Heilige Bytes

Kreuznet, Gloria.tv & Co. Ultrakonservative Kreuzkatholiken laufen der Amtskirche mit ihren Internetaktivitäten die Diskurshoheit ab. Falter, 18. Februar 2008

 

Paul Wuthe, Leiter des Medienreferats der Österreichischen Bischofskonferenz, sah sich vergangene Woche zu einem ungewöhnlichen Schritt gezwungen. Via APA distanzierte er sich von der katholisch-fundamentalistischen Website „kreuz.net“: „Nicht überall, wo katholisch drauf steht, ist auch katholisch drin“. Und, so fügte er hinzu, diese Distanzierung sei nur „exemplarisch“ – sie gelte auch für andere kreuzkonservative Netzaktivitäten. Man kann sich vorstellen, welche Internet-Medien Wuthe noch im Kopf hatte: etwa das Videoportal „gloria.tv“, das mit dem eingängigen Slogan wirbt: „The more catholic the better.“

 

Die offiziellen katholischen Autoritäten haben allen Grund dazu, Distanz zu markieren. Denn die schrillen, lauten, modernen Netz-Katholiken haben wachsenden Einfluss auf die innerkirchlichen Diskurse – einfach weil sie stets präsent sind und eine zeitgenössische Kommunikationsstrategie wählen. Wenn man sich durchklickt durch Seiten wie kreuz.net oder gloria.tv, dann eröffnet sich das Universum einer obskuren Parallelgesellschaft. Täglich werden da liberale Bischöfe verhöhnt, die Portale feiern Christenayatollahs wie den Salzburger Weihbischof Andreas Laun, BZÖ-Parlamentarier Ewald Stadler und die Vorsteher der antisemitischen Piusbrüder. Man kann den designierten Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner in endlosen Interviews sehen und den aus Oberösterreich stammenden Pfarrer Markus Doppelbauer beim Exorzismus-Predigen vor Wiener Abtreibungskliniken. Mit Verve kämpft kreuz.net gegen die „Homo-Perversen“ und „Sodomiten“, womit Homosexuelle gemeint sind und gegen die „muselmanischen“ Horden, die das christliche Europa überrennen.

 

Kreuz.net ist noch einen Klick radikaler als gloria.tv und wird regelmäßig zum Fall für den Staatsanwalt. Wer kreuz.net tatsächlich betreibt, ist unklar. Häufig kommen Engelwerk-Aktivisten wie Pornojänger Martin Humer oder der Priester Reinhard Kittel zu Wort – man darf annehmen, dass sie den Betreibern „nahe“ stehen. Aber die Site wird konspirativ betrieben. Sie liegt auf einem Server in den USA, wo sie angeblich einem Sodalicium for Religion and Information in El Segundo, Kalifornien gehört. Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft wegen der gehässig schwulenfeindlichen Texte mussten eingestellt werden, weil weder Urheber noch Seitenverantwortliche ermittelt werden konnten.

 

Gloria.tv hat seinen offiziellen Sitz in Moldawien, produziert aber sein Programm – darunter eine tägliche Nachrichtensendung „gloria-global“ – in zwei kleinen Studios in Wien und der Westschweiz. Ein „Förderverein“ sitzt im 2. Bezirk in der Großen Sperlgasse 33/1. Der Kern besteht aus zwei Pfarrern und fünf Mitarbeiterinnen. Zentralfigur ist der Pfarrer Reto Ney aus dem Westschweizer Graubünden, der aber viele Jahre in einer Kartause im Mostviertel Theologie unterrichtet hat. Zweiter Mann ist Pfarrer Markus Doppelbauer. Der Stil schwankt zwischen ultrakonservativ und krampfhaft modern. Mag sich der offizielle Katholizismus auch distanzieren – die Betreiber sind unbestreitbar eng verbunden mit dem ultrarechten Teil der Amtskirche. Bischöfe wie Laun und jetzt auch Wagner nutzen die Sites praktisch als Sprachrohr. Übrigens: Zumindest eine der Gloria-Mitarbeiterinnen arbeitet als Religionslehrerin an einem österreichischen Gymnasium. Man sieht: Nicht jeder Wirrkopf am Lehrerpult ist Moslem. 

4 Gedanken zu „Heilige Bytes“

  1. Mit dem österreichischen Medienrecht kann einiges nicht ganz o.k. sein, wenn es möglich ist, Leute einfach miesest zu beschimpfen, zu verleumden, öffentlich zu verurteilen, …. bloss, weil der Server irgendwo steht – und die Behörden angeblich machtlos sind – selbst wenn, wie im Fall Gloria.TV, die AutorInnen bzw. Verantwortlichen ja eigentlich bekannt sind.
    Was also die Linzer Kath.net/Jugend f.d. Leben/Amici di Dio/Medjugorje/Kathtube.com/Kathpedia-Blase anlangt: Die Damen und Herren sind nicht nur Leuten wie Laun bekannt, sondern auch Küng, Schönborn, Spindelböck, Knittel, Stadler und Co.
    Dass sie daher mit ihren miesen Täuschungsmanövern – getrennt marschieren – vereint zuschlagen! oft die erstaunlichsten Lemuren eines Ultrafundispektrums propagandistisch verbreitern, muss schon irgendwie auch im Konzept des Chef – und der ist Schönborn – sein. Von Wagner gar nicht zu reden!
    Und noch eines haben Sie übersehen, nämlich die Zusammenarbeit dieser Leute mit der katholischen, amerikanischen Sekte Human Life International/HLI/Ja zum Leben, die sich mit Gloria.TV ein Internet-Sprachrohr geschaffen hat. Weil es noch nicht reicht, tagtäglich jede Frau vor einer Abtreibungsklinik oder einer Arztpraxis zu belästigen und einzuschüchtern. Auch das müsste die Erzdiözese Wien schon längst überrissen haben.
    Gerade wird eine Aktion gegen die Landeshauptfrau von Salzburg berichtet, die an Geschmacklosigkeit und Frauenfeindlichkeit nicht leicht zu überbieten ist. xxx.gloria.tv/?video=our2umwlaaraohcfm85n
    Das „wahre Katholische“ hat schon was drauf!
    Und Geld scheint kein Problem zu sein.

  2. Hier ein Bericht von der offiziellen Internetseite der Diözese Linz/Österreich vom 18.3.2009:
    „gloria.tv: Holocaust verharmlost, ORF-Material gestohlen
    Auf http://www.gloria.tv können Internet-Nutzer selbst Videos hochladen und Kommentare verfassen. Problematisch ist, dass manche Nutzer den Holocaust verharmlosen.
    Am 22. Jänner wird der Kommentar auf gloria.tv ins Netz gestellt: „Für Gott gibt es mehr Beweise als für den Holocaust. Sollten wir jetzt alle, die Gott leugnen dafür strafrechtlich belangen?“ Der Verfasser benutzt das Pseudonym „Kreuzritter“. Auch Mitte März ist der Beitrag noch auf gloria.tv zu finden.
    „Es liegt der schwerwiegende Verdacht vor, dass durch diese Äußerungen gegen das Verbotsgesetz verstoßen wurde“, sagt Medienrechtsexperte Prof. Walter Berka auf Anfrage der KirchenZeitung. Es hafte in erster Linie der Urheber, aber auch der Medieninhaber. Dieser müsse die erforderliche Sorgfalt an den Tag legen. „Spätestens wenn der Betreiber der Plattform darauf hingewiesen wird, müssen diese Kommentare weg“, betont Berka.
    Schwer zu klagen. Die KirchenZeitung erkundigte sich bei gloria.tv, wieso diese äußerst fragwürdigen Inhalte, nicht sofort gelöscht werden. „Ich möchte möglichst wenig eingreifen, es braucht die ganze katholische Bandbreite“, sagt dazu Don Reto Nay, Pfarrer im schweizerischen Sedrun und Chef von gloria.tv. Zu etwaigen rechtlichen Konsequenzen meint er: „Welches Recht meinen Sie? Das deutsche oder österreichische Recht ist nicht maßgebend für uns.“ Nay hat gloria.tv in Moldawien angemeldet. Verstöße gegen das Verbotsgesetz können in dem osteuropäischen Staat nicht eingeklagt werden.
    Bei gloria.tv kann jeder Internetnutzer Videos ins Netz stellen und Kommentare verfassen. Vor allem erzkonservative Kreise nutzen gloria.tv. So wirbt etwa Salzburgs Weihbischof Andreas Laun für gloria.tv. Wer neben Laun und Nays Familie sonst noch zu den Unterstützern zählt, will der gloria-tv-Chef nicht sagen: „Ich hänge das nicht an die große Glocke“, sagt Nay.
    Keine Distanzierung der Bischöfe. Auf gloria.tv. zu sehen ist auch ein „Kardinal Groer Tribute“. Der Begleittext spielt offen auf die Affäre rund um Gerhard Maria Wagner an. „Man vergisst immer, dass Wagner nicht das erste Opfer von Kirchenintrigen war.“ Ein Artikel der Plattform http://www.kreuz.net, wird quasi als „Beweis“ ins Bild gerückt. Jenem kreuz.net, von dem sich sowohl die Deutsche als auch Österreichische Bischofskonferenz distanzieren. Ganz anders bei gloria.tv: „Wir führen keinen Index der verbotenen Internetseiten“, erklärt Dr. Paul Wuthe, Sprecher der österreichischen Bischofskonferenz.
    Auf die Holocaustverharmlosungen angesprochen, sagt Wuthe: „Wir haben schon bei kreuz.net exemplarisch aufgezeigt, was bedenklich ist. Das gilt natürlich sinngemäß auch für alle anderen Internetseiten mit ähnlichen Inhalten.“
    gloria.tv im Konflikt mit ORF. Harte Kritik an den Praktiken von gloria.tv äußert hingegen der ORF. Ohne Genehmigung hat das Portal ORF-Material für die eigene Nachrichtensendungen verwendet. „Das ist eindeutig Diebstahl“, betont Dr. Helmut Obermayr, Direktor des Landesstudios Oberösterreich. Er hat zumindest erreicht, dass gloria.tv widerrechtlich verwendetes ORF-Material wieder gelöscht hat, und fordert nun eine Unterlassungserklärung.
    Obermayr: „Viele Kinderpornoseiten haben so wie gloria.tv ihre Server in Moldawien. Mit diesen begibt sich gloria.tv auf eine Stufe.“

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