentlich für den Herrn auszusprechen“. Ein junges Teenagergirl namens Alina bekundet: „Ich weiß, wie man in den Himmel kommt.“

 

Die marktschreierische Konkurrenz von Atheisten und Bigotten schlägt bereits derartige Wellen, dass sie den Sprung von der Welt der Internet-Absonderlichkeiten in die Mainstream-Medien schaffte. Ausgerechnet in der Calvary Baptist Church in Manhattan ließ der TV-Sender ABC zuletzt zwei Atheisten und zwei „wiedergeborene“ Christen gegeneinander antreten – die Highlights liefen in der 90-minütigen Nachrichtenshow „Nightline“.

 

Inszeniert war das Duell wie ein Boxkampf.

 

Mit auftrumpfender Selbstgewissheit brachten der Laienprediger Ray Comfort und der Schauspieler Kirk Cameron ihre Gottesbeweise vor. „Die Existenz von Gott kann bewiesen werden, zu 100 Prozent“, proklamierte Comfort. Zum Beweis hielt er Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ hoch. „Hier sehen Sie ein Bild. Es gibt kein Bild ohne Maler. Und Sie sehen täglich die Schöpfung. Aber wie es kein Bild ohne Maler geben kann, kann es keine Schöpfung ohne Schöpfer geben.“ Toller Beweis.

 

Der Konter der Atheisten Brian „Sapient“ – ein Nom de Guerre – und Kelly (die echten Nachnamen blieben geheim), war von ebenso schlichter Eleganz: „Der Unterschied ist – einen Maler kann man anrufen, Gott kann man nicht anrufen.“

 

Dann ging es hin und her. „Was ist so schlecht an Gott?“ fragte Cameron. „Was ist schlecht an der Zahnfee?“ erwiderte die Gegenseite. Botschaft: Gut und Schlecht seien keine Kategorien für zusammengestrickte Phantasien.

 

Dass sich all das weit unterhalb des Abstraktionsniveaus bewegt, das die Theologie auf der einen, sie aufklärerische Religionskritik auf der anderen Seite schon einmal erreicht haben, versteht sich von selbst. Schließlich geht es um Krach und Entertainment. Und auch um Geld: Denn mit Gott – und dem Kampf gegen ihn – kann man in den USA viel Aufmerksamkeit lukrieren. Gerade eben hat der streitbare Publizist Chrisopher Hitchens ein neues gotteslästerliches Buch herausgebracht: „Gott ist nicht groß“. In der Vorwoche lag es im Amazon-Verkaufsranking auf Platz zwei – unmittelbar nach dem demnächst erscheinenden Harry-Potter-Band.

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