Hoch lebe die demokratische Republik

Heute vor hundert Jahren starb Victor Adler, morgen vor hundert Jahren wurde in Österreich die Republik ausgerufen. Allein das war eine geradezu bizarre Pointe der Geschichte, dass jener Mann, der am meisten, am zähesten für einen freien, demokratischen Staat gekämpft hat, am Tag vor seiner Etablierung gestorben ist. Und das schon als Amtsträger des Staates, der erst erstehen sollte – war er ja wenige Wochen lang Staatssekretär des Äußeren, also Außenminister, aber mehr als das: Gesicht des neuen Staates nach Außen, eine Art Ersatzkaiser nach Innen.

Die freie, demokratische Republik, halb erkämpft, halb in den Schoß gefallen. Bisschen Revolution, aber nur im Rahmen des Erlaubten. Eine „ordentliche Revolution“ (ja, so stand das tatsächlich fast wörtlich in der „Arbeiterzeitung“). Und nur von der demokratischen Linken wirklich gewollt, von den Konservativen allenfalls zeitweilig akzeptiert, ein Zustand mit dem man sich arrangierte. Die paar anständigen demokratischen Republikaner bei den Christlichsozialen wurden schnell abgesägt und sind bis heute vergessen (oder haben Sie schon einmal von Jodok Fink gehört?), bald hatten Reaktionäre wie Ignaz Seipel das Sagen, deren einziges Ziel war, „den revolutionären Schutt wegzuräumen“.

Dazu gehörten Demokratie und Parlamentarismus ebenso wie die Sozialgesetze, die in der Nachkriegskrise verabschiedet wurden: Betriebsräte, Arbeiterkammer, Achtstundentag, Sozialversicherung, sozialer Wohnbau etc. Den 12. November haben nur die Linken gefeiert. Das wirkt bis heute fort. So ist der Gründungstag der Demokratie kein Staatsfeiertag, noch nicht einmal ein besonders gewürdigter Tag.

Demokratische Republik, begründet auf dem freien und gleichen Wahlrecht aller Bürgerinnen und Bürger, das hatte einen demokratischen Pathos, den Pathos, dass das Volk nicht mehr als regierte Untertanen gedacht wurde, sondern als Volk, das sich selbst regiert. Heute, wo Wahlen und Demokratie und Parlamentarismus als selbstverständlich erscheinen, hat all das ein wenig den Zauber seines Klangs verloren. Aber zu Unrecht. Deswegen sag ich so gern: Es lebe die demokratische Republik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.