Mit Rechten reden? Hat bisher ja prima geklappt…

„Mit Rechten reden!“, dieser Ruf schallt seit längerer Zeit durch den gesamten deutschsprachigen Raum und unterstellt, dass Radikalisierung und Polarisierung eine Folge davon seien, dass die Menschen zu wenig miteinander sprechen würden, oder gar eine Folge davon, dass Ressentiment und Ausländerfeindlichkeit aus den öffentlichen Diskursen verbannt würden. Wer Letzteres immer noch glaubt, dem hilft auch kein Blick ins Fernsehprogramm mehr. Im Grunde ist das Gegenteil wahr: Erst die Dauerpräsenz des rechten Wahns auf allen Kanälen ließ ein Klima entstehen, in dem ganz Europa zu kippen droht und das in Chemnitz eben eskaliert ist. Privat mit jedem reden Natürlich soll man mit jedem reden. Im Privaten ohnehin. Öffentlich ist das schon eine vertracktere Sache. Den durchgeknallten Meinungsmüll in die öffentliche Debatte einer Demokratie zu integrieren heißt zugleich, ihn zu legitimieren. Als eine Meinung, die man genauso gut haben kann wie jede andere. Aber vor allem hieß „mit Rechten reden“ zuletzt immer mehr „wie Rechte reden“. Die Gesamtheit dieser Diskurse findet so statt, dass der Eindruck entsteht, die Aufhusser und Ressentimentschürer haben irgendwie recht: Ja, wenn sie sich so Sorgen machen, dann müsse man ihnen schon irgendwie entgegenkommen, damit man sich in der Mitte treffen kann. Aber so funktionieren eben gesellschaftliche Gespräche nicht. Akzeptiert man das Themensetting, spielt man als nützlicher Idiot mit beim schönes Spiel des Klimavergiftens. Legitimierte Haltungen Auf diese Weise mit Rechten zu reden legitimiert Haltungen, statt sie zu bekämpfen. Es verschiebt die Grenze des Sagbaren. Es bedeutet, sich auf die Argumente der Radikalen einzulassen, ihnen Millimeter für Millimeter nachgeben. Es bedeutet, dass Demokraten schwächeln, sich selbst als defensiv erleben. Es untergräbt die Standfestigkeit und das Selbstvertrauen der liberalen Demokraten und lässt sie als zaudernd erscheinen. Kurzum: Es wird den Rechten nicht zu wenig entgegengekommen. Sondern viel zu viel.

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10 Gedanken zu „Mit Rechten reden? Hat bisher ja prima geklappt…“

  1. Wäre die moralische Entrüstung vor 20 Jahren ähnlich groß gewesen als gegen Arbeitslose gehetzt wurde, dann hätte die Rechte nicht diesen Zulauf. Das Problem ist ja, dass die Rechten die „Verlierer“ dieses menschenverachtenden Systems abgeholt haben und die Illusion erzeugten, dass sie sich um eine Verbesserung kümmern würden.
    Die „Linke“ bzw. jene die sich für links halten, haben die Arbeitlosen, prekär Beschäftigten usw. genauso für ihre Situation selbst verantwortlich gemacht und verachtet, wie alle anderen Marktradikalen. Die abgehängten und jene, die Angst davor hatten/haben, wurden/werden also von der sogenannten Linken alleine gelassen. Die besten Voraussetzungen um den rechten Rattenfängern in die Fänge zu gehen.
    Und weil man der „bildungsfernen Unterschicht“ (früher: Arbeiterklasse) sowieso nichts zugetraut hat, hat man diesen Menschen auch nicht erklärt, wie sie sich gegen die Reichen und Superreichen sowie den Systemerhaltern (in Politik, Medien, Wissenschaft, Kunst und Kultur) auf demokratische Weise wehren können. Man hat sie auch nicht angehört, wenn es um ihre Probleme gegangen ist. Man hat die große Masse der Menschen einfach ignoriert und versucht mit reiner Minderheitenpolitik Mehrheiten zu erzielen.
    Dieser selektive bzw. auch pragmatisch Humanismus den viele sogenannte Linksliberale aktuell an den Tag legen, ist doch die pure Heuchelei.
    Wenn ich mich um den Nachbarn nicht mehr kümmere und ihm auch noch offen zeige, wie sehr ich ihn verachte, darf ich mich nicht wundern, dass er seinen Abfall in meinem Garten entsorgt.

    1. Sorry, aber das ist, gelinde gesagt, mal wieder eine Legende. Sie reden von der damaligen Mehrheit in der SPD und nennen sie „Linke“. Dass sich die SPD daraufhin gespalten hat, dürfte jedem geläufig sein.

  2. Ja, ich rede grundsätzlich mit rechten. Gerade( in einem Dorf, in dem du nun Mal lebe) mit Kleinunternehmern über die Schwächung des Binnenmarktes durch gravierende Einschnitte ins Sozialsystem, darüber, dass sie noch so fleißig und tüchtig sein können, dass ihnen das absolut nichts hilft, wenn die Leute aus Angst davor, was mit ihnen passiert, sollten sie arbeitslos werden, jeden Cent drei Mal umdrehen. Da können sie noch so tollen Service bieten, umweltfreundlich arbeiten, etc, sie werden nicht Konkurrenz fähig sein. Ooops Entschuldigung, das sind ja keine rechten, das sind konservative und die darf ich mit rechten nicht in einen Topf Werfen.

  3. Zunächst mal stimme ich weitgehend überein mit dieser Analyse. Das Problem, das die Rechten bis zum Erbrechen ausnutzen können, besteht darin, dass Leute die selbst negative Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht haben (oder die sie aus ihrem Umfeld berichtet bekommen oder sich schlicht von rechter Propaganda haben ängstigen lassen), diese auf die ganze Gruppe übertragen, sie denken also zunächst in rassistischen Kategorien.

    Geschehen Verbrechen von Angehörigen der Gruppe Geflüchteter und Leute wenden sich empört und rassistisch an sie Öffentlichkeit, wird durch den inhärenten Rassismus ihrer Aussage ein wichtiger Kern mit vom Tisch gewischt: dass es natürlich auch unter geflüchteten Kriminelle gibt, wie in jeder anderen grob gefassten Bevölkerungskategorie auch und dass die alten Resozialisierungsmethoden in manchen Fällen offenbar nicht immer ausreichen. Das zu negieren und problematische Geflüchtete ebenso nur zu verwalten, wie die Menge der Friedlichen, Netten und Höflichen, erzeugt die Lücke, in die Rassisten stoßen, um jene vor den Kopf gestoßenen „Besorgten“, und als Rassisten Abgewehrten aufzuheizen und für differenzierende Argumente unempfänglicher zu machen.

    Man muss also mit den kleinen, eher unreflektierten ungefestigten Alltagsrassisten reden, und man sollte Wege finden, mit Problemfällen adäquater umzugehen, als nur nachträglich die Justiz aufräumen zu lassen, wo etwas aus dem Ruder gelaufen ist.

    Organisierten, rhetorisch geschulten Rassisten Bühnen zu bieten und sie auch noch derart unprofessionell zu kontern, wie es häufig in den Medien geschieht, muss jetzt beendet werden. Da sie sich der Sozialen Mediem, der oftmals unkritisch bis gar nicht moderierten Foren von Sendern und Zeitungen, jeglicher Foren usw. bemächtigen, ist ihre Strategie, die ÖR und „die Presse“ zu delegitimieren als Versuch zu werten, nur noch die ihnen offen stehenden Kanäle als vertrauenswürdige Quellen zu verkaufen. Umso mehr müssen diese nun über Machenschaften der Drahtzieher und Akteure informieren und es sich verkneifen, den Angriff auf die Demokratie auch mithilfe von Ungenauigkeiten abwehren zu wollen. Sie laufen damit den Rechten ein ums andere Mal ins offene Messer.

  4. Mit Rechten reden kann nicht die Ursache für ihren Aufstieg sein, weil das Reden erst begann, als die Rechten schon da waren, und es vorher keine relevanten Rechten gab, mit denen man hätte reden können.
    „oder gar eine Folge davon, dass Ressentiment und Ausländerfeindlichkeit aus den öffentlichen Diskursen verbannt würden.“
    Unsinn. Das Argument „Ressentiment“ wurde zwanzig Jahre lang mißbraucht, um Themen wie die Migration an sich zu verbannen, inklusive dazugehöriger Probleme.
    Und verbannt wurde gar nichts, die Explosion des Hasses im Netz korreliert zeitlich exakt mit einer stärker werdenden Korrektheit in den etablierten Medien, ein klares Zeichen dafür, daß diese Methode falsch ist.
    Entweder oder, auf allen Seiten. Reden oder nicht reden. Wie wärs mal mit was dazwischen?

    1. Die „Korrektheit“ war in Form des Pressekodex eine Reaktion auf die Hetzkampagnen von Bild und weiteren Boulevardblättern, die Anfang der 90er die Ausschreitungen und Brandstiftungen zumindest geistig befeuert haben.

      Seither war klar, dass ein Teil der Bevölkerung nicht die Differenzierungsleistung erbringt, dass ein Krimineller mit einer anderen Staatsbürgerschaft oder anderem Geburtsland nicht stellvertretend für alle anderen steht, die dieses Merkmal mit ihm teilen. Daher wurde seitdem von der Nennung der Herkunft des Täters bei Straftaten abgesehen.

      Es ist also weder überraschend, dass Silvester in Köln einen Präzedenzfall darstellte, auf den niemand vorbereitet war, noch dass Rechtsextreme dieser Regelung entgegenarbeiten, weil sie sich für ihre pauschale Verurteilung ganzer Bevölkerungsgruppen ein offeneres Publikum erhoffen.

  5. @Notin Myname
    Womit klar ist, daß die Korrektheit genauso auf Fragen der Idendität fixiert ist wie die Rechten selber.
    Der größte Sieg der Rechten war also bereits die Etablierung dieser „Korrektheit“, ein Sieg, der viel weitreichender ist als die Etablierung rechter Parteien.
    Allerdings ist auch das nur ein Teil des Ganzen.
    Politische Korrektheit hat ein Eigenleben, das unabhängig ist von Rechten und nichts Anderes ist als die Fortführung des Kommunismus mit anderen Mitteln.
    Schon immer kam die Demokratiezerstörung auch von Teilen der Linken, nur eben früher in Form der „Herrschaft der Arbeiterklasse“, heute in Form der Idenditätspolitik.
    Und schon immer wurde dieser linke Beitrag unterschätzt, was dazu führt, daß der Ungeist des Arbeiterkults heute dabei ist, zurückzukehren..
    Die Gefahr von links ist deutlich größer als die von rechts.

    1. @ Art Vanderley
      Sie versuchen weiter, die Geschichr zu verdrehen. Politische Korrektheit war Anfang der 90er höchstens in gesellschaftlichen Nischen ein Thema, und das war nicht mal die DKP. Ich habe Ihren Begriff daher in Anführungszeichen gesetzt. Es ging nicht um politische Korrektheit, sondern um das Verhindern von Pogromen, die aufgrund verzerrter Wahrnehmung und genereller Hetze gegen „die Anderen“ befeuert wurden, ganz so, wie auch wieder der Boulevard es heute tut..

      Wo in Deutschland der Ort sein soll, an dem dadurch, dass man andere Menschen aufgrund sekundärer Merkmale nichr beleidigen sollte gleich die Demokratie bedroht ist, ist bisher noch nicht klar.

      Klar ist dagegen, dass die Rhetorik, die sie anführen, etwas platt und sprunghaft daherkommt: die Formel Pressekodex = Politische Korrektheit = Steinzeitkommunismus scheint mir etwas bemüht, zumal Aussagen darüber, was die eine Wahrheit ist und wie es „schon immer“ war, in der Regel einer Überprüfung nicht standhalten.

  6. @Notin Myname
    Politische Korrektheit ist weit mehr als Kritik an Beleidigungen, und es völliger Unsinn, daß es vorher keine solche Kritik gegeben hätte.. Im Gegenteil, davor waren 30 Jahre erfolgreicher Bürgerbewegungen, die sich gerade mit solchen Themen beschäftigt haben. Die wurden von der pK aber nicht weitergeführt, sondern abgelöst und zerstört.
    Den totalitären Ansatz verrät schon die Sprache, die den „Korrekten“ so wichtig ist.
    Wer sich selber als korrekt bezeichnet, und damit andere als unkorrekt, hat keinen Pluralismus im Sinn.
    Heute ist Korrektheit ein freiheitsfeindlicher und faschistoider Ansatz- was im Namen von „Gender“ und Migration geäußert werden darf, ist oft geradezu menschenverachtend, gleichzeitig zeigt man immer auf die Rechten und plärrt ständig „Rassismus“, zur Ablenkung von der eigenen Demokratieferne.
    Das eigentliche Ziel aber ist liberales Denken, mit einer Machtübernahme der Rechten haben die meisten Korrekten hingegen kein Problem.
    Deshalb die Parallele zum Kommunismus, die Denk- und Verhaltensweisen der Korrekten ähneln in erstaunlicher Weise denen, die frühere (Beton-)Kommunisten an den Tag gelegt haben.

  7. Sie können sich jetzt weiter an „politischer Korrektheit“ abarbeiten, aber mit dem Pressekodex hat das aus den dargelegten Gründen nichts zu tun.

    Dass es Protagonisten der pK gibt, die durch Rigorismus strukturell ihre eigene Motivation ad absurdum führen ist genauso eine Binse, wie dass Kritik an Problemen mit Leuten anderer Herkunft oft rassistisch auf alle anderer Herkunft übertragen wird, völlig egal, wie diese „Herkunft“ im Einzelnen aussieht und ungeachtet der Person – gröber kann man kaum denken, falls man den Appell an Ur-Instinkte noch Denken nennen kann.

    Beides ist Blödsinn, hat aber nichts mit dem Thema zu tun. Solange Sie nicht sehen, dass Sie ihren „Liberalismus“ für lediglich eine andere Spielart des Denkens in Schubladen und Rogorismen einfordern, also dasselbe Spiel spielen, das Sie kritisieren, ist hier kein Erkenntnisgewinn mehr zu erwarten.

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