Italienische Verhältnisse in Wien

Drei der fünf vergangenen Legislaturperioden endeten in Österreich vorzeitig. Jetzt schon wieder. taz, 8. Juli 2008

 

Voraussichtlich im September werden die Österreicher wieder zu den Wahlen gerufen. Damit sind von den vergangenen fünf Nationalratswahlen nur zwei zum regulären Termin abgehalten worden, drei wurden vorzeitig ausgerufen. Übrigens war es in jedem der drei Fälle die ÖVP, die mit einem Neuwahlantrag eine Legislaturperiode beendete.
Italienische Verhältnisse, wie man früher sagte: Österreich ist unregierbar geworden. Gewiss, der scheidende Kanzler Alfred Gusenbauer hat durch seinen eigentümlichen Führungsstil sein Ende heraufbeschworen; das interne Chaos, das im vergangenen Monat in der Sozialdemokratie ausbrach und das in einem peinlichen Kniefall vor dem mächtigen, europafeindlichen Boulevardblatt „Kronen Zeitung“ gemündet war, provozierte letztendlich den Ausstieg der Volkspartei aus der Großen Koalition. Nur hat die Volkspartei zuvor alles getan, damit es so kommt.
Sie hat, obwohl beinah gleich starker Partner in der Regierungskoalition, seit Amtsantritt keine Gelegenheit ausgelassen, Gusenbauer zu beschädigen. Der Kanzler sollte ja keine Erfolge haben. Eine Obstruktionspolitik, die ein voller Erfolg wurde. Gusenbauer hatte von dem Moment der Unterzeichnung des Regierungsabkommens den „Kanzlermalus“.
Sozialdemokraten und Volkspartei, die beiden großen Parteien sind heftig verfeindet. Aber sie waren zu der ungeliebten Partnerschaft praktisch gezwungen, weil es in einem Fünf-Parteien-Parlament, in dem auch noch zwei rabiate Populistenparteien sitzen, kaum eine andere stabile und realistische Regierungskonstellation gibt.
Kaum vorstellbar ist, dass durch die Herbstwahlen irgendetwas besser wird. Aller Voraussicht nach wird die rechtsradikale Freiheitliche Partei unter dem Mini-Haider Heinz-Christian Strache am meisten vom Regierungsdebakel profitieren. Werner Faymann, der designierte neue SPÖ-Chef und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, wird wohl mit (Links-)Populismus kontern, halb den Lafontaine machen, halb allen möglichen niedrigen Instinkten schmeicheln. Und am Ende werden wieder zwei – wenn nicht sogar drei – Parteien eine Regierung bilden, die tagtäglich nur an einem arbeiten: Am Misserfolg des ungeliebten Koalitionspartners.
 

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