Wie die Regierung Frauenmorde instrumentalisiert

Sebastian Kurz hat gestern wieder so einen Satz gesagt – scheinbar hingesagt. „Wer sich an Frauen und Kindern vergeht, hat keine Milde, sondern harte Strafen verdient.“ Dass dieser Satz genau ausgetüftelt, auswendig gelernt, und planmäßig aufgesagt war, erkannte man dann aber schnell: sehr bald brachten ihn die Kurz-Leute als Internet-Memes in Umlauf. Siehe rechts.

Mit solchen Sätzen hat es etwas auf sich. Da ist einmal das vordergründige, buchstäblich Gesagte: „Wer sich an Frauen und Kindern vergeht, hat keine Milde, sondern harte Strafen verdient.“ Gegen solch einen Satz kann nun einmal niemand etwas haben. Frauenmorde oder Kindesmissbrauch, das sind Delikte, die unsere Wut mobilisieren. Klar, man kann einwenden, dass harte Strafen keine Verbrechen verhindern, man kann auch einwenden, dass Rache nicht Ziel des Strafrechts ist, und überhaupt dass man doch für die Resozialisierung von allen sei – aber natürlich tickt in jedem von uns diese stille Überzeugung, dass man damit bei Kinderschändern oder Frauenmördern ja nicht unbedingt beginnen muss.

Das heißt: Es ist ein Satz, der auf viel Zustimmung vertrauen kann und auch darauf, dass kaum jemand öffentlich widersprechen wird.

Hermeneutisches Verstehen ist die Kunst, genau die Motive und Absichten zu erkennen, die hinter dem Gesagten lauern. Was eigentlich gemeint ist. Warum jemand etwas auf eine bestimmte Weise sagt.

Hinter diesen vordergründigen Bedeutungen hat so ein Satz nämlich auch viele, viel wichtigere Bedeutungen. Erstens: Man trommelt wieder gegen „die Ausländer“, denn durch die Gewaltserie der vergangenen Wochen, aber mehr noch durch die Propaganda der vergangenen Jahre hat man „kriminell“ mit „Ausländer“ untrennbar verbunden. Wenn Kurz also planmäßig von Menschen spricht, die sich an Frauen vergehen, dann sagt er immer auch, unausgesprochen dazu: Ausländer.

Sie werden nicht nur als Frauenmörder hingestellt, sondern sogar als Kinderschänder, was insofern bemerkenswert ist, weil die Gewalttaten der jüngsten Zeit, die überwiegend von Migranten begangen wurden, sich ja eigentlich nie gegen Kinder gerichtet haben. Also zumindest im letzten halben Jahr habe ich keinen anderen Fall in Erinnerung.

Das lässt in vielen eine Wut hoch steigen, weil man spürt, dass hier Verbrechen für Propaganda instrumentalisiert werden, aber es ist eine stumme Wut, weil man zugleich merkt, auf wie raffinierte Weise das geschieht, und man eigentlich nicht weiß, wie dieser Instrumentalisierung begegnet werden soll. Man weiß, die Populisten an der Macht nützen Verbrechen für ihre schmutzigen PR-Geschäfte, aber man weiß auch, dass man das kaum durchkreuzen kann.

Und es kommt noch etwas Weiteres hinzu: Indem jeder Kriminalfall genutzt wird, um ein „Sicherheitsproblem“ hochzureden, und die Regierung sich im nächsten Schritt als „Tough on Crime“, also entschieden gegen die Verbrechen positioniert, etabliert man Polarisierung: wenn die einen für Sicherheit und gegen Verbrechen sind, dann sind die anderen ja offenkundig gegen Sicherheit und für Verbrechen. Oder zumindest so irgendwie.

Wenn man spürt, wie schmutzig die Propaganda wird, aber genauso spürt, dass sie eigentlich nicht durchkreuzt werden kann, dann zieht man sich aus den Debatten zurück. Wem unwohl ist mit der Richtung, die die öffentliche Debatte nimmt, der hält einfach den Mund. Auf dem Feld der für Regierungspropaganda instrumentalisierten kriminellen Akte hat man ja schließlich nichts zu gewinnen. Wie soll man da dagegen reden? Auch das ist ein Ziel solcher Sätze: Dinge zu sagen, die viel Unterstützung haben, denen nicht leicht zu widersprechen ist, und denen deswegen niemand mehr widerspricht. Dafür zu sorgen, dass ganz generell niemand mehr widerspricht.

Ist Ihnen dieser Blog etwas wert? Robert Misik, IBAN AT 301200050386142129 / BIC= BKAUATWW

3 Gedanken zu „Wie die Regierung Frauenmorde instrumentalisiert“

  1. Genau so ist es. Und weil es gar nicht so schwierig wäre, durch ganz simple Fragen den sehr viel komplexeren Tatsachen auf den Grund gehen zu können, frage ich mich, wo ist unsere Plattform gemei sam mit den Politikern. Deren fb Seiten sind es nicht. Da kommt keine Antwort.
    Aber ich heb es nicht auf.

  2. So treffend wurde dieses Problem selten auf den Punkt gebracht.

    Aber ich finde, es ist trotzdem wichtig, den Kampf nicht aufzugeben. Wenn’s auch nur durch ein patziges: „Ja eh – und wie VERHINDERN wir jetzt den nächsten Mord?“ ist.

    Sich aus der Debatte zurückziehen ist so gefährlich… auch wenn wir derzeit in einer bereits sehr verfahrenen diskursiven Situation sind…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.