Märkte gut, Moslems böse, Klimawandel erfunden

Stramme Rechte glauben an freie Märkte, vertrauen der Gewalt mehr als friedlichen Lösungen, hassen Muslime und glauben daran, dass die Klimakatastrophe eine Erfindung ist. Aber wie hängen diese Ansichten, die doch eigentlich nichts miteinander zu tun haben, zusammen?

Was einem immer wieder auf’s Neue erstaunt, ist die Korrelation politischer Haltungen, die eigentlich am ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Da gibt es ja die hübschesten Sträuße an Meinungen: Leute, die finden, dass die Wirtschaft am besten funktioniert, wenn Märkte total ungeregelt sind und sich die Regierungen nicht einmischen, finden meist auch, dass man Immigranten ohne viel Federlesens abschieben soll, sie sind zudem der Ansicht, dass beispielsweise Israels Regierung alles, aber wirklich alles bis ins kleinste Detail richtig macht und sie finden zudem, dass die Moslems die größte Bedrohung für unsere Zivilisation sind. Außerdem glauben oft auch, dass es keine Klimakrise gibt, dass der Klimawandel eine Erfindung sei und dass alle Studien, die eine durch Menschen, durch Industrie, Landwirtschaft, Autoabgase hervorgerufene Erderwärmung nachweisen, eine Erfindung von bösen Wissenschaftlern, ruchlosen Politikern und ökoalarmistischen Medien darstellen. Die haben einen richtiggehend sektenhaften Wahn, die glauben, dass es ein Meinungskartell gibt, das vorschreibt, dass alle an den Klimawandel glauben müssen und das alle Indizien unterdrückt, die dagegen sprechen. Ach ja, dass es ein linkes Meinungskartell gäbe, das alles diktiert, finden diese Leute ja sowieso auch. Das passt auch gut zu dem paranoiden Stil, der in diesen Kreisen vorherrscht.

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Die interessante Frage ist freilich: Wieso sortieren sich die Meinungen so und nicht anders? Wieso sind Anhänger des Neoliberalismus meist auch gegen die Moslems und warum leugnen sie den Klimawandel? Ich meine, was hat die Erderwärmung mit den Märkten zu tun? Was haben die Märkte mit den Moslems zu tun? Ist diese Korrelation zufällig, in dem Sinn, dass es auch anders sein könnte? Könnte es ebenso gut sein, dass Anhänger des Neoliberalismus für offene Grenzen sind und zudem der Meinung anhängen, dass die Erderwärmung eine Gefahr ist, gegen die man etwas unternehmen muss?

Nun, diese Korrelationen lassen sich oft durch historische Genealogien erklären. Erstens: Anhänger einer freien, ungezügelten Marktwirtschaft finden oft aus naheliegenden Gründen, dass in Europa böser Sozialismus herrscht und in den USA freie Marktwirtschaft. Zweitens: Die USA sind natürlich auch kein homogener Block, dort sind die harten Rechten für einen harten Konkurrenzkapitalismus. Diese harten Rechten stehen auch gegen die Moslems. Drittens: die Regierung in Israel ist auch stramm rechts, und außerdem sind die, die in einem Konflikt mit Israel stehen, meist Moslems. Ergo: Sind auch unsere Rechten, die eigentlich knietief in antisemitischer Tradition stehen, plötzlich ganz wild für Israel. Viertens: Mit dem Glauben an die segensreiche Wirkung von Märkten verbindet sich ja meist auch eine ganze Art, die Welt zu sehen, sozusagen ein Menschenbild: Dass die Welt ein Kampf ist, eine Konkurrenz alle gegen alle, dass da Menschenfreundlichkeit und Mitgefühl mit Ärmeren gewissermaßen Defekte sind. Von daher lässt sich zumindest die Kaltherzigkeit gegen Armutsmigration und alle anderen ärmeren Gruppen erklären, außerdem die Überzeugung, dass man Konflikte besser mit Gewalt löst, nicht mit Friedensprozessen.

Was aber die Korrelation von Marktfundamentalismus und Klimawandel-Leugnung betrifft, dürfte es meines Erachtens noch einen weiteren, viel engeren Zusammenhang geben: Denn wenn es diesen Klimawandel gibt, dann wäre ja unser Wirtschaftssystem dafür verantwortlich, dann müsste man ja eingestehen, dass das Profitstreben von Firmen, Konzernen und Multis Probleme schafft.

Wohingegen die Marktideologen ja annehmen, dass der Markt keine Probleme schafft, sondern löst. Die glauben ja daran, dass nur unvollkommene Märkte Problem schaffen, aber freie Märkte jedes Problem lösen. Die glauben da ganz fest und unumstößlich daran, so wie der Papst an die Dreifaltigkeit oder der Selbstmordattentäter an die Paradiesjungfrauen. Wenn die Marktgläubigen die Klimakatastrophe einräumen würden, dann müssten die auch einräumen, dass man die mit Marktmechanismen nicht bekämpfen kann.

Dann müssten die vielleicht sogar einräumen, dass wir fundamental umsteuern, dass wir unsere Wirtschaft umrüsten müssen und dass die Regierungen hier eine massive Aufgabe haben. Dass wir sogar so etwas wie eine langfristige industrielle Planung bräuchten, um dieses Problem in den Griff zu kriegen. Die Marktgläubigen fürchten also instinktiv, dass wir bei der Planwirtschaft enden, wenn sie zugeben würden, dass es einen Klimawandel gibt. Deshalb glauben sie, dass sie das Offensichtliche abstreiten, dass sie Skepsis gegen die Wissenschaft schüren müssen.

Man kann annehmen, dass denen diese Zusammenhänge selbst nicht bewusst sind, dass all dies mehr ein Reflex ist, ein vorbewusster Instinkt. Dass sie nicht einmal wissen, warum sie denken, was sie denken. Es denkt gewissermaßen in ihnen, wenn „denken“ für diese neuronalen Vorgänge ein angemessener Begriff ist.

4 Gedanken zu „Märkte gut, Moslems böse, Klimawandel erfunden“

  1. Der Artikel ist super, den letzten Absatz finde ich aber doch sehr herablassend.
    Sicher ist, dass viele Menschen, die selber von sozialen Leistungen profitieren (kostenlose Ausbildung, Schulbücher, Sozialhilfe…..), diesen Einstellungen anhängen – sonst hätte ja Kurz kaum so viele Anhänger. Das finde ich auch ziemlich unlogisch – oder – wie andere schon vermutet haben – wenn man mit den Mächtigen einer Meinung ist, fühlt man sich vielleicht selber auch ein wenig mächtiger und kann sich über z.B. Flüchtlinge erheben.

  2. Verehrter Misik, das ist eine verunglückte Polemik, weil Sie darin viel behaupten, nichts beweisen und sich dem Vorwurf aussetzen, einen Popanz zu bauen, den Sie anschließend abwatschen können.
    Einen sonnigen Tag wünscht G. Lehrke

    P.S. : Das Niedertracht-Buch fand ich toll

  3. Um noch etwas nachzulegen, worin der Zusammenhang zwischen Rechtsdrall und Klimawandelleugnung bestehen könnte:

    Blackstone / Trump / Bolsonaro / Soja: https://theintercept.com/2019/08/27/amazon-rainforest-fire-blackstone/

    David Koch / Tea Party / Energiewirtschaft / Trump:
    https://newrepublic.com/article/154836/david-koch-changed-world

    Zumindest im Koch-Artikel wird darauf hingewiesen, dass für ihn ein Zusammenhang zwischen neoliberalen Idealen und Ablehnung von Regulierung im Energiesektor bestand.

    Die geförderten think tanks arbeiten ja mit vergleichbaren Methoden: dem Fabrizieren „alternativer Fakten“ und dem Charakterisieren des politischen Gegners als unzurechnungsfähigem „Feind“, der Zerstörung herbeigeführt.

    Mir scheint diese strukturelle Äquivalenz der Propaganda dafür maßgeblich, dass wer eine dieser irrealen Erzählungen zu glauben bereit ist, auch für die andere anschlussfähig ist.

    – (Dazu noch ein kleiner Exkurs, nur angerissen, aber vielleicht hilft es ja nicht nur mir, sich über das Phänomen etwas klarer zu werden.) –

    Nicht umsonst blühen im rechtsextremen Milieu die absurdesten Theorien, nicht umsonst verbreiten ihre Kanäle seit jeher auch solche Gedankengebäude. Wenn alles möglich ist, wird das Absurde glaubwürdiger, Widersprüche verwandeln sich in ein diffuses Nebeneinander, Belegtes in eine Theorie unter anderen.

    Die Leerstellen zwischen den Widersprüchen werden verbal mit der Wiederherstellung eines besseren, verlorenen oder bedrohten Ideals gefüllt, der echte Mann, die echte Frau, die idyllische Heimat, das richtige Essen, das „Normale“, das „Richtige“, das Kompromisslose.

    Gleichzeitig bleiben die eigenen Handlungen davon unberührt, Alkohol, Koks, Speed und Kiffen, S/M, Metal und Oi-Punk, Umweltzerstörung und Gewalt gehören dazu, auch wenn sie zum beschworenen Bild der Idylle in Kontrast stehen. Sie sind „nur Reaktion“ auf die „Provokation“ der „Anderen“, somit abgespalten und werden zu Eigenschaften des gierigen, schmutzigen, geilen, faulen, feigen, verblendeten, hinterlistigen etc. „Feindes“. Eigentlich eine Form des Selbsthasses, der sich selbst im Exzess am Gegner vergessen möchte.

    Der Rest ist organisierte Simulation von großer Zustimmung und bedrohlicher Gegnerschaft, um Zögernden eine Gemeinschaft zu anzubieten, in der sie nicht befürchten müssen, qua ihrer Ideen abgelehnt oder angegriffen zu werden, sollten sie einen der ausgelegten Köder geschluckt haben (auch Feminismus, Veganismus, Ökologie allgemein, Humanismus, Antimilitarismus, Wissenschaftlichkeit, Pädagogik, schlicht alles vom Reflexhaften abweichende oder „weiche“ lässt sich instrumentalisieren). Darauf folgt Gruppendynamik.

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