Montag im Kreisky Forum: Lutz Raphaels bahnbrechende Studie über den „Abschied vom Malocher“

Das sollten sich vor allem Gewerkschafter*innen nicht entgehen lassen.

Es gilt jetzt schon als eines der wichtigsten Sachbücher des Jahres. „Selten nur kann man ein Buch finden, das so viel Wirklichkeit, die vor der Nase liegt, bewusst macht“, feierte Gustav Seibt in der „Süddeutschen Zeitung“ Lutz Raphaels „Jenseits von Kohle und Stahl“. Seibt: „Gäbe es noch eine intellektuell wache Sozialdemokratie, dies müsste ihr Buch sein. Es handelt von den Jahren, die wir kennen, und darum auch von einer Zukunft, die noch unbekannt ist.“

Raphael hat die Geschichte der vergangenen dreißig Jahre geschrieben, dieser Epoche, die wir oft viel zu lässig mit dem Begriff „Neoliberalismus“ zusammen fassen. Es ist die Geschichte des Abstiegs der Arbeiterklasse, die Geschichte des Strukturwandels, der ganze Industrien verschwinden ließ, des Aufstiegs neuer Arbeitsformen. Die Geschichte der Deindustrialisierung. Die krassesten Erscheinungsformen haben wir alle vor Augen: den Untergang ganzer Branchen, etwa des Kohlebergbaus in Nordengland, der Niedergang der Kohlereviere im Ruhrgebiet, der Werften in Norddeutschland, der stahlverarbeitenden Verstaatlichten Industrie in Österreich. Aber Deindustrialisierung ist viel mehr: Automatisierung und Rationalisierung im verarbeitenden Gewerbe und damit Arbeitsplatzverlust selbst in erfolgreichen Branchen. Rationalisierungsdruck, der stetig wirkt, sodass nahezu überall die Beschäftigten wissen, dass es bei der nächsten Runde auch sie erwischen kann. Entsolidarisierung, diese Haltung „ich kümmere mich nur mehr um mich selbst“, ist eine Folge davon.

Arbeitsmarktstabilität ist durch Instabilität ersetzt worden, und nicht nur für die eklatantesten Verlierer des Strukturwandels. Untergegangen ist auch eine Leitfigur der Arbeit, Raphael spricht vom „Abschied vom Malocher“.
Das Absurde ist: Wir alle durchleben diese Ära, aber die Geschichte dieser Zeit, vor allem die Geschichte der einfachen Leute, die unter die Räder kamen, ist noch nicht geschrieben.

Kommenden Montag stellt Lutz Raphael sein bahnbrechendes Buch im Kreisky Forum vor.

Montag, 23. September, 19 Uhr
Kreisky Forum, Armbrustergasse 15, 1190 Wien

2 Gedanken zu „Montag im Kreisky Forum: Lutz Raphaels bahnbrechende Studie über den „Abschied vom Malocher““

  1. 1995 hat auf die von der SPÖ regierte Stadt Wels auf Betreiben der ÖGB-Bezirksgruppe Wels eine Studie über die Situation der Arbeitnehmer in Wels in Auftrag gegeben. Ein Ergebnis stach hervor: Den größten Druck und Frust verspürten die 28-jährigen Facharbeiter, die ihren gesellschaftlichen Status als Demütigung empfinden. Diese Gruppe hatte auch die größte Disposition zur FPÖ. Jeder Versuch auf diese Erkenntnis zu reagieren, versank in der Eigenlogik, in der sich SPÖ, Gewerkschaften und ÖGB befinden. Das ist keine Negativ-Bewertung, sondern die Erkenntnis, dass es eigene Strukturen für gesellschaftliche Phänomene geben muss, die von der Alltagslogik und den Kämpfen entkoppelt sind. Wir würden z.B. dringend die qualitative Sozialforschung brauchen. Der Wunsch nach Anerkennung, Bedeutung, eine Aufgabe zu haben und gebraucht zu werden ist existenzieller Natur, sagt Pierre Bourdieu sinngemäß. Wem das versagt wird, dem ist alles wurscht, ist meine Erfahrung. Ich bin überzeugt, dass die Sympathisanten der FPÖ den größten Teil der Mir ist alles wurscht -Gruppe stellen. Die FPÖ gibt ihnen die symbolische Zugehörigkeit, so verlogen und falsch das auch immer sein mag.

    1. Hast Du die Studie noch? Würde mich sehr interessieren! Und ich gebe Dir in allem Recht und mein demnächst erscheinendes Buch „Die falschen Freunde der einfachen Leute“ handelt im Grunde genau davon. Herzlich, Robert

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