No, they can’t

Wie schön! In Österreich kann jeder Minister werden. Sogar Leute, die niemals in der Lage wären, auch nur die Obmannwahl in einem Elternverein zu gewinnen.  Standard, 25. November 2008

 

 

Werner Faymann und Josef Pröll haben wirklich Pech. Ihre Regierungsbildung fiel zeitlich mit der Wahl eines neuen US-Präsidenten zusammen, dessen Sieg maximalen „Change“ symbolisierte, und der offenkundig tatsächlich zeigen will, dass Regierungspolitik etwas bewegen kann – ein Jobprogramm, massive Zukunfts- und Infrastrukturinvestitionen hat er am Wochenende angekündigt, dazu kommen Politstars wie Hillary Clinton und Tom Daschle im Kabinett. Daneben nehmen sich die austriakischen, großkoalitionären Üblichkeiten selbstverständlich noch einmal extra mickrig aus.

 

Natürlich, das Regierungsprogramm, das SPÖ und ÖVP ausverhandelt haben, ist nicht durchgängig von Kleingeisterei geprägt: Ein zusätzliches Konjunkturprogramm von rund 1 Milliarde Euro in den kommenden zwei Jahren, dazu eine Steuerreform, die wenigstens vom Volumen her ambitioniert ist (auch wenn sie weder an der bisherigen Verteilungs-Ungerechtigkeit noch am Steuerwirrwarr etwas ändert) – all das ist nicht nichts. Sogar ein verpflichtendes Kindergartenjahr wird eingeführt und gratis sein. Halbtags (!). Na prima. Bestimmt wird jetzt kein Kind mehr mit Sprachproblemen eingeschult.

 

Was fällt einem dazu noch ein? Es weht der Geist des technokratischen Minimalismus, den die handelnden Akteure wahrscheinlich großspurig „Kunst des Machbaren“ nennen und den sie, vor dem Hintergrund ihrer Apparatschikphantasie wohl noch als weitsichtig preisen würden. Nun hätte man bis vor kurzem freilich eingewandt, der visionslose Pragmatismus wäre wenigstens wirklichkeitstauglich. Man hätte den technokratischen Realismus zwar als irgendwie ideenarm, dafür aber als machtklug beschrieben. Doch mittlerweile weiß man: die Phantasielosigkeit ist selbst die Ursache des Machtverlusts der Politik. Die Leute haben das satt. Sie wenden sich ab. Und sie wenden sich entweder denen zu, die das maximale Kontrastprogramm gegen diese Art der Politiker-Politik darstellen (so Vorstadt-Travoltas wie HC Strache), oder sie verfallen in zornigen Privatismus. All das verstärkt nur die Selbstblockade und den Legitimitätsverlust des Systems Politik.

 

Die einzige Gegenstrategie ist, „Utopie“ – in einem schwachen Sinn – zu erneuern, wie das Barack Obama tat. „Die Erneuerung der Inhalte der Politik ist der Königsweg zur Erneuerung der Macht der Politik“, formulierte jüngst der Münchener Soziologe Ulrich Beck. „Es gibt also nicht nur einen idealistischen, sondern auch einen machtstrategischen Idealismus.“ Idealismus, so verstanden, meint nicht utopische Träumerei, sondern verlangt Politiker vom Schlage eines „realistischen Idealismus“. Das ist auch eine Stilfrage, eine Frage des Jargons. Wer nicht klarmachen kann, wie er sich die Gesellschaft vorstellt, in der er idealerweise in zwanzig, dreißig Jahren leben will, der wird die Bürger auch nicht für Rentenklauseln oder sieben nützliche Gesetzesnovellen begeistern können.

 

Österreichs politisches System ist denkbar ungeeignet, solche Politiker zu „züchten“. Die Personalauswahl treffen undurchlässige Apparate, die von den Mittelmäßigen, die in ihnen den Ton angeben, längst zu Firewalls gegen Konkurrenz umgebaut worden sind. In diesen hat sich eine Kultur, haben sich Anreizsysteme entwickelt, die die Anpassung an den inneren Stil belohnen. Die Binnenkommunikation schottet von der realen Kommunikation der „wirklichen Welt“ ab, die man durch Demoskopie einfangen und Marketing beeinflussen will. Parteiaktivismus hat sich in Geschäftigkeit von Vereinsmeiern verwandelt, ins betriebsame Hetzen von einer internen Sitzung zur anderen internen Sitzung. Wer die Welt verbessern will, bringt einen Antragsänderungsantrag beim Parteitag ein. Schlimmer noch: der hegemoniale Stil, dem sich auch derjenige anpassen muss, der in diesen Apparaten hochkommen will, ist der des höheren Angestellten oder Managers, mit der Body-Language, die dazu gehört. Dies verstärkt noch das Gefühl der normalen Leute, dass „die da“ mit ihnen nichts zu tun haben. Ist schon in anderen politischen Systemen der Aufstieg „etablierter Außenseiter“, also anderer Typen vom Rande des Establishments, sehr unwahrscheinlich, ist er in diesem System nahezu unmöglich: Hier ist man entweder Etablierter oder Außenseiter. Dies führt dann, in der realen hiesigen Ausprägung, zum politischen Spiel, in dem blasse, fade Etablierte auf der einen, rechte Radaupolitiker auf der anderen Seite stehen. Ein Spiel, an dem nichts lustig ist.

 

Dies resultiert dann in Personalständen wie jenen, die bei Drucklegung dieses Kommentars kolportiert wurden. Da werden Leute Regierungsmitglieder, die null politisches Charisma haben, dafür aber wenigstens keinerlei Sachverstand in den von ihnen okkupierten Ressorts (bei aller Freundschaft, was qualifiziert Andreas Schieder zum Finanzstaatssekretär?). Da besetzen Leute zum Davonlaufen Schlüsselministerien (wie etwa Maria Fekter das für Inneres), von denen jedermann weiß, dass sie niemals in der Lage wären, auch nur die Obmannwahl in einem x-beliebigen Elternverein zu gewinnen.

 

Was die SPÖ angeht, so hat sie Werner Faymann im Vergleich zu den Gusenbauer-Jahren noch inhaltlich und personell verengt – das soll ihm mal jemand nachmachen. Die Frage ist also nicht: Was ist von dieser Großen Koalition zu erwarten? Natürlich nichts. Der politische Jammer ist prolongiert, und solange dieses Setting so bleibt, wird Straches FPÖ weiter zulegen. Also muss man das Setting verändern. Die bizarre Pointe unserer Lage ist, dass man sofort und problemlos hundert politische Maßnahmen nennen könnte, die unser Gemeinwesen zu einem blühenden, prosperierenden, gerechten Land machen würden, sich aber einen Neustart der politischen Spielanordnung kaum vorstellen kann. Seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise ist, in internationalen Zeitungen, wieder häufiger zu lesen: Die Krise ist eine Chance. Weil man in normalen Zeiten höchstens Mini-Adapturen macht, sind Krisen auch Momente historischer Öffnung: Plötzlich können neue Wege beschritten werden. In Österreich ist man gegen solches Denken freilich weitgehend immun. Hier ist immer Krise. Dafür aber nie der Hauch einer Chance, die Selbstlähmung der Politik zu überwinden.

 

Jetzt stehen wir da mit diesen „No, they can’t“-Typen. Wenn nicht eine der beiden (noch) großen Parteien auf wundersame Weise der Heilige Geist überkommt, was nicht extrem realistisch ist, dann ist es eigentlich so: Im Grunde müsste eine neue Partei her, die inhaltlich und personell so zugeschnitten ist, dass sie, sagen wir, für mindestens vierzig Prozent der Wählerstimmen gut ist. So eine Partei von der Art der Obama-Bewegung. So eine, die zehntausende Leute begeistert, und die dann von Haus zu Haus gehen, die sich im Internet vernetzen. Eine Partei, die derart faszinierend ist, dass die besten Köpfe dieses Landes für sie eine Auszeit nehmen, weil sie für diese Chance etwas tun wollen. Eine, die den Ungeist der schwarzmalerischen Hellseherei („Es kommt nie was Besseres“) überwindet.

 

Ich gebe zu, die Variante mit dem Heiligen Geist ist realistischer.  

3 Gedanken zu „No, they can’t“

  1. mit Verlaub, Schieder hat einen Abschluss in VWL. Ok, das sagt nicht viel. Es ´kommt auf den praktischen Verstand an. Und den glaube ich bei einigen in der Regierung trotzdem zu sehen.
    und nun was hätten sie sonst so machen sollen?
    eine Geldrausschmeißkoalition sprich SPÖ-Alleinregierung am Gängelband der FPÖ und BZÖ. Na bitte nicht. Das wäre eine reine Dichandtruppe gewesen. Eine schwarzblauorange Regierung, wo wohl oder übel mehr als die Hälfte der Posten von so kompetenten Menschen wie einem Justizminister Stadler oder Familien und Frauenministerin Rosenkrantz, Dann würde aus dem Verteidigungsministerium mit Sportagenden unter Strache ein Wehrsportministerium werden. Die Wirtschaft würde darunter leiden.

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