Ein Versicherungslobbyist im Finanzministerium

Privatisierung öffnet immer der Korruption Tür und Tor. Man wird diese Regierung im Auge behalten müssen.

Österreichs Regierung ist ja eine unappetitliche Mischung aus rechten Scharfmachern, die die Menschen gegeneinander aufhetzen wollen, und Vertretern des Big Money, die im Hintergrund den Staat ausplündern und das Geld ihren Leuten zuschanzen wollen. Selten zuvor haben so viele Lobbygruppen so direkt ihre Vertreter in der Regierung sitzen gehabt. Die Sozialministerin kommt aus der Pharmalobby, die Wirtschaftsministerin aus der Telekomlobby und der Finanzminister wechselte direkt aus dem Banken- und Versicherungsgeschäft auf die Regierungsbank.

Man nennt das in der Fachsprache den „Drehtüreffekt“ – man geht aus dem Konzernbüro raus und direkt ins Regierungsbüro rein. Und hinterher wieder zurück ins Konzernmanagment um sich die Belohnung für das unternehmensfreundliche Regierungshandeln abzuholen. Dass solche Leute dann auch in Regierungsämtern vor allem als Vertreter von Brancheninteressen agieren, ist nicht sonderlich überraschend.

Unlängst gab es einen offensichtlich sehr bizarren Gesprächsabend. Die Chefredakteurin des Kurier, selbst gerade erst wegen ihrer Linientreue als Regierungsadorantin installiert, hatte Finanzminister Hartwig Löger und den oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer als Gesprächsgäste geladen. Es ging harmonisch zu, man hatte kaum Meinungsverschiedenheiten (außer, dass der Kurier-Chefredakteurin die Regierung zu „sozialdemokratisch“ ist, eine Idee, auf die man erst einmal kommen muss).

Und Löger sagte dann: „Wir werden die betriebliche und private Vorsorge zusätzlich stimulieren müssen. Denn es wird in keinem Land Europas möglich sein, das zur Gänze und auf Dauer auf rein staatlicher Pension sichern zu können.“

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Wenn ein Finanzminister so etwas sagt, dann müssen die Alarmglocken klingeln. Denn wir hatten das bei allen rechtskonservativen Regierungen auf der Welt. Das gesetzliche Pensionssystem wird schlecht geredet, damit die Menschen private Pensionsversicherungen abschließen. Von denen profitieren natürlich die Versicherungsunternehmen, die meist direkt mit Banken verbunden sind. Im Falle von Löger der Arbeitgeber, von dem er kommt: er war vorher bei der Uniqua, also der Raiffeisen.

Nun zeigt jede Erfahrung, dass private Pensionsversicherungen für Bürger ein Minusgeschäft sind. Wer sich um die Jahrtausendwende von Schwarz-Blau I ein Versicherungsmodell aufschwatzen ließ, der hätte sein Geld genauso gut in einen Sparstrumpf stecken können – sehr viel besser entwickelten sich die angepriesenen Anlageformen auch nicht. Sie sind von der Börsenentwicklung abhängig, und ein nachhaltiges Vermögenswachstum bei Aktien und anderen Anlagetiteln kann es nur geben, wenn es nachhaltiges Wirtschaftswachstum gibt. Wenn es aber nachhaltiges Wirtschaftswachstum gibt, dann haben auch die staatlichen Pensionssysteme kein Problem.

Private Anlageformen haben aber zwei entscheidende Nachteile: Erstens zweigen sich die Versicherer ihre Profite ab. Zweitens ist die Veranlagung komplexer, also sind die Verwaltungskosten höher. Kurzum: Wer in private Anlagen investiert, steigt in aller Regel schlechter aus. Aber einer steigt besser aus: Der private Versicherer.

Das Pensionssystem ist dann sicher, wenn es Wirtschaftswachstum gibt, also wenn möglichst viele Leute einen Job und ein gutes Einkommen haben, wenn die Konsumnachfrage steigt, wenn die Unternehmen investieren und die Produktivität steigt. Dann sind auch die gesetzlichen Umlagepensionen leicht zu finanzieren. Und dann würden auch private Anlagen an Wert gewinnen. Wenn es aber kein Wirtschaftswachstum gibt, dann haben sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Versicherer ein Problem. Schon daraus folgt, dass private Versicherungen nie eine Lösung des Problems sein können.

Es ist aber auch ein Märchen, dass das übliche Umlagesystem grundsätzlich ein Problem hat. Ja, es hat ein Problem, wenn die demografische Entwicklung so ist, dass geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen und von vergleichsweise geburtenschwachen Jahrgängen finanziert werden müssen. Das war in den vergangenen Jahren der Fall und wird auch noch in den kommenden Jahrzehnten ein Problem sein. Aber auch nicht mehr so lange: denn jetzt geht die letzte Generation in Rente, wo diese Konstellation so ist. Aber ca. 2030 wird sich das aber angleichen. Da gehen relativ geburtenschwache Jahrgänge in Rente, und werden von ebenso relativ geburtenschwachen Jahrgängen im Alter finanziert. Simpel gesagt: Wenn die Pillenknick-Generation selbst in Rente geht, ist das Problem ein Kleineres. Dann ist nur mehr die wachsende Lebenserwartung ein „Problem“ (weil eigentlich ist es ja etwas Schönes, wenn man länger gesund ist und länger lebt).

Ganz generell können wir davon ausgehen, dass Privatisierungsmaßnahmen vor allem darauf abzielen, privaten Glücksrittern öffentliche Gelder zuzuschanzen. Sei es auf die Art, dass öffentliche Vermögenswerte unter Marktpreis privaten Freunderln rüber geschoben werden. Sei es, dass in den neu geschaffenen Unternehmen Jobs für die Freunderln geschaffen werden. Oder dass im Zuge der Privatisierung Provisionen oder Gelder für Consulting verschoben werden, die wiederum den Freunderln zugute kommen. Schwarz-Blau I hat das vorgeführt, bei den vielen Privatisierungen, die heute noch die Gerichte beschäftigen.

Zuletzt zeigte eine kleine Meldung, dass es damit schon wieder los geht. Beispiel: Die Fusion der Sozialversicherungen. Diese Fusionen schaffen neue Institutionen mit neuen Jobs (ratet mal, wer auf diese gesetzt werden wird). Aber sie schaffen auch die Möglichkeit, externe Berater zuzuziehen (weil Fusionen ja so furchtbar komplex sind, das kriegen die Sozialversicherungen ja nicht alleine hin).

Alleine die Fusion der Sozialversicherung der Selbstständigen mit der der Bauern verschlingt nur in diesem Jahr bereits über 10 Millionen Euro an Consultingkosten, die zufällig an eine Firma gehen, für die der SVA-Chef früher gearbeitet hat. Künftig sollen, so wird berichtet, 10 bis 15 Millionen jährlich an Consultingkosten fällig werden.

Welch ein Zufall – das ist genau die Art und Weise, wie seit 20 Jahren global öffentliche Kassen ausgeplündert werden.

Denn die Privatisierung öffentlicher Aufgaben bringt primär einmal einer Gruppe an Menschen sehr viel Geld. Investoren, Consultern, Anwaltskanzleien, Matchmakern, die die Deals einfädeln, und den Freunderln, denen die Vermögenswerte zugeschanzt werden. Privatisierung ist fast immer Korruption, nur ist sie meist legal. Der ehemalige deutsche Gesundheitsminister Philipp Rösler holte einen Spitzenmanager des Verbandes Privater Krankenversicherungen als Leiter der Grundsatzabteilung in sein Ministerium. Das deutsche Wirtschaftsministerium ließ das Bankenrettungsgesetz von einer Anwaltskanzlei schreiben, die primär für Banken arbeitet. Große Anwaltskanzleien wickeln Privatisierungen ab, Consultingfirmen beraten Regierungen und stellen sogar zeitlich befristete Beschäftigte für öffentliche Bürokratien, Lobbyisten sitzen in Aufsichtsräten. Das heißt: Der Staat wird von privaten Konzerninteressen gekapert. Die amerikanische Wissenschaftlerin Janine R. Wedel hat für ihr Buch „Shadow Elite“ ursprünglich die korrupten Privatisierungen in Osteuropa nach 1989 recherchiert – und hat im Zuge der Recherche herausgefunden, dass die damals entwickelten Praktiken später auch im Rest der Welt Nachahmung gefunden haben. „Die Korruption hat ihr Gesicht verändert“, sagt sie jetzt. „Es ist eine neue Form der Machtorganisation entstanden und damit auch eine neue Form von Korruption. Es gibt eine neue Gruppe von Akteuren, die ich die ‚Schatten-Elite‘ nenne. Die ‚Mover und Shaker‘, die beispielsweise ein Consulting-Unternehmen haben, oder mit einem Think-Tank verbunden sind, die sich einen Namen als TV-Experten machen und Posten als Regierungsberater bekommen, und die sogar für begrenzte Zeit Regierungsposten annehmen. Aber sie haben eigentlich keine Loyalität zu den Institutionen, für die sie zeitweise arbeiten, sondern nur ihren Netzwerken gegenüber.“ Diese Korruption wird aber nur durch die Outsourcung von Regierungsaufgaben an Private und durch die Privatisierung von staatlichen Leistungen ermöglicht. „Nicht die ökonomische ‚Allmacht des Staates‘, ist die Quelle heutiger Korruption, sondern die Verschiebung der Macht vom Öffentlichen zum Privaten.“

Ein Gedanke zu „Ein Versicherungslobbyist im Finanzministerium“

  1. In Zeiten wo risikobewusste Anleger enteignet werden, gibt es keine kapitalgedeckte Pensionsvorsorge. Bestenfalls wird das eingezahlte Kapital im Vorsorgefall (Alters-, Berufsunfähigkeits-, Witwen- und Waisenpension) ausbezahlt. NOMINAL nicht REAL. Das ist der Preis der Geldpolitik, wonach sich „Sparen in der Zeit, für die Zeit in der Not“ nicht lohnt.

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