Bobos, Proleten und die wahren Verächter der „einfachen Leute“

Das Verdikt, „du bist ein Bobo“ eignet sich neuerdings sogar für die berühmten innerparteilichen Böswilligkeiten. Aber der Satz ist ja auch eingebettet in einer globale Debatte, die vom Hudson River bis zur Spree, von den spanischen Linksparteien bis zur deutschen SPD und den amerikanischen Demokraten geführt wird. Da gibt es die unselige Debatte über „Identitätspolitik“, also ob die progressiven Parteien sich zu sehr auf Minderheitenrechte und Antidiskriminierung konzentriert und dabei die „normalen Leute“ aus den Augen verloren haben. Da gibt es die damit verbundene Debatte, dass sich die „Arbeiterklasse“ und die „untere Mittelklasse“ politisch überhaupt nicht mehr repräsentiert fühlen, mit einer Reihe politischer Pathologien als Folgeerscheinung. Aber gerade diejenigen, die verkünden, man müsse die Arbeiterklasse wieder mehr achten, zeichnen sehr oft eine Karikatur der „einfachen Leute“. Ja, eigentlich sind sie es, die die „Working Classes“ tatsächlich verachten. Denn wie sieht denn die Karikatur der „normalen Leute“ aus, die da verbreitet wird? Dass sie von Akademikern nicht repräsentiert werden könnten, weil die so kompliziertes Deutsch sprechen und, fucking hell, sogar nach der Schrift. Dass man daher in der Sprache der „normalen Leute“ sprechen muss, am besten Dialekt und so bisschen hingerotzt, wie das die Trankler am Würstelstand tun. Dass man die Leute irgendwo „abholen“ müsse, am besten von ihrer Wohnzimmercouch, wo sie, das Bier in der rechten, die Chipspackung in der linken Hand, im ausgeleierten Trainingsanzug vor dem Trashfernsehen hängen. Urteilsfähigkeit habe diese Arbeiterklasse eher weniger, dafür viele Vorurteile. Aber irgendwie doch das Herz am rechten Fleck. Einfache Leute eben, „the regular guys“, wie die Amis sagen.

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