Grüne, werdet erwachsen!

Lokalfunktionäre verhageln Maria Vassilakou ihren Wahlkampf. Dahinter stecken Kindergartenmentalität und Ego-Ideologie.  Falter, 25. August 2010


Man kann die Sache natürlich so sehen: Maria Vassilakou, Frontfrau der Wiener Grünen, hat wirklich alles Pech dieser Welt. Eigentlich hat sie in den letzten Monaten alles richtig gemacht. Um der Gefahr zu begegnen, im Wiener Wahlkampf in einem „Duell“ Rot gegen Blau zerrieben zu werden, hat sie sich klar positioniert und gesagt: Es geht nicht um Rot gegen Blau im Herbst, sondern um Rot-Grün. Grün wählen ist mindestens so ein starkes Zeichen gegen Strache wie Rot wählen. Die kluge Vassilakou hat die oft ein bisschen weltfremden Vorständler ihrer Partei auf diese klare Strategie eingeschworen. Und sie hat, als Karenzvertretung für Eva Glawischnig etwa, so gute Figur auf bundespolitischem Terrain gemacht, dass man letzterer eine Großfamilie und noch viele Babypausen gewünscht hätte.

Und dann verhageln ihr eine handvoll Basisaktivisten und gekränkte Lokalfunktionäre den Wahlkampf. Nach dem Motto: Wer bei der Listenwahl unterliegt, der gründet halt eine neue Partei. Schafft drei, vier, viele Grüne Wahlparteien.

Ja, klar, das kommt in allen Parteien vor. Bei den Sozialdemokraten in Niederrösterreich werden derweil Ex-Regierungsmitglieder aus der Partei ausgeschlossen, weil sie sich mit lokalen Listen selbstständig machen. Aber dennoch gibt es bei den Grünen eine spezielle Unkultur der Unernsthaftigkeit. Das fängt schon damit an, dass man bekannten, einigermaßen populären Politikern stets mit Missgunst begegnet und mit dem Verdacht, die wären eitel, mediengeil oder wollten sich sonst wie „auf Kosten der Partei“ wichtig machen. Dieser Hang zum Generalverdacht steht freilich in seltsamem Missverhältnis zu den basisdemokratischen Riten der Partei. Wer etwas werden will, muss sich in einem ziemlich öffentlichen Wettbewerb der Konkurrenz stellen; der oder die muss Delegierten beweisen, was für ein toller Hecht er oder sie ist. Gerade das, was die Grüne Seele verachtet – nämlich den Hang zur Selbstvermarktung -, wird in diesen Auswahlverfahren gefördert. Beides – Wettbewerb der Egos und die demokratische Egalität grauer Mäuschen – kann man aber gleichzeitig nicht haben. Das sollten die Grünen einmal begreifen.

Es gibt bei den Grünen ein Einzelkämpfertum, das im übrigen mit dem linksalternativen Grundwert der Selbstverwirklichung bestens harmoniert, aber negative Auswirkungen hat: Jeder nimmt sich selbst unglaublich wichtig. Was man in den großen Apparatparteien automatisch antrainiert bekommt, etwa, dass man sich, und sei es mit Murren, der Sache unterordnet – auf diese Idee kommt man bei den Grünen offenbar gar nicht. Wenn man sich mal ungerecht übergangen vorkommt – schon gründet man eine eigene Liste. Und ist dann wahrscheinlich auch noch stolz auf die Autonomie, die man damit beweist, auf die kampfeslustige Bereitschaft, sich nicht unterbuttern zu lassen. Dabei geht es doch zuvorderst um rein persönliche Animositäten und, man soll das nicht vergessen, um gut dotierte Jobs als Bezirksvorsteher- und Stellvertreter. In den vielkritisierten Altparteien hat man immerhin gelernt, solche Auseinandersetzungen – egal, wer da im Einzelfall recht hat -, nicht in Parteispaltungen ausarten zu lassen.

Kann schon sein, dass der Josefstädter Bezirksvorsteher Herbert Rahijdan seine nervigen Macken hat (wie übrigens auch der Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber seine Macken hatte), vernünftigerweise erträgt man die, wenn man Erfolg haben will. Sicherlich muss man auch erst einmal auf die bizarre Idee kommen, Susanne Jerusalem wäre eine schlagkräftige und charismatische Ansage in Mariahilf. Man kann all das diskutieren. Wahrscheinlich haben mal die, mal die andern recht. Vielleicht sogar beide Seiten ein bisserl. Aber wenn man in solchen Fragen einmal in der Minderheit bleibt, dann sollte es in einer erwachsenen Partei kein Grund sein, den Laden in die Luft zu sprengen.  

Wenn man in demokratischen Verfahren in der Minderheit bleibt, dann kann man sich auch einmal unterordnen und sagen: Okay, ich akzeptier’s. Ui, das klingt jetzt in Basisaktivistenohren nach Parteidisziplin und Klubzwang, wie man das von den verteufelten Altparteien kennt. Aber vielleicht sollte man sich mal etwas von deren Professionalität abschauen.

Denn schließlich: Wie will man eigentlich regieren mit einem solchen Haufen? Wenn jeder stets bereit ist, zu sagen: Ich mach mein Ding, und wenn mir mal was gegen den Strich geht, lass ich den Laden hochgehen. Regieren heißt, mit einem Regierungspartner Kompromisse schließen, und dann vier oder fünf Jahre mit dem gemeinsam stimmen, auch wenn es einem einmal stinkt. Klar, man lernt das am besten beim Regieren selber.

Aber man könnte im Kindergarten der Bezirksparteien schon mal ein bisserl üben.

3 Gedanken zu „Grüne, werdet erwachsen!“

  1. In ganz vielen Argumenten kann ich diesem Beitrag folgen. Nur in einem Absatz hat sich ein inhaltlicher Fehler eingeschlichen: Nicht die „Basiswappler“ haben Heribert R. im 8. „hochgehen“ lassen und ihr eigenes Ding gegründet, sondern der Herr Bezirksvorsteher wollte sich seine Liste persönlich aussuchen und junktimierte sein Antreten. Das ist weder professionell noch demokratisch. Und dann hat ein anderer Kandidat gewonnen und Herr Bezirksvorsteher gründete umgehend neu.

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