Tragisches Unglück? Nein. Die Toten sind gewollt

Ich bin ja ein Nachrichtenjunkie, aber auch ich beschäftige mich nicht rund um die Uhr mit allen Details europäischer Politik. So habe ich von der Einstellung des Seenotrettungsprogramms „Mare Nostrum“ natürlich gehört gehabt, ging aber davon aus, das habe vor allem mit Geldfragen zu tun: Dass man eben ein paar Millionen sparen will und deshalb schiffbrüchige Flüchtlinge im Mittelmeer wieder zu Hunderten ertrinken. Schlimm genug – das Massensterben würde billigend in Kauf genommen, nahm ich an.

Doch die Zitate europäischer Politiker, die jetzt auftauchen (und vorher nur von Spezialisten wahrgenommen wurden), erschüttern auch mich. Die kannte ich vorher auch nicht. Und sie legen den Verdacht nahe, dass die Toten nicht nur billigend in Kauf genommen werden, also einfach eine nichtintendierte Nebenfolge von Nichthandeln sind, sondern eigentlich eine intendierte Folge.

So sagte der britische Vizeinnenminister vergangenen Oktober, Seenotrettungsprogramme würde Migranten „ermutigen“ und müssten sofort eingestellt werden. Was ja logischerweise heißt, die Rettung Schiffbrüchiger würde weitere Migranten ermutigen – und im Umkehrschluss wohl heißen soll, die Nichtrettung ersterer würde letztere entmutigen. Was für ein menschenverachtender Gedankengang!

Ähnlich äußerte sich noch vor knapp einer Woche der deutsche Innenminister. Man stünde vor einem Dilemma, da Seenotrettung eine „Beihilfe zur Schlepperei“ wäre. So ein Dilemma scheint das für den Minister aber nicht gewesen zu sein, weil er ja deshalb die Seenotrettung explizit ablehnte – und nicht aus finanziellen Gründen.

Man kann es also drehen und wenden wie man will, das Massensterben geschieht nicht einfach, es ist keine traurige Katastrophe und kein simples Drama, es ist kalkuliert und offenbar (zumindest bis zu einem gewissen Grad) gewollt. Und das noch dazu aus den zynischten Beweggründen.

Wem kommt angesichts dessen eigentlich nicht spontan der berühmte Filmtitel in den Sinn: „Die Mörder sind unter uns.“

3 Gedanken zu „Tragisches Unglück? Nein. Die Toten sind gewollt“

  1. Ich finde, dass das „billigende in Kauf nehmen“ schon so unvorstellbar schlimm war, dass das eigentlich nicht zu steigern war. Mare Nostrum (Quelle: Pro Asyl) war der EU/Italien mit 9 Millionen Euro/Monat zu teuer. Die Zurückstufung des Programmes war schon bewusster Mord. Weil es eindeutig dazuführen musste, dass mehr Menschen ertrinken.
    In den Deutschen Nachrichten von letztem Donnerstag (meine ich) wurde zunächst ausführlich über den Trauergottesdienst für die deutschen GermanWings-Opfer berichtet und dann ein wenig über die 400 ertrunkenen Flüchtlinge. Ich muss da spontan immer an den zweiten Weltkrieg denken, ein toter Deutscher/hundert tote Juden.
    Ja, nicht ganz, aber es erinnert daran.

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