Ist die Militäraktion gegen Gaddafi richtig und klug?

Ein paar grundsätzliche und ein paar praktische Gedanken zur militärischen Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen.

 

Aus Zeitgründen habe ich mich bisher nicht zur UN-Militärintervention in Libyen geäußert – und kann das auch jetzt leider nicht ausreichend grundlegend tun.

Aber natürlich hat diese Militäraktion meine Unterstützung – und über die linksradikale Phrasendreschmaschine im Sinne von „Krieg ist keine Lösung“ und den „imperialistischen Angriff auf ein souveränes Land“ kann ich nur den Kopf schütteln. Denn was soll das denn heißen: Krieg ist keine Lösung? Für Gaddafi und seine Söldnertruppen ist Krieg natürlich schon seit Wochen die Lösung gewesen. Nämlich: Mit militärischer Übermacht die Rebellion niederschlagen. Also Krieg ist natürlich manchmal eine Lösung. Oft eine entsetzliche, immer eine unschöne. Mehrere europäische Staaten, die USA, Kanada und einige arabische Nationen haben beschlossen, auf Basis des von den Vereinten Nationen verhängten Flugverbots die militärischen Operationen der Gaddafi-Leute zu attackieren. Das ist im Einklang mit der UN-Resolution.

Dies als „imperialistischen Überfall“ hinzustellen, da gehört schon ordentlich was dazu: Als hätte sich irgendein Land darum gerissen, hier in militärische Aktionen hineingezogen zu werden; als hätten die USA nur auf eine Gelegenheit gewartet – dieselben USA, die mit ihren Kriegen im Irak und Afghanistan schon überfordert sind und so eine Aktion so nötig haben wie einen Kropf. Das als Anlass zu nehmen, den lieben alten Antiamerikanismus zu hegen und zu pflegen, ist schon ordentlich paranoid. Nein – niemand wollte diese Aktion. Man musste einfach zwischen zwei Übeln wählen. Hätte man Gaddafi gewähren lassen, wäre in Bengasi ein Blutbad angerichtet worden, hätten alle wieder geschrien: „Und die Welt schaut zu!“. Zum Teil wahrscheinlich sogar dieselben, die sich jetzt mit Kerzen an irgendwelche Ecken stellen und Mahnwachen gegen die Bombardements abhalten.

Warum haben dann die USA doch beschlossen zu agieren? Das erklärt sich auch aus dem Ruanda-Trauma. Damals hatte man nicht interveniert – und eine Million Tote in Kauf genommen. Bill Clinton hält das heute noch für seinen schwersten Fehler.

Soweit zum Grundsätzlichen.

Praktisch sind die Dinge selbstverständlich komplizierter. Die Intervention kommt spät. Das Momentum war zuletzt eindeutig bei Gaddafi. Es gab natürlich gute Gründe, solange zuzuwarten – ein Eingreifen ohne Auftrag durch den UN-Weltsicherheitsrat hätte einen noch viel ärgeren Aufschrei ausgelöst. Aber die Zeit, die verflossen ist, hat Gaddafi in die Hände gespielt. Heute verhindert die Militäraktion wahrscheinlich nur mehr, dass er seinen Einfluss auf den gesamten Osten des Landes ausdehnt. Und das Wort „wahrscheinlich“ ist hier wichtig: Viele Dinge sind einfach sehr uneindeutig und nicht klar einzuschätzen.

Wenn die Auseinandersetzungen in Libyen, und sei es nur teilweise, auch dem Muster eines tribalen Bürgerkrieges folgen, ist es natürlich noch eine Spur fragwürdiger, sich auf eine Seite zu schlagen. Andererseits ist auch in diesem Fall durchaus berechtigt, zu verhindern, dass eine Seite die andere einfach überrennt. Wie gesagt, was in Bengasi in diesem Fall geschehen wäre, will ich mir gar nicht ausmalen.

Nur ist eben nicht ganz klar ersichtlich, was das Ziel der Militäraktion sein könnte. Außer, den Vormarsch zu stoppen und der arabischen Demokratiebewegung zu zeigen, dass die UN und der Westen hinter ihr stehen. Was eher symbolischen Wert hat. Und symbolische Politik mit Bomben ist wiederum auch eine fragwürdige Sache.

Kurzum: In praktischer Hinsicht bin ich mir nicht so sicher, dass die Militäraktion eine besonders gelungene Sache ist. Dass sie grundsätzlich richtig ist, steht aber außer Zweifel.

So in etwa würde ich das formulieren, und natürlich etwas weniger salopp und grundlegender, wenn ich, wie gesagt, etwas mehr Zeit hätte.

Morgen wird dann mein Freund, Kollege und Gastautor Niki Kowall systematischer all diese Fragen erörtern.

5 Gedanken zu „Ist die Militäraktion gegen Gaddafi richtig und klug?“

  1. Deine Kritik an der linksradikalen Phrasendrescherei in Ehren, aber ist es nicht auch „links-naiv“ sich mit der wahren Rolle der USA und des UK nicht auseinandersetzen zu wollen?
    Diskussionswürdig ist nicht die Intervention jetzt, sondern die Interventionen davor. Diejenigen, für die man sich nicht die Zustimmung der UN geholt hat. Jene, die sehr wahrscheinlich maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Situation dort entglitten ist.
    Waffen aus Saudi Arabien, anzunehmenderweise viel Geld für div. Stammesführer und zB. diesen ersten General, der die Seiten gewechselt hat.
    Was ist da eklatant anders verlaufen, als zB. in Ägypten?
    To be discussed elsewhere in more detail.
    Robert, einen etwas anderer Blickwinkel findest du hier. Vielleicht ein Denkanstoß: http://ichmachpolitik.at/questions/1102

  2. Ist nicht das eigentliche Problem, dass nicht einmal annähernd so etwas wie ein Masterplan im Umgang mit den Demokratiebewegungen in Nordafrika und im Nahen Osten existiert? Da schlägt sich der Westen einmal auf Seiten der Regime, dann wieder auf Seiten der Revolutionäre, manchmal greift er militärisch ein, ein ander Mal sieht er tatenlos zu wie Demonstranten niedergeschossen werden.
    Wie kann man gleichzeitig die saudi-arabische Militärintervention in Bahrein, als Hilfestellung des dortigen Regimes gegen die Demokratiebewegung unterstützen, und auf der anderen Seite alte Rechnungen mit dem Lieblingsfeind der USA begleichen?
    Das sieht alles sehr nach Willkür aus und hat am Allerwenigsten mit humanitärer Hilfe zu tun. Und der Euphemismus „Flugverbotszone“ für Flächenbombardements hat allein schon Orwell’schen Newspeak-Charakter.

  3. Wer steht denn hinter dieser „Demokratiebewegung“ in Libyen? Welche Ziele verfolgt sie? Wer liefert ihnen die Waffen? Alles unbeantwortete Fragen!
    Eine Militärintervention aus zweifelhafter Motivation und ohne klar definierte Ziele kann nicht gut sein.

  4. Ich kann den Impuls verstehen. Es geht mir auch so. Nothilfe ist dem Menschen ein Bedürfnis. Ich habe aber den Eindruck, dass die Konsequenzen – ein Krieg mit unbekanntem Ausgang, der zu einem weiteren Afghanistan werden könnte – vor allem deswegen begonnen wird, um unser Gewissen zu beruhigen. Und die Interessen der wirtschaft sprech ich nicht einmal an.
    Der Krieg ist das Ergebnis von Jahrzehnten – wenn nicht gar Jahrhunderten falscher Politik des Westens gegenüber dem Süden.
    Ich finde es auch falsch zu sagen: Den Krieg hat ja gar nicht der Westen, sondern Gaddafi begonnen. Ein Krieg verändert sich, wenn eine weitere Partei dazu kommt. Das ist jetzt nicht mehr der Libysche Bürgerkrieg, sondern ein Krieg westlicher Armeen auf libyschem Boden.

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