Das Roboterdilemma

Die gute Nachricht: Maschinen nehmen Ihnen künftig die Scheiß-Arbeit ab. Die schlechte: Wovon Sie dann leben werden, ist genauso unklar wie die Frage, wer dann überhaupt die schönen Güter kaufen soll.

Die Zukunft vorauszusagen, ist ja generell schwierig. Die Sache wird noch schwieriger, wenn es um die Voraussage von Geschehnissen geht, denen eine disruptive Note innewohnt – das heißt, wenn diese Geschehnisse den evolutionären Lauf der Dinge nicht einfach fortschreiben, als kontinuierliche Veränderungen im Rahmen des Gewohnten, sondern alles grundlegend verändern können. Selbst dann nämlich neigen wir dazu, die Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft zu verlängern, nämlich insofern, als wir glauben, es werde sich zwar irgendwie alles ändern, aber dennoch werde – wiederum „irgendwie“ – alles doch gleich bleiben oder zumindest ähnlich. Aus einem simplen Grund: Ähnlichkeit können wir uns vorstellen, völlig neue Muster aber nicht.

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Was die disruptiven Auswirkungen von Digitalisierung und Automatisierung betrifft, ist diese Neigung weit verbreitet. Nehmen wir nur die häufig gehörte Behauptung, wie bei allen industriellen Revolutionen bisher werden zwar viele Arbeitsplätze verschwinden, dafür aber neue und bessere Arbeitsplätze entstehen und – wiederum wie bei allen technologischen Revolutionen bisher – in ausreichender Zahl.

Es ist möglich, dass das geschieht. Aber seien wir ehrlich: Sehr wahrscheinlich ist es nicht.

Die Digitalisierung, smarte Software, aber auch Robotisierung und Automatisierung werden das Leben in den nächsten zwanzig Jahren dramatisch umkrempeln. Um diese Auswirkungen einigermaßen verstehen zu können, muss man aber die Dinge einigermaßen auseinander halten.

Einerseits wird die Digitalisierung Produktion und Dienstleistungssektoren revolutionieren – andererseits aber auch Konsum, Haushalt und Alltag. Letzteres hat nicht unbedingt Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte.

Ein simples Beispiel:

Schon heute sind Lieferroboter ausreichend ausgereift und marktgängig, die den Einkauf nach Hause bringen. Kleine Wägelchen, mit verschlossenem Laderaum, die die letzten paar Kilometer vom „Supermarkt“ (der in Wirklichkeit ein großes Lager sein wird, aber nicht unbedingt ein Geschäft mit Kundenverkehr), per GPS gesteuert fährt und die Waren vor die Haustüre bringt. Fahrer von Lieferdiensten, Kassiererinnen etc. werden dann von Maschinen ersetzt.

Im Smart Home werden Saugroboter herumfahren und Heizung und Elektronik werden problemlos via W-Lan und Smart-Phones gesteuert werden. All das kostet aber natürlich kaum Arbeitsplätze – außer vielleicht für Teile des Putzpersonals. Es entstehen sogar neue Jobs für IT-Dienstleister.

Oder, anderes Beispiel: Selbstfahrende Autos im normalen Personenverkehr kosten natürlich keine Arbeitsplätze – die privaten Autolenker müssen dann nur eben ihre Autos nicht mehr selbst steuern. Im Logistikbereich ist das aber etwas anders: Hier dürften LKW-Fahrer und Taxilenker arbeitslos werden.

In der Produktion werden viele Tätigkeiten automatisiert und robotisiert werden können – wie heute schon in Teilen der Autoindustrie, in der auf den Fertigungsstraßen immer weniger manuelle Arbeiter tätig sind. Dort, wo immer noch manuelle Arbeit benötigt wird, werden smarte Roboter den Arbeitern helfen. Smarte Roboter sind nicht bloß Automaten, die ein paar vorprogrammierte Montageschritte tätigen können, sondern Maschinen, die intelligent auf Anreize reagieren – die durch Einsatz von Sensoren und intelligenter Software „verstehen“, dass ein Arbeiter ein Werkstück heben will und das für ihn erledigen.

Auch in der Textilindustrie wird die Arbeit zunehmend von Maschinen und Software erledigt, was übrigens dazu führt, dass Fabriken, die vor dreißig Jahren in Billiglohnländer verlegt wurden, heute wieder in die entwickelten Länder zurück verlegt werden – einfach, weil die niedrigeren bzw. höheren Lohnkosten nicht mehr sonderlich ins Gewicht fallen. Ähnliches gilt jetzt schon für die Elektronik-Branche. So kündigte beispielsweise die Firma Foxconn, die vor allem für Apple produziert, schon 2012 an, in ihren Werken in China bis zu eine Million Roboter einzusetzen. Chris Anderson, Ex-Chef von WIRED! und CEO von 3DRobotics, formuliert: „Je leistungsfähiger die Automaten in den Fabriken werden, umso kleiner wird der Anteil der Arbeit an einem durchschnittlichen Produkt. Damit verliert das übliche Argument des ‚Lohnkostenvorteils‘ für die Verlagerung der Produktion nach Übersee an Schlagkraft.“

Aber die Robotisierung wird nicht nur in Fabriken Einzug halten, sondern in viele Teile der Produktion. Schon jetzt gibt es die Bau-Roboter SAM und Hadrian X, deren stärkste Ausführungen 1000 Ziegelsteine pro Stunde vermauern können, und damit für den Rohbau eines Durschnittshauses kaum länger als drei Tage brauchen. Was das künftig für Bauarbeiter bedeutet kann man sich leicht vorstellen.

Im Grunde, schreibt der amerikanische Softwareentwickler und Technik-Autor Martin Ford, ist heute jeder Job durch Digitalisierung bedroht, der „berechenbar“ ist. Ist dieses Kriterium erfüllt, „ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Algorithmus eines Tages lernen könnte, einen Großteil ihrer Arbeit zu übernehmen“. Tatsächlich sind daher relativ gehobene Angestelltenjobs noch viel mehr von der Digitalisierung bedroht als Jobs in der Produktion. Und zwar aus einem einfachen Grund: Um eine Büroaufgabe zu ersetzen, brauche ich nur einen normalen Computer, Serverkapazitäten und eine gute Software. Um einen Produktionsjob zu ersetzen, braucht es all das auch und dazu noch eine komplexe Hardware wie Roboter.

Deshalb werden routinisierte Tätigkeiten, von der Datenverarbeitung über die Logistik, von der medizinischen Diagnose, von anwaltlicher Recherche bis zum Journalismus von der Digitalisierung bedroht sein. Normale Nachrichtentexte, aber wohl auch leicht komplexere wie dieser hier, können heute schon von Software geschrieben werden, und Röntgendiagnosen kann Software bald exakter und fehlerfreier stellen als ein Arzt, der selbst bei viel Routine und mit guten Augen bei bildgebenden Verfahren nie so viel sehen wird wie die Maschine, die Pixel für Pixel Abnormitäten sucht.

Das sind nur ein paar Beispiele aus einer unendlichen Liste an Veränderungen, die durch die digitale Produktion bewirkt werden. Hinzu kommen die neuen Maker-Möglichkeiten durch 3-D-Druck und die damit bewirkte Abkehr von der Massenproduktion hin zu einer – möglicherweise – neuen Kultur des Handwerks, bis zum Phänomen des Crowdworking, also der dezentralen Kooperation vereinzelte Mitarbeiter, die weder mit Firmen noch mit Kollegen verbunden sind. Und die neuen Technologien können ganze Branchen umpflügen, also lange gewachsene Firmen in wenigen Jahren ruinieren und diese durch ganz neue Player ersetzen.

Kurzum: Es ist unmöglich wirklich vorauszusagen, wie die Welt der nahen Zukunft aussehen wird – aber es ist ziemlich hanebüchen zu erwarten, dass sie sich im Rahmen des Gewohnten bewegen wird.

Die zentrale Frage ist dann, wie Beschäftigung und damit verbundene Einkommen sich verteilen werden. Entstehen eine Vielzahl neue Jobs, die die alten ersetzen – dann wird zwar auch nicht alles prima, da man einen Bauarbeiter schwer auf Softwareingenieur wird umschulen können, aber für „das System“ als ganzes ergibt sich langfristig kein großes Problem. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann bleibt die Frage: Wer wird die schönen Güter kaufen können, wenn immer weniger Menschen gut bezahlte Jobs haben?

Diese Möglichkeit ist nicht nur vorhanden, es finden sich jetzt schon genügend Indizien für dieses Szenario. Der deutsche Forscher Philipp Staab spricht in diesem Kontext von einem „inhärenten Konsumtionsdilemma des digitalen Kapitalismus“. Andrew McAfee und Eric Brynjolfsson, zwei Forscher des Massachussets Institute of Technology sprechen vom „Race Against the Machine“ – dem „Rennen gegen die Maschine“ -, das die Menschen verlieren könnten.

Jahrzehntelang verliefen die Kurven von Einkommensentwicklung auf der einen Seite und von Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum auf der anderen Seite parallel, so die Forscher – doch seit Beginn der 2000er Jahre zeige sich schon eine „große Abkoppelung“. Produktivität und Wirtschaft wachsen deutlich schneller als die Einkommen – sogar trotz niedrigem Wachstum. Tatsächlich sei gerade die Einkommens- und damit die Nachfragelücke für das niedrige Wachstum hauptverantwortlich.

Bewahrheiten und radikalisieren sich diese Szenarien, dann ist völlig klar, dass es mit dem bisherigen Arrangement des Kapitalismus so nicht weiter gehen kann. Dann führt er entweder zu Massenarmut und sozialem Chaos, oder aber es werden neue Arrangements gefunden. Politik muss darauf reagieren.

Das Mindeste ist, die Finanzierung der wichtigsten Staatsausgaben von der Besteuerung auf Arbeitseinkommen auf die Besteuerung auf Wertschöpfung, Gewinne und Vermögen umzustellen. Dass arbeitsintensive Branchen heutzutage auch noch einen ökonomischen Nachteil gegenüber durchmaschinisierten Branchen haben, ist absurd.

Auch ein bedingungsloses Grundeinkommen, gegen das es an sich gute Argumente gibt, muss völlig neu diskutiert werden. Weil es vielleicht die einzige Möglichkeit ist, in Zukunft Einkommen und Konsumnachfrage zu stabilisieren.

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