Surfen auf der grünen Welle

Der Trend geht zum Guten in der Wirtschaft. Ein WDR-Tageszeichen, 29.11.2007

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Zunächst, schrieb der legendäre Ökonom John Maynard Keynes schon vor achtzig Jahren, muss das Management eines Unternehmens dafür sorgen, „dass die Shareholder mit angemessenen Dividenden befriedigt werden. Wenn das aber einmal sicher gestellt ist, dann besteht das Interesse des Managements oft darin, Kritik der Öffentlichkeit und von den Konsumenten zu vermeiden.“ Und dann versuchen Unternehmen, Dinge zu tun, die als gesellschaftlich sehr wünschenswert wahrgenommen werden.

 

Keynes ist in den letzten Jahrzehnten etwas aus der Mode gekommen. Aber seine hellsichtige Prophezeiung ist gerade sehr en vogue. Der bewusste Konsument ist in aller Munde – und er ist ein sehr umkämpfter Kunde. „Der Trend geht zum Guten“, schrieb die deutsche „Wirtschaftswoche“ unlängst.

 

Aber was kann der bewusste Konsument? „Ethischer Konsum erreicht da seine Grenzen, wo schlicht die Alternativen fehlen“, sagt Fred Grimm, dessen Buch „Shopping hilft die Welt verbessern“ so etwa wie eine Bibel der neuen Bewegung ist. „Aber ich kann hunderte Beispiele anführen, wo Fairtrade-Mechanismen zu einer deutlichen Verbesserung regionaler Lebensumstände geführt haben. Und wenn schon die Bild am Sonntag Öko-Waschmaschinen verlost, dann ahnt man, welch Bewusstseinswandel seit einigen Monaten vor sich geht.“ Das Milieu der bewusst Konsumierenden hat in den USA – zählt man Segmente wie Hausbau und Verkehr dazu – ein Umsatzvolumen von 230 Milliarden Dollar, haben Berechnungen ergeben.

 

„Ich bin die Letzte, die glaubt, dass allein durch das Einkaufsverhalten die Welt verbessert wird“, sagt Claudia Langer. Die 43jährige Münchnerin hat gerade Utopia.de gegründet, ein Internetportal, eine Stiftung, ein Netzwerk, eine Pressure-Group in einem. Auf ihrer aufwändig gestalteten Website werden ökologisch korrekte Autos getestet, es wird zu ethischen Geldanlagemöglichkeiten verlinkt, der „ökokorrekte Weihnachtguide“ hilft beim Schenken mit gutem Gewissen. Prominente rühren die Trommel für die Initiative, der TV-Star Sandra Maischberger  etwa oder Tatort-Kommissar Axel Milberg. Eine Nichtregierungsorganisation mit unternehmerischen Mitteln soll das sein.

 

Es ist nicht nur die Kunden-Entscheidung an der Kasse, die Druck auf die Unternehmen ausübt – sondern auch die Angst vor Skandalen, die das Image beschädigen können. All das ist eine große Herausforderung für die gängigen ökonomischen Stereotype, allen voran die vom „Homo Oeconomicus“, der angeblich streng rational und nach wirtschaftlichen Eigennutz am Markt entscheidet. Nico Stehr hat diesen Fragen jüngst ein Buch sehr gelehrtes Buch gewidmet: »Die Moralisierung der Märkte«. Nicht nur der Erwerb von billigen Gütern ist „nützlich“, lautet seine These. Wenn der Konsument beim Einkauf ein gutes Gewissen mitgeliefert bekommt, dann ist das auch ein „Nutzen“.

 

„Corporate Social Responsibility“ (CSR) – „Soziale Unternehmesverantwortung“ – ist deshalb zu einem großen Thema geworden. Kaum ein großes Unternehmen, das nicht eine eigene Abteilung mit diesem Aufgabengebiet hat. Keine Firma steht so für die Erfolgchancen dieses Wandels, wie der Brausehersteller „Bionade“. Vor fünf Jahren wurden gerade einmal zwei Millionen der trendigen Flaschen hergestellt, mittlerweile gehen 250 Millionen über den Ladentisch. Werbespruch: „Das offizielle Getränk einer besseren Welt.“

 

Alles ein Luxus-Phänomen? Nicht nur. Auch an jenen, die jeden Cent umdrehen müssen, geht der Trend nicht vollends vorbei. Die rechnen sich aus, dass die Energiesparlampe auf lange Sicht eine niedrigere Stromrechnung garantiert und das Ökoauto merkbare Spritersparnis. Bei einem Rohölpreis knapp unter 100 Dollar pro Barrel ist das kein schlechtes Argument für’s Gutsein. 

 

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