Jüngstes Gericht

Blasphemie. Gotteslästerung soll wieder leichter strafbar werden – das fordern keine muslimischen Fanatiker, sondern die bayrische CSU. Vergangene Woche präsentierte sie ihren Gesetzesentwurf. In Belgien und den Niederlanden geht man neue Wege.

 

Der Streit um die Mohammed-Karikaturen war Anfang des Vorjahres gerade erst abgeflaut, da kam aus der Parteizentrale der bayrischen CSU der Schlüsselsatz, wie fürderhin mit Blasphemie umzugehen sei: „Wir brauchen mehr Sensibilität im Umgang mit religiösen Gefühlen – auch mit unseren Eigenen“, forderte Generalsekretär Markus Söder. „Wir brauchen ein klares Blasphemie-Verbot im Strafrecht.“

 

Gottes Mühlen mahlen zwar langsam, aber jetzt könnte es bald soweit sein. Vergangene Woche brachte Bayern im deutschen Bundesrat einen Vorschlag zur Neufassung des § 166 des deutschen Strafgesetzes ein – der allgemein als „Gotteslästerungsparagraph“ bekannt ist. Bisher heißt es darin: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

 

Viel zu sanft sei das, so die bayrischen Christpolitiker. Wer bloß „Gefühle“ kränkt, kommt viel zu oft ungestraft davon, wenn der „öffentliche Friede“ gestört werden muss, so die Münchener Logik. Jetzt soll es schon reichen, wenn eine Karikatur, eine TV-Sendung oder ein Theaterstück das „Vertrauen der Betroffenen in die Achtung ihrer religiösen Überzeugung beeinträchtigen“ kann oder dass „bei Dritten die Bereitschaft zur Intoleranz gegenüber dem Bekenntnis“ gefördert werden könnte.

 

Die Formulierung ist also denkbar weit. Und wie immer bei „Gotteslästerungs-Tatbeständen“ entscheiden letztendlich die Frömmler, was erlaubt und was verboten ist. Schließlich ist ja entscheidend, dass sie sich beleidigt fühlen. Wenn es schon reicht, dass sie ihr „Vertrauen beeinträchtigt“ sehen, dann wäre solcher subjektiven Rechtssetzung Tür und Tor geöffnet.

 

Seitdem muslimische Fundamentalisten Fatwas gegen Bücher verhängen oder wüste Demonstrationen anzetteln, wenn in Karikaturen der Prophet Mohammed verspottet wird, gibt es in manchen christlichen Zirkeln statt Schrecken vor dem Eiferertum auch ein Stück Neid. Dass Menschen für ihren Glauben einstehen, „das imponiert ihnen“, sagt der Tübinger Theologe Hans Küng.

 

Der unmittelbare Anlass der bayrischen Gesetzesinitiative war der Comic-Strip „Pope-Town“, der vergangenes Jahr auf MTV hätte laufen sollen. Darin hatte ein durchgeknallter Papst unterstützt von finsteren Kardinälen Verbrechen am laufenden Band begangen. MTV hatte die Serie mit dem Bild eines grinsenden Jesus beworben, im Hintergrund ein leeres Kreuz, darüber in dicken Lettern: „Lachen statt rumhängen“. MTV hat die Werbung nach wenigen Tagen von sich aus abgesetzt.

 

Totes Recht war der Paragraph 166 übrigens bis heute nicht. Verurteilungen waren zwar selten, aber sie kamen vor: So wurde ein Theaterstück mit Aufführungsverbot belegt, der Vertrieb von blasphemischen T-Shirts untersagt.

 

In Österreich ist der Paragraph 188 das Pendant. Wer herabwürdigt oder verspottet, kann bis zu sechs Monaten ins Gefängnis wandern. Verfahren gab es etwa gegen den Achternbusch-Film „Das Gespenst“ und gegen Manfred Deix, der in erster Instanz verurteilt wurde.

 

Kollege Gerhard Haderer wurde wegen seines Jesus-Buches in Griechenland zu sieben Monaten Haft verurteilt, später frei gesprochen.

 

Immer wieder gab es Versuche, die angestaubten Paragraphen abzuschaffen – was Christenpolitiker zu verhindern wussten. Seit dem Auftreten des militanten Islam in Europa rücken die „Gotteslästerungs“-Tatbestände mehr ins Zentrum des Interesses. So hat das niederländische Justizministerium sogar bei dem Theologieprofessor Jean-Pierre Wils eine Studie in Auftrag gegeben, inwiefern „Gott“ beleidigbar ist. Das gelehrte Traktat wurde derart gut, dass es der Frankfurter „Suhrkamp“-Verlag gerade als Buch heraus brachte. In Belgien hat man jüngst ein allgemeines „Antidiskriminierungsgesetz“ verabschiedet, das alle Arten von Verächtlichmachung verbietet. Der Gesetzgeber sah sich außerstande, zwischen Religion und Nicht-Religion zu unterscheiden. Es sollte ein Gesetz verhindert werden, nach dem man Katholiken nicht verspotten dürfe, Sektenmitglieder aber schon.

 

Übrigens: Die Kirchen selbst sind in der Causa bemerkenswert still. Deutschlands katholische Bischöfe haben zur bayrischen Verschärfungsinitiative offiziell „keine Meinung“, von evangelischer Seite hagelt es gar heftige Kritik: man vertraue auf die „Selbstbindungskräfte“ der Gesellschaft und brauche keine Gesetze, ist zu hören.

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