„Klimaschutzkonsum jetzt!“

Verzicht statt Konsum? Das war einmal. In rasantem Tempo amerikanisiert sich der Ökojargon. Jetzt wird auf den Markt gesetzt, auf schlaue Fabrikanten und bewusste Konsumenten. Ergebnis: Der Ökolifestyle wird schick. Falter, 27. Juni 2007

 

 

Wenn man in diesen Zeiten grünen Politikern gegenüber sitzt, machen die meist keinen ganz glücklichen Eindruck – und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei beispielsweise um deutsche oder österreichische Grün-Funktionäre handelt. Das eigenständige grüne Profil zu pflegen – fast unmöglich heutzutage. Die grünen Themen: Sind keine Aufreger. Im politischen Meinungsstreit ginge es nur um das Soziale, um die Gerechtigkeitsfrage, um Bildung und Wirtschaft. Verschärfend hinzu kommt: Umweltbewußt sind doch schon alle.

 

Es ist ein Paradoxon. Noch nie war Ökosensibilität so verallgemeinert wie heute. Mehr noch: Es gibt ein genuin grünes Milieu, das ziemlich stabil ist, das einen eigenen Lebensstil pflegt. Das sich den bewussten Konsum etwas kosten lässt, im Biosupermarkt einkauft, auf Naturkautschukmatratzen von der „Grünen Erde“ schläft, sich gelegentlich eines der gediegenen, handgemachten Teile von „Manufaktum“ gönnt und auf den Individualtourismus schwört; das viel gibt auf „Authentizität“ und „Natürlichkeit“, dabei aber auch lässig Stile kombiniert – Mittags vielleicht im Designer-Anzug ins Do&Co, Abends in der Adidasjacke ins Fluc. Kurzum: Die Bobos aller Schattierungen, die ganze Stadtteile im Griff haben.

 

Auch wenn diese Leute meist gewohnheitsmäßig bei Wahlen ihr Kreuz bei den Grünen machen, verwandelt sich das Ökobewusstsein von einer Haltung zu einem Lifestyle, der tendenziell keine Partei mehr braucht, und politische Leidenschaft schon gar nicht. Ein Erfolg für die grünen Themen, gewiss, aber einer, der die Ökodiskurse entschieden verändert.

 

Man kann auch sagen: Sie werden amerikanischer. Denn eine der erstaunlichsten Erscheinungen des vergangenen Jahres ist das Ausmaß, in dem das Umweltbewusstsein die USA erobert hat. US-Präsident George W. Bush, der sich gegen jeden Emissions-Höchstwert sperrt und alles vom Tisch fegt, was ein Standortnachteil für die heimische Industrie wäre, steht auch in dieser Frage zunehmend isoliert da. Gouverneure wie Arnold Schwarzenegger wollen ihre Bundesstaaten zur Umweltmusterregion machen. Keine Kleinigkeit: Kalifornien ist die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt. 219 Bürgermeister von US-Städten, die insgesamt 44 Millionen Amerikaner vertreten, haben sich zusammengeschlossen, das Kyoto-Protokoll zu erfüllen. Umweltschutz ist sexy geworden. Der Verkauf der Benzin fressenden SUVs („Sports Utility Vehicles“) sackte in den Keller.

 

Wenn man so will, begann das Ökologiethema seinen Siegeszug über den Erdball sehr deutsch: Mit Verzichtsjargon, Verbotsforderungen, Regulierungslust und Technikskepsis. Die Amerikanisierung verändert die Ökodiskurse merkbar: Jetzt soll es der Markt richten und die bewussten Verbraucher, die gute Produkte kaufen und schlechte verschmähen. Groß ist das Vertrauen, dass der „Can-do“-Geist der Unternehmer zum Retten der Welt beitragen wird. „Wir haben die Technologien“, gibt sich Schwarzenegger selbstbewusst – und rüstete seinen Jeep prompt auf Bioantrieb um.

 

Früher waren die Ökologiebewussten auch implizite Kapitalismuskritiker – chronisch fortschrittsskeptisch prangerten sie die Wachstumsphilosophie an. Heute sind sie eines der meisten dynamischen Konsumsegmente des Lifestylekapitalismus.

 

Dass es Klimawandel gibt, dieser von Menschen gemacht wird und höchstwahrscheinlich recht unangenehme Auswirkungen haben wird, ist seit den Berichten der UN-Klimakommission unbestritten. Geleugnet wird das nur mehr von leicht verhaltensauffälligen Verschwörungstheoretikern, die das für eine Erfindung der Ökolobby halten. Damit wird die Klimarettung zur neuen „Mission“ und die Rhetorik der Mission passt gut zur amerikanischen politischen Kultur. Kaum jemand hat so viel zur globalen Popularisierung dieses Schlüsselthemas beigetragen wie der einstige US-Vizepräsident Al Gore. Für seinen Dokumentarfilm „An Inconveniant Truth“ erhielt er sogar einen Oskar. „Meine amerikanischen Mitbürger, Menschen überall auf der Welt, wir müssen die Klimakrise meistern. Das ist eine moralische Aufgabe. Wir haben alles, was wir brauchen, um damit zu beginnen, mit einer Ausnahme: den Willen, zu handeln. Aber der ist eine erneuerbare Ressource. Lasst sie uns erneuern“, sagte er in seiner Dankesrede zur Oskar-Gala.

 

Mit der Liaison, die die Lifestylemärkte und das Ökobewusstsein eingehen, öffnet sich ein Raum für neue Distinktionsbedürfnisse. Wer wirklich cool sein will, trägt Wäsche von American Apparel, dem Textilkonzern aus den USA, wo glückliche Arbeitnehmer, die über Tarif bezahlt werden, die Teile nur aus umweltfreundlichen Fasern zusammennähen. So unverschämt sexy sehen die Stücke aus, dass die Süddeutsche schon verwundert vermerkte: „Ganz schön in Mode, die Natur“.

 

Wer auf sich hält, lässt das emissionskräftige Mobil verschrotten und kauft sich eines der Ökoautos, bevorzugt den Prius Hybrid von Toyota. Schon erzählt man sich in Hollywood den Witz: „Was ist, wenn vor einer Villa ein BMW neben dem Toyota steht? Die Putzfrau ist da.“ Autos mit röhrenden Motoren sind bald Statussymbole der Unterklassen, während sich die Celebrities nur mehr in den schicken Hybrid-Modellen zeigen, oder mit Elektroflitzern. „Hollywood fast emissionsfrei“, hieß es nach der jüngsten Oskarnacht. Leonardo DiCaprio und Cameron Diaz, fuhren mit ihrem Prius vor, Brad Pitt mit seinem Wasserstoff-Luxusauto. Das Ökobewusstsein taugt also auch gut zu den Überbietungsritualen, mit denen die feinen Unterschiede markiert werden.

 

Es ist dies eine Aporie, an der der Ökokonsum seit jeher laboriert. Der Ökokonsument präsentiert ostentativ, dass ihm das Echte wichtiger ist als die Dinge, in Wirklichkeit ist das oft nur der raffinierte Triumph der Dingwelt. „Es gibt sie noch, die guten Dinge“, lautet der Schlachtruf von „Manufactum“ – ein Jargon, der eben auch gut zu einem „völlig überkandidelten Nostalgieversandhaus“ passt, wie das Schweizer Kulturmagazin „Du“ spottete. Die Vision des Ökokonsums ist ein Konsum, der ohne die Schattenseiten des Konsums auskommt, der die Umwelt nicht belastet und außerdem Waren bereitstellt, die nicht vom Gift der Standardisierung infiziert sind.

 

Die amerikanische Ausgabe von „Vanity Vair“ sorgte jüngst mit einer „Green Issue“ für Furore, mit schicken Fotos – DiCaprio fotografiert von Annie Leibowitz. Brad Pitt engagiert sich mit der Stiftung „Global Green“ für den ökologisch korrekten Wiederaufbau von New Orleans. Julia Robert wohnt in einem Solarhaus, bringt ihre Einkaufstüten immer in den Laden zurück und wickelt ihre Babies mit chlorinfreien Windeln.

 

Womöglich ist es gerade das, was es braucht für ein Umsteuern. „Wie jeder Trend sackt auch das ökologische High-Tech aus dem Reich der Stars zu den Massen durch, wie die Verkaufserfolge der Hybrid-Toyotas zeigen“, resümiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Ohnehin gebrach es dem Ökoaktivismus in den vergangenen zwanzig Jahren daran, dass er mit Waren verbunden war, mit denen nur eine Minderheit ihren persönlichen Stil modellieren wollte.

 

Der neue Ökodiskurs wirkt genau dagegen. Er ist das Angemessene in der Konsum- und Entertainmentgesellschaft. Seine Botschaft ist: Man kann die Umwelt schonen, und dennoch Spaß haben. Man kann auch emissionsfrei gut aussehen. Man werde die Biosphäre langfristig nur schonen, wenn man diese Wohlffühlreflexe der Leute bedient, weiß man längst auch in der Berliner „tageszeitung“, dem Flagschiff der deutschen Alternativpublizistik. Man brauche eine „Klima-Elite“, „bewusste Konsumenten“, auch „Öko-Angeber“, schreibt Vize-Chefredakteur Peter Unfried. Es wäre viel gewonnen, wenn die goldenen Anbagger-Sprüche dereinst einmal lauten würden: „Hey, schau dir meinen Pflanzenöl-Schlitten an, Süße!“

 

„Der Vorteil des jüngsten Medienspektakels zum Klimaschutz ist die Chance einer neuen Debatte über Produkte“, heißt es im taz-Journal, das eigens zum Thema Öko-Konsum produziert wurde. Parole: „Klimaschutzkonsum jetzt!“

 

Am übernächsten Sonntag wird die große Feierstunde des neuen Umweltmainstreams abgehalten: 150 Bands spielen auf sieben Kontinenten zum „Live Earth“-Konzert auf. Es soll der größte Pop-Event aller Zeiten werden, mit zwei Milliarden Zusehern an den Fernsehschirmen. Eingefädelt hat es Al Gore, der Mann, der in seiner ganzen Körpersprache für den Wandel des Ökodiskurses steht. Früher galt er als hölzern und fade, heute als einer der coolsten Typen der USA.

 

Als gelte es die Amerikanisierung der Ökorhetorik zu unterstreichen, sagte der Grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer unlängst: „Frage nicht, was dein Land für den Klimaschutz tun kann, frage dich, was du für den Klimaschutz tun kannst.“

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