Pseudoliberale sehen überall eine „Verbotskultur“ oder eine „Moraldiktatur“. Der Pseudoliberale ist ein Bückling, der auf mutig tut und sich lächerlich macht, ohne es zu merken.
Es gibt einen Menschenschlag, der sich selbst auch noch als „liberal“ versteht, und permanent nur mehr rhetorisch überzieht. Der sieht überall „Bevormundung“, eine „Ökodiktatur“, beklagt die „Rundumbetreuung“ eines „Nannistaates“ und den Zwang zum „politisch korrekten Denken“. Der sieht „neuen deutschen Freiheitsekel“ oder eine „Öko-Flagellantenbewegung“. Dieser Pseudoliberalismus kommt nie ohne solche Gaga-Formulierungen aus.
Nun könnte man angesichts solcher Dada-Diagnosen annehmen, dass wir in einer Welt leben, in der die Knäste voller Andersdenkender sind, Menschen, die abweichende Meinungen vertreten, nur mehr mit eingezogenen Kopf herum laufen, überall Blockwarte das Tun der Bürger überwachen, eine Vielzahl an Gesetzen die Handlungen der Menschen einschränken und grimmige Polizisten die Einhaltung dieser Gesetze überwachen. Davon ist in der wirklichen Welt zwar nichts der Fall, aber dieser Menschentypus scheint sich das in seiner Durchgeknalltheit tatsächlich so lange einzureden, bis er tatsächlich glaubt, in der Phantasierealität zu leben, die er sich da aufbaut.
Es reicht ihm dafür schon die Tatsache, dass es in der Welt Menschen gibt, die eine andere Meinung haben als unsere Pseudoliberalen und diese auch noch äußern – diese Menschen betreiben dann eine „Meinungsdiktatur“. Insbesondere dann, wenn es noch weitere Menschen gibt, die diese Meinung äußern, und die den Pseudoliberalen widersprechen, ist eine regelrechte Tyrannei etabliert. Denn Widerspruch hat der Pseudoliberale nicht so gerne. Ist jemand nicht seiner Meinung, fühlt sich der Pseudoliberale unterdrückt. Deshalb wäre es aus seiner Sicht das Liberalste, würde man widersprechende Meinungen unterdrücken.
Über die Diagnose politischer oder gesellschaftlicher Probleme, wie etwa die Klimakatastrophe oder die krass anwachsende Ungleichheit und wie man diese Probleme lösen könnte, muss man mit dem Pseudoliberalen nicht diskutieren.
Ist jemand nicht seiner Meinung, fühlt sich der Pseudoliberale unterdrückt. Deshalb wäre es aus seiner Sicht das Liberalste, würde man widersprechende Meinungen unterdrücken.
Erstens kann er diese Probleme leicht ignorieren (er findet sicher irgendeinen Irren, der behauptet, dass es gar keine Klimakatastrophe gäbe, und da dieser Irre mit seiner Meinung eher in der Minderheit ist, handelt es sich schon automatisch um einen mutigen Helden, der sich gegen die Meinungstyrannei stellt); aber auch wenn er die Probleme nicht leugnet, würde der Pseudoliberale nur erwidern, dass man zur Lösung dieser Probleme Gesetze oder sogar Verbote benötigt, und gegen Verbote ist der Pseudoliberale ganz besonders. Jetzt gibt es zwar eine Reihe von Gesetzen, die auch mit Verboten bewehrt sind, die bestimmte Probleme lösen. Etwa ist das „Problem“ des Mordes und des Totschlags verboten und auch das „Problem“ des Massensterbens im Autoverkehr ist durch Ampeln geregelt und sogar durch Gesetze, die etwa das Überfahren der Ampeln bei Rotlicht verbieten. Ja, ausdrücklich ist das Überfahren von Fußgängern verboten. Warum bestimmte Handlungen, die andere Menschen in Mitleidenschaft ziehen, verboten sind, andere aber niemals verboten werden sollen, kann der Pseudoliberale nicht erklären.
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Klassische Liberale haben sich für eine Freiheitskultur eingesetzt, die das gedeihliche Zusammenleben von Menschen in großen Gruppen und den Pluralismus und die Meinungsfreiheit als auch eine demokratische Gleichheit verteidigte, wozu übrigens sogar harte Gesetze gehörten, die krasse Machtkonzentrationen aufgebrochen hätten. Von solcher liberaler Intellektualität ist der heutige Pseudoliberale weit entfernt. Er kann natürlich nicht erklären, warum er Verbote generell für schlecht hält, außer jene, an die er sich schon gewöhnt hat. Aber das muss der Pseudoliberale auch nicht, da er ja keine intellektuellen Ansprüche mehr hat. Er ist mehr von Zorn und Emotionen getrieben und wenn er eine beleidigende Formulierung findet, glaubt er schon, er wäre gescheit.
Er kann natürlich nicht erklären, warum er Verbote generell für schlecht hält, außer jene, an die er sich schon gewöhnt hat.
Besonders skurril sind jene Pseudoliberalen, die bestimmte Probleme in der Welt – von der Klimakatastrophe bis zum Raubbau an Ressourcen oder zur Kinderarbeit – keineswegs leugnen, aber an dem einen Tag meinen, man dürfe denen nicht mit Verboten begegnen, am anderen Tag, man dürfe denen auch nicht mit Bewusstseinsbildung und dem Versuch begegnen, etwa das Konsumentenverhalten zu ändern. Im einen Fall beklagt er die Verbotskultur, im anderen die Moralisierung. Wahrscheinlich meint der Pseudoliberale, dass man Probleme einfach stoisch ungelöst lassen soll, denn jeder Versuch, diese Probleme mit Verboten oder mit gutem Zureden zu lösen, wäre schlimmer als das Problem selbst. In früheren Zeiten hätte der Pseudoliberale wohl auch gemeint, jeder Tote am Zebrastreifen wäre weniger schlimm als ein Verbot („das Überfahren von Menschen ist untersagt“) oder eine Moraldiktatur („überlege, ob es nicht ausreicht, nur einmal in der Woche einen Menschen zu überfahren, muss ja nicht täglich sein“).
Zur ulkigsten Seite des Pseudoliberalen gehört noch, dass er sich einbildet, er wäre ein mutiger Rebell gegen Gängelung und gegen Mächtige. Dabei handelt es sich bei dem Pseudoliberalen meist um gutsituierte ältere Männer in gehobener Stellung oder angepasste Jünglinge, die gerne in gehobener Stellung wären, die in einer Bussi-Bussi-Welt mit den wirtschaftlich Mächtigen leben und natürlich nie etwas tun würden, was ihren Job, ihr Einkommen und ihren Status gefährden würde. Der Pseudoliberale ist in Wirklichkeit der angepassteste Konformist, der keine Sekunde zögern würde, jemanden Honig ums Maul zu schmieren und nach dem Mund zu reden, sofern der ihm für sein gedeihliches Überleben in der Welt der Gutsituierten, der Kartellbrüder, der Oligarchen, der Gutvernetzten, der Gewitzten und Champagnisierer vom Vorteil sein könnte. Der Pseudoliberale ist ein Bückling, der auf mutig tut und sich lächerlich macht, ohne es zu merken.