Ich kann es schon riechen: Wegen der Attraktivität des Salafismus für junge, pubertierende, rebellische Muslime wird bald wieder das Scheitern von Multikulti ausgerufen (ein Wort, das ohnehin nur mehr von den Feinden der Vielfalt benützt wird, nicht von deren Verfechtern). Die Frage ist nur: Ist es ein Scheitern von zu viel Multikulti? Oder nicht vielmehr von zu wenig Multikulti?
Denn mit der ethnischen und kulturellen Pluralität moderner Gesellschaften wurde ja ein anderer Begriff populär: der Begriff der Identität. Identität, das ist es, was sie alle so gerne haben, von der FPÖ über die Identitären bis zu den Jihadisten. Das Konzept von Großgruppenidentitäten ist in Wirklichkeit der Mist, auf dem all der andere Mist gedeiht. Das wusste schon der Essayist Leon Wieseltier, der vor 20 Jahren den großen Text „Against Identity“ schrieb.
Der Identitätswahn sagt: Du bist so wie die, und wir sind anders als jene. Identität, so verstanden, erzwingt Konformität und Abgrenzung. Es ist Humus für totalitäre Ideologien.