Parallelgesellschaften

Eine Antwort auf die Frage: Wird es künftig noch eine kollektive Öffentlichkeit geben? Für: The Gap. –


Die Frage umkreisend, ob es in Zukunft noch eine – kollektive – Öffentlichkeit geben wird, wäre ich zunächst versucht zu antworten: Ja, oder es wird keine Öffentlichkeit geben. Denn „Öffentlichkeit“ setzt ja eine gewisse Kollektivität voraus. „Öffentlichkeit“, die jeder für sich selbst strukturiert, ist keine. Zweite Antwort: Ja, es wird sie geben. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass sich künftig auch nur ein nennenswerter Teil der Menschen ihr Nachrichtenmenü selbst generiert – per RSS-Feed aus Blogs oder so. Und selbst wenn, würde sich eine neue Aufteilung in massenhaft Gelesenes und Ungelesenes ergeben und damit wieder kollektive Öffentlichkeit. Die Untergangsphantasien gibt es etwa seit Erfindung des Radios: dass das Radio die Zeitung umbringt – oder später das Fernsehen das Radio und die Zeitung. Jedes dieser Medien hat aber seine spezifischen Vorteile und wurde – und wird auch künftig – nicht durch ein Neues ersetzt, sondern ergänzt. Man bedenke: Man liest immer noch Zeitungen (wie diese etwa), obwohl man sich natürlich alles aus dem Netz holen könnte. Und sei es nur, weil man die beruhigende Gewissheit hat, dass die Zeitung nach vierzig, sechzig oder hundertzwanzig Seiten zu Ende ist – sie einem also nicht auffrisst, wie der Rechner, vor dem man ganze Nächte verplempern kann. Eine andere Frage ist freilich die wachsende Aufspaltung in Special Interest- oder Lifestyle-Milieus, oder anders gesagt: in soziale Klassen, für die mehr und mehr zielgruppen-spezifische Medien entstehen. Statt ZiB für alle gibt es Arte für die Oberschicht und den Müll-TV für die neue Unterschicht. Die eigentliche Gefahr scheint mir darin zu liegen: In der Aufspaltung in mehrere Öffentlichkeiten, sozusagen Parallelgesellschaften, deren Angehörige völlig separierte Diskurs-Orbits bevölkern und die sich nichts mehr zu sagen haben.

Ein Gedanke zu „Parallelgesellschaften“

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