Noch mehr Post von den „Hinichen“

Also, es ist ja sicher nicht die wichtigste Sache der Welt, aber da sie im Augenblick die Gemüter hochgehen lässt, wie kaum etwas anderes, hier noch eine kleine Fußnote zur Hinichen-Causa. Nach meinem gestrigen Blogpost erhielt ich noch einmal Post von den „Hinichen“, und da bei all der Aufgeregtheit vielleicht die Selbstauskunft der Band etwas beitragen kann, dokumentiere ich die Zuschrift hier vollständig: 

Sehr geehrter Robert Misik!
Ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden, bzw in die falsche Kehle bekommen, wir sind nicht herablassend, ich kann nicht erkennen, aus welchen Zeilen Sie das schliessen, wir haben viele neue Bekannte über die – unsere – Musik bekommen, das sind Akademiker und und auch welche, die eher weniger mit akademischen Studien zu tun haben, welche mit schwieligen Händen, aber auch Frauen (nicht für Bett und Sex wohlgemerkt). Es gibt halt Leute, die auf ein Rapid Match gehen, es gibt Leute die in die Kirche gehen, und es gibt Leute, die zu unserem Konzert gehen und gemeinsam mit uns feiern, wir haben da keine Berührungängste mit unseren Fans, jeder kann um ein Autogramm, ein Foto, eine Widmung, einen Plausch kommen, manchmal kommt jemand auf die Bühne und singt mit, das sollten Ihnen auch die vielen verteidigenden Kommentare, die teilweise mit geschliffener Ausdrucksweise geschrieben sind, verdeutlichen. Dass sich der Gudenus draufhaut stand nicht im Drehbuch. Viele der Argumente vom Klaus Werner-Lobo und Konsorten sind einfach falsch und werden durch ewige Wiederholung nicht besser. Das, was wir machen ist derart überzogen, dass nur Böswillige auf die Idee kommen könnten, dass das bitterer Ernst sei. Unser Publikum kennt sich auf jeden Fall aus.
Grüsse Wintzig
Das bringt jetzt doch eine neue Dimension in die Causa, und zwar vor allem dieser eine Satz: „Das, was wir machen ist derart überzogen, dass nur Böswillige auf die Idee kommen könnten, dass das bitterer Ernst sei.“ Damit sind ja wohl alle Vorwürfe jener erledigt, die die Texte der Band buchstäblich und als deren Meinung nehmen, so als wären sie Leitartikel. Und erst Recht die dümmlichen „was-wäre-wenn“ Argumente. Es wird ja jetzt gerne gesagt, was wäre, wenn in den Texten der Band die Juden oder die Asylbewerber so deftig etwas abbekommen würden wie die Frauen. Wenn es nicht heißen würde, „Haut die Fotzen in die Goschen“, sondern „die Juden“. 
Erstens einmal hat das Wienerische eine schöne Redewendung, so dumme Argumente zu erledigen. Die lautet: Wenn meine Tante ein Zumpferl hätte, dann wäre sie mein Onkel.  … Hat sie aber nicht. Deswegen ist sie meine Tante. 
Zweitens würden die Texte dann möglicherweise gegen Gesetze verstoßen, was gegenwärtig eben nicht der Fall ist. Wenn einen das stört, muss man die Gesetze ändern. 
Drittens würde aber auch das nichts ändern, wenn diese Band selbst sagt, dass das so überzogen ist, dass doch nur Böswillige auf die Idee kommen können, dass sie das ernst meinen. Es wäre also auch in diesem Fall, was weiß ich: Klamauk, Kabarett, ein vielleicht blödes Spiel. Aber kein Tatbestand. Vielleicht nicht gerade das, was ich als große Kunst bezeichnen würde. Aber auch nichts, wo ich auf Auftrittsabsagen dringen würde.
Viertens schließlich haben all diese Diskussionen keinen großen Sinn, wenn man sich nur Textzeilen um die Ohren wirft, ohne sie zu kontextualisieren. Es ist doch immer die Frage: Was denken die Performer wirklich? Wie ist ihr Verhältnis zu ihrem Publikum? Versteht das Publikum das als buchstäbliche Aufforderung? Oder als abgedrehtes Kabarret? Simpel gesagt: Wenn ein Nazisänger bei einer Naziveranstaltung vor lauter Nazis Nazilieder singt, dann ist das etwas anderes als wenn Qualtinger einen Nazimitläufer Nazisätze sagen läßt, so dass dem Publikum das Lachen im Hals stecken bleibt. Nun sind die „Hinichen“ offenbar weder Qualtinger noch Nazis, sondern irgendeine der vielen Graustufen dazwischen. Welche genau? Das ist, meines Erachtens, schwer zu sagen, solange man nicht auf einem Konzert von denen war und solange man nicht weiß, wie sich der atmosphärische Dialog zwischen Band und Publikum gestaltet. Nimmt das Publikum die Sätze als buchstäbliche Haltungen, die es sich zu eigen macht? Oder lacht es über die Songs, so wie wir über Mundl-Sätze lachten, wenn der seine frauen- und ausländerfeindlichen oder einfach nur derben Sprüche los ließ? Sind die „Hinichen“, wie das ein Fan von ihnen formulierte, gesungene Deix-Karikaturen? Oder ist das ganz etwas anderes? Ich weiß es nicht. Und ich behaupte, die Kritiker der „Hinichen“ wissen es auch nicht. Sie interpretieren Liedtexte buchstäblich als wären sie ein Flugblatt. Und das ist natürlich Unfug. 
Man kann die „Hinichen“ furchtbar finden oder unnötig oder sonst etwas. Sie sind es wahrscheinlich, aber auch das kann ich nicht wirklich beurteilen. Man kann ihnen möglicherweise auch vorwerfen, dass sie das, was sie hier überzogen auf die Bühne bringen, „irgendwie“ wohl schon meinen (aber möglicherweise ist das auch nicht der Fall). Man kann im übrigen auch absolut der Meinung sein, dass ein Veranstalter wie Planet Music im Gasometer überhaupt keine öffentliche Subvention verdient hat (und es ist ja der Veranstalter subventioniert, nicht die Band). Das übrigens vor allem. Aber so lange die Dinge so uneindeutig sind, heißt Freiheit der Kunst, dass man die Freiheit der Hinichen verteidigen muss, das zu tun, wozu sie gerade Lust haben. Denn wenn Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden ist, dann kann doch auch in diesem Fall nur gelten: Mir gefällt nichts an dem, was die tun. Aber ich verteidige ihre Freiheit, es tun zu dürfen. Oder? 

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