Wer Zäune und Mauern baut, hat schon verloren

Die tägliche G-8-Kolumne aus der taz: Nr 1. vom Samstag, 2. Juni 2007

 

Mit den Wehranlagen ist es ja so eine Sache. Sie sollen der Gewalt wehren, ziehen sie aber magnetisch an. In Genua haben sie im Sommer 2001 die ganze Stadt mit einem hohen Eisenzaun eingefriedet und die abgeschirmte City zur „Roten Zone“ erklärt. Das Resultat: Alle Anti-G-8-Demonstranten wollten in die „Rote Zone“ rein.

 

 

Seit Menschengedenken ist es eigentlich so: Die Mächtigen bauen Mauern. Aber die Mauern sind meist kontraproduktiv – auch im engeren Sinne ihrer Erfinder. Weil sie suggerieren, die Schlacht sei gewonnen, wenn die Mauer überrannt wäre, versuchen alle die Mauern zu überrennen. Die Wehranlagen sind also eher Gewaltanziehanlagen. Man kann sagen, das ist die Rache der Mauern an den Mauerbauern.

 

Für die Ordnungsfanatiker sind Mauern verführerisch – sie sind die einfachste Lösung. Doch weit davon entfernt, Probleme zu lösen, beginnen die Mauern schnell, zu Metaphern der Probleme zu werden. Das SED-Regime wollte seine Herrschaft mit der Berliner Mauer stabilisieren. Prompt wurde der Kampf gegen die Mauer zum Synonym für den Kampf gegen das SED-Regime. „Nieder mit der Mauer“ hieß dann, „Nieder mit den Kommunisten“. 

 

Mauerbau, Mauersturm, das hat metaphorische Wucht. Im biblischen Buch Josua ziehen die Israeliten bei ihrer Eroberung des verheißenen Landes sechs Tage um Jericho und blasen in die Posaunen. „Als das Volk den Hall der Posaunen hörte, erhob sich ein großes Kriegsgeschrei. Da fiel die Mauer um.“

 

Erstaunlich, dass trotz dieser Jahrtausende alten Geschichten die Machthaber noch immer nicht begriffen haben: Die Menschen mögen Mauern nicht. In Bagdad wollten die Amerikaner jüngst eine Mauer um den Stadtteil Adhamiya bauen, der mehrheitlich von Sunniten bewohnt wird – offiziell, um sie gegen Übergriffe von den Schiiten zu schützen. Vier Jahre nach der Befreiung von Saddam Hussein müssen die Befreiten eingemauert werden, damit die Befreiten die Befreiung überleben.

 

Wehranlagen, Mauern, Zäune sind so auch immer Monumente des Scheiterns. In Heiligendamm wird es nicht anders sein. Indem sie den Zaun hochzogen, haben die G-8-Staatenlenker schon verloren. Sie müssen sich verschanzen. Sie sind die Loser. Wie alle Mauerbauer vor ihnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.