Mal wieder Schurkenstaat

Junger Minister, alte Politik: Österreich zündelt am Balkan

Der rote Faden, meine Kolumne aus der taz

Ich bin ja jetzt mal wieder Bürger eines Schurkenstaats. Als Österreicher ist man das mit einer gewissen Regelmäßigkeit gewöhnt. In den achtziger Jahren wählten die Österreicher Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten, dann gab es Anfang der 2000er Jahre in Österreich die erste Rechtskoalition unter Einschluss von Rechtsradikalen innerhalb der EU. Alles Episoden, in denen Leute wie ich nicht nur in Widerspruch zu den Geschehnissen im Inland standen, sondern sich international auch für unser Land schämten (und viel erklären mussten, wenn wir ins Ausland fuhren). Naja, und jenseits dieser Episoden gibt es diese chronische, eingeschränkte Schurkenhaftigkeit, weil bei uns die Rechtspopulisten so stark sind.

Aber jetzt wieder: Schurkenstaat. Nachdem Werner Faymann, der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende, der ein paar Monate lang engster Mitstreiter in Angela Merkels „Koalition der Willigen“ war, vor dem konservativen Koalitionspartner, der rechtsradikalen Opposition und dem, was er für die Volksstimmung hält, einknickte, machte die Politik des Landes einen Schwenk in abenteuerlicher Geschwindigkeit. Innerhalb weniger Tage positionierte sich die Europapolitik des Landes so um, dass Österreich jetzt gemeinsam mit Viktor Orbans Ungarn Vorkämpfer einer antieuropäischen Politik der Alleingänge wurde. Dabei ist es nicht einmal so, dass Österreich gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen wird. Eine Obergrenze von 37.500 Asylanträgen, die man jährlich annehme, wurde beschlossen – das ist zwar auch menschenrechtlich fragwürdig, aber damit läge das Land trotzdem noch im humanitären Spitzenfeld in Europa. Das Üble ist aber, dass sich das Land an die Spitze einer Zaunbau-Koalition setzte.

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Besonders pikant: Während Österreichs Außenpolitik Konflikte mit den EU-Partnern Deutschland und Griechenland – buchstäblich – vom Zaun bricht, schließt sie sich zu diesem Zweck mit Ländern zusammen, die nicht einmal EU-Mitgliedsstaaten sind. Neben den EU-Staaten Österreich, Ungarn, Slowenien und Kroatien gehören zur neuen Balkanallianz auch noch Serbien und Mazedonien. Gleichzeitig ist Griechenland ausgeschlossen. Ziel und Resultat dieser Allianz wird sein, dass zigtausende Flüchtlinge im ökonomisch ohnehin gebeutelten Griechenland festsitzen werden. Ein aggressiver, feindseliger Akt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: EU-Mitgliedsstaaten tun sich mit Nicht-EU-Mitgliedsstaaten zusammen, um ein EU-Mitgliedsland fertig zu machen. Das hätte sich vor einem halben Jahr nicht einmal der Scharfmacher Orban getraut.

All das ist nicht ohne historische Pointen: Dass jetzt Deutschland und Griechenland gemeinsam düpiert sind, ist fast schon lustig, bedenkt man die deutsch-griechischen Spannungen der vergangenen Jahren. Auch nicht ganz ohne ist jene historische Analogie: Österreich wendet sich wieder einmal von der Westbindung ab, um am Balkan und im Osten seine Allianzen zu schmieden. Historisch hat das konservative Österreich den Balkan immer als den Hinterhof des Landes angesehen. Das ist nicht immer gut ausgegangen, damit trat man schon einmal einen Weltkrieg los. Aber dieser Drang zu Balkanallianzen hat auch psychologische Gründe: Hier kann sich selbst ein kleines Land wie Österreich als Weltmacht fühlen. Tatsächlich führt es sich auch so auf. Und bringt damit übrigens die neuen Alliierten auch in unmögliche Situationen. Serbien, beispielsweise, will demnächst ja EU-Mitgliedsstaat werden und hat überhaupt keine Lust, sich von Österreich in einen Konflikt mit den großen EU-Staaten hetzen zu lassen. Und selbst in Mazedonien hat die korrupte Rechtsregierung keine allzu große Freude daran, dass Österreich jetzt Konflikte mit Griechenland schürt. Denn Griechenland ist für Mazedonien immerhin Nachbar, und mit Nachbarn vermeidet man grobe Zerwürfnisse nach Möglichkeit.

Deswegen ist es wahrscheinlich, dass dem jungen Außenminister, der sich gerade sehr geschickt vorkommt, seine Machttrickserei für Anfänger bald um die Ohren fliegt. Besonders zu Ende gedacht ist die Sache ohnehin nicht. Im Augenblick kann er sich im Glauben wiegen, dass er mit seiner Anti-Flüchtlings-Politik einer Volksstimmung Genüge tut. Aber spätestens in zwei, drei Wochen werden Elendsbilder zig-tausender Gestrandeter um die Welt gehen, Bilder von Menschen, die nur ihr nacktes Leben retten konnten und nun an der mazedonischen Grenze im Morast festsitzen. Wenn diese Bilder über die TV-Schirme flimmern, wird die Stimmung wieder kippen. Wer in der Lage ist, nur ein paar Züge im voraus zu denken, der weiß das heute schon. Auch Schurke muss man können.

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