Bibelschulung IV: Die Lust an der Apokalypse

Warum 9/11 ein ziemlich biblisches Datum ist.

Falter, 5. September 2007

 

 

Eine der bemerkenswertesten Hinterlassenschaften des jüdisch-christlichen Schrifttums ist die Apokalyptik. Sie geht auf eine Reihe von Prophezeiungen zurück, deren Wirkmächtigste das Buch Daniel in der jüdischen Bibel und die „Offenbarung des Johannes“ im „Neuen Testament“ sind. Zwei düstere Schriften, die von einer eigentümlichen Katastrophensehnsucht getragen sind. Aber die Prophetie ist nicht im strengen Sinne Unheilprophetie, weil mit dem auf die Spitze getriebenen Unheil, dem Endkampf zwischen Gut und Böse, auch das ewige Heil beginne. „Danach wird Gericht gehalten“, das Reich Gottes bricht an, das „ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen“ (Daniel 7. 26. und 27.). Die „Offenbarung des Johannes“, die von einem ähnlichen Ton durchzogen ist, wurde zu einem der wirkmächtigsten Texten der christlichen Überlieferung. Da wird der Untergang der „Hure Babylon“ (Johannes, 17) vorausgesagt. Später wird Satan in Ketten gelegt, worauf Christus für tausend Jahre (Johannes, 20) regiert. Doch nach diesen tausend Jahren wird der Satan losgelassen aus seinem Gefängnis (Johannes 20.7), er und seine Verbündeten von den göttlichen Heerscharen  nach kurzem Kampf aber endgültig in den „Pfuhl von Feuer und Schwefel“ geworfen, und „gequält … von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Johannes 20.10). Es wird Weltgericht gehalten, das „neue Jerusalem“ errichtet. Abspielen soll sich all das bei „Hamargeddon“ oder „Amargeddon“. Auch der Koran, der ja vom Schriftschatz der Juden und Christen inspiriert ist, ist voll von apokalyptischen Anspielungen.

 

Der apokalyptische Geist erklärt, warum die drei Monotheismen von so einer eigentümlichen Katastrophensehnsucht und Todesgier durchzogen sind. Der große Weltuntergang, der das weltliche Zeitalter beendet und an dessen Ende das Gottesreich errichtet wird, erscheint, wenn man einmal auf so einen Ton gestimmt ist, gar nicht mehr bedrohlich, sondern als großes Glück. Und weil diese Endzeit von viel Gewalt gekennzeichnet ist, ist also Gewalt gar nicht so schlecht. Sie darf, einerseits, von den Gläubigen ausgeübt werden, um Satan und seine Verbündeten niederzuringen. Und sie wird, andererseits, oft auch als „Zeichen der Zeit“ wahrgenommen. Alle möglichen schrecklichen Zustände werden nämlich als Hinweis interpretiert, dass „die Zeit nah“ ist. Je schrecklicher, desto besser.  

 

Die Todessekte al-Qaida ist ohne diesen apokalyptischen Sog undenkbar. Es gibt aber gar nicht so wenige christliche Narren, „Millenaristen“ genannt (wegen der Zahlenmystik von den „tausend Jahren“), die aus ihren apokalyptischen Streben ein regelrechtes politisches Programm ableiten. So sind sie etwa überzeugt, dass der Messias erst zurückkehren wird, wenn alle Juden im „gelobten Land“ versammelt sind. Deshalb sind viele der feurigsten ultrarechten Christen in den USA, obwohl sie eigentlich Antisemiten sind, hartnäckige Unterstützer der israelischen Siedlungspolitik und Verbündete der proisraelischen Lobby in Washington. Gleichzeitig wünschen sie den Juden einen neuen Holocaust oder einen Nuklearkrieg auf den Hals – dies wäre die ersehnte Apokalypse, das „neue Amargeddon“.

 

Solche Leute zählen zum Unterstützernetzwerk von George W. Bush. Bedenkt man das, kann man fast froh sein, dass der US-Präsident nichts Schlimmeres angerichtet hat, als ein paar lokale Kriege anzuzetteln und den Irak zu verwüsten.

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