Die Wirtschaft retten – und die Welt gleich mit

Die Zehn Gebote für den Weihnachtseinkauf. Falter, 17. Dezember 2008

Erstes Gebot: Kaufen Sie ein! Egal was!

 

Die Großrezession rollt auf uns zu wie eine Tsunami-Welle. Wenn Sie jetzt auch noch aus Angst ihre Ausgaben kürzen, dann wird womöglich eine lange Depression daraus – denn wenn das alle machen, bricht die Nachfrage noch mehr ein. Uns im Westen geht es ohnehin gut, wenden Sie jetzt ein? Aber wenn es uns schlechter geht, wird die Welt deswegen auch nicht besser. Womöglich kürzen Sie auch noch einem Chinesen den Arbeitsplatz weg, wenn Sie jetzt nicht einkaufen gehen.

 

Zweites Gebot: Kaufen Sie kein Handy!

 

Aber kaum hat sich in ihrem Kopf ein positives Konsumklima eingeschlichen, fangen die Probleme schon an. Schließlich gibt es ja ein paar Dinge auf der Welt, deren Konsum eindeutig die Welt schlechter macht. Kein Handy kommt ohne das Erz Coltan aus, das überhaupt in der High-Tech-Industrie sehr begehrt ist. Es wird im Kongo gewonnen und macht dort Warlords reich. Wenn Sie nicht auf ihr jährlich neues Mobile-Gadget bestehen würden, gäbe es im Kongo womöglich keinen Bürgerkrieg.

 

Drittes Gebot: Lassen Sie sich das schöne neue Jäckchen nicht vermiesen!

 

Denn die Sache mit dem bewussten Konsum ist so eine Sache: Klar, sie wollen keinen Import-Fetzen kaufen, das eine Schneiderin irgendwo in Asien in einem Sweatshop zusammennäht – die pro Tag nur zwei Euro verdient. Andererseits: Wenn diese Schneiderin diesen Job nicht hätte, ginge es ihr es wahrscheinlich noch schlechter.

 

Viertes Gebot: Kaufen Sie im Zweifelsfall bei den bekannten, globalen Power-Brands!

 

Sie können sich dann zwar auch nicht sicher sein, dass die Produkte von glücklichen Arbeitnehmern hergestellt worden sind. Aber es ist dann doch wahrscheinlicher, dass allzu schlimme Schweinereien bei der Produktion der Güter vermieden worden sind. Nicht, weil bei Markenproduzenten so viele nette Leute arbeiten – sondern einfach deshalb, weil den großen Brands wachsame NGOs auf die Finger schauen. Die Manager dort werden heute eher seltener riskieren, dass Kleinkinder die Teile zusammennähen. Meist werden sie sogar darauf achten, dass ihre Zulieferer den lokalen Mindestlohn bezahlen – einfach, damit sie vermeiden, Ziel von „Name and Shame“-Kampagnen zu werden, wie das Nike noch in den neunziger Jahren passiert ist. Freilich: Auch H&M-Zulieferer in Bangladesh zahlen oft nicht mehr als 40 oder 50 Euro im Monat.

 

Fünftes Gebot: Bleiben Sie zu Hause! Heizen Sie nicht!

 

Wenn Sie eine Fernreise buchen, tragen Sie zur Konjunktur in der Reisebranche bei – das ist natürlich wunderbar! Aber Sie tragen auch zur Umweltverpestung bei – und das ist ganz schrecklich! Also, wenn Sie zum Klimaschutz etwas beitragen wollen: Hiergeblieben und zwei Schichten dicke Pullover angezogen! Zudem senken Sie die Nachfrage nach Rohöl und das ist grundsätzlich gut für die Konjunktur: die Maschinen in den Firmen brauchen Energie. Das steigert die Produktionskosten der Unternehmen. Auch der Transport der Güter zum Kunden ist teurer, je höher die Energiekosten. Fallende Rohstoffpreise sind – normalerweise – gut für die Konjunktur.

 

Sechstes Gebot: Spekulieren Sie nicht auf sinkende Preise!

 

Allerdings: Ein allgemein sinkendes Preisniveau ist tödlich für die Konjunktur. Aus einem Grund: Wenn Sie sich überlegen, diesmal den Weihnachtseinkauf ausfallen zu lassen und sich besser in sechs Monaten einen neuen Computer zu kaufen, weil der dann sicher 200 Euro billiger ist, dann machen das andere Leute auch. Wegen angenommener fallender Preise verschieben sie ihre Konsumausgaben – und die Konjunktur fällt in den Keller. „Deflationsgefahr“, nennen das die Experten. Also: Jetzt einkaufen, nicht später, verstanden?

 

Siebtes Gebot: Ein neuer Kühlschrank muss her!

 

Ein paar Produkte gibt es, bei denen können Sie einfach nichts falsch machen: Sie stützen die Konjunktur und sind auch sonst gesellschaftlich sehr nützlich. Etwa der neue Kühlschrank mit Energieeffizienz. Spart Strom, senkt so den CO2-Ausstoß, und sichert Arbeitsplätze. Würde sich doch gut machen unter dem Weihnachtsbaum, oder? Am besten wäre natürlich, sie bauen sich gleich ein neues Haus mit Energiespardämmung.

 

Achtes Gebot: Kaufen Sie nicht patriotisch!

 

Viele glauben jetzt, sie müssen „österreichische“ Produkte kaufen um „österreichische“ Arbeitsplätze zu erhalten. Aber das ist sehr provinziell gedacht. Letztlich gibt es nur ein Argument für Lokalpatriotismus an der Ladenkasse – das ökologische. Ansonsten schadet Protektionismus und ist auch nicht gerecht: Schließlich sollen auch die Bürger unterentwickelterer Länder etwas abbekommen. Außerdem: Wir haben jetzt Jahrzehnte lang davon profitiert, dass die Amerikaner am Weltmarkt mehr konsumierten, als sie sich eigentlich leisten konnten. Jetzt müssen Sie ran!

 

Neuntes Gebot: Wintertourismus muss nicht die Berge ruinieren!

 

Sie wollen Schifahren gehen? Auch hier gibt es schon Vorbildregionen, was „sanfte Mobilität“ und „Energieneutralität“ betrifft – Werfenwang in Salzburg etwa.

 

Zehntes Gebot: Ruinieren Sie sich nicht!

 

Wenn Sie Ihr Geld mit beiden Händen rauswerfen, um die Konjunktur zu stützen und überzeugt zum teureren Produkt greifen, weil sie sozial und ökologisch bewusst einkaufen wollen – großartig! Aber übertreiben Sie nicht: Wir brauchen ihren Beitrag zum Bruttosozialprodukt auch noch nächstes Jahr!

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