Wenn Selbstliebe blind macht

Der Groschenroman über das türkise Wunderbaby sagt mehr über den Porträtierten aus, als man glaubt: Sebastian Kurz muss von geradezu entrückter Eitelkeit sein. Und es gibt um ihn herum offenbar niemanden mehr, der es wagt, dem Chef zu widersprechen.

Sebastian Kurz, Opferlamm vom Dienst, ist schier von Pech verfolgt: Erst Ibiza-Opfer, dann Opfer hinterlistiger Misstrauens-Abstimmer, dann E-Mail-Opfer, zuletzt angebliches Hacker-Opfer und nun auch noch Opfer einer Biografin, die sich an den Kanzler heran machte, sein Vertrauen erschlich und einen peinlich-schwülstigen Groschenroman über ihn schrieb.

Heinz-Christian Strache fiel auf eine Schauspielerin herein, die sich als Oligarchennichte ausgab. Sebastian Kurz auf eine Hobby-Schreiberin, die sich als Autorin ausgab.

Stellt sich nur die Frage, wie man so vom Pech verfolgt sein kann. Zumal eine kleine Google-Recherche schon ausgereicht hätte, um jedem klar zu machen: Nur Finger weg von dieser Frau, deren Social-Media-Verhalten schon, nunja, eigenwillig ist, und deren Webpage von Angebereien zum Fremdschämen nur so strotzt. So gibt sie sich als ehemalige „Managing-Editor“ von „profil“ aus. Blöd nur, dass bei „profil“ noch nie jemand von ihr gehört hat.

Heinz-Christian Strache fiel auf eine Schauspielerin herein, die sich als Oligarchennichte ausgab. Sebastian Kurz auf eine Hobby-Schreiberin, die sich als Autorin ausgab.

Womöglich verrät die Tatsache, dass Kurz auf eine solche Hochstaplerin hereinfallen konnte, mehr über das „System Kurz“ als man zunächst glauben würde. Da ist einmal die Eitelkeit. Wir können davon ausgehen, dass die Hagiografin Sebastian Kurz ausreichend gebauchpinselt hat, ihm schöne Augen machte und ihm stets spiegelte, wie toll sie ihn finde. Liebe macht ja nicht nur insofern blind, als der Verliebte blind für die Schwächen des Angebeteten ist. Es funktioniert auch umgekehrt: Der Angebetete, der sich geschmeichelt fühlt, wird blind für die Eigenartigkeit der Verehrerin. Weil er sich ja selbst so sieht wie die Person, die ihn anhimmelt – oder sich gerne so sehen mag. Da blendet man dann gerne aus, dass das Gegenüber irgendwie „Dings“ ist. So wie wenn man sich mit viel Wodka-Red-Bull um vier Uhr Morgens das Gegenüber schön säuft, wenn grad kein anderes zur Hand ist.

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In einer funktionierenden Partei mit Fehlervermeidungskultur müsste es freilich auch noch Kontrollmechanismen geben – oder einfach Leute – die den Anführer in so einer Situation warnen. Ihn auf den Boden der Realität zurück holen. Ganz offensichtlich gibt es solche Leute rund um Sebastian Kurz nicht mehr. Ist es wirklich so, dass sich das System Kurz schon nach weniger als zwei Jahren an der Regierungsspitze durch einen eingebunkerten Anführer auszeichnet, der sich nur mehr mit Ja-Sagern umgibt, die es nicht mehr wagen, den Chef zu warnen und ihm die Wahrheit ins Gesicht zu sagen? Es spricht vieles dafür.

Insofern, aber nur insofern, sagt uns die lächerliche Kim-Jung-Kurz-Biografie vielleicht doch etwas über den Porträtierten. Aber etwas anderes, als die Biografin und der Biografierte beabsichtigt haben.

6 Gedanken zu „Wenn Selbstliebe blind macht“

  1. Wenn man – nicht nur durch unqualifizierte Jubelschreiberei – tasächlich wissen möchte, wie einer wie der Kürzler denkt und motiviert ist, empfiehlt es sich, sich mit den Symptomen der schweren narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu konfrontieren. Für’s erste genügt es dafür, sich auf „Youtube“ eines der einschlägigen Videos eines der dort publizienden Psychoanalytikers oder -Therapeuten anzusehen und sich (mehr oder weniger amüsiert) von einem „deja-vu“ ins nächste Wiedererkennen hineintragen zu lassen. … Danach kein einen dieser Typ kaum mehr überraschen, da er ja im Rahmen seiner Störung absolut schlüssig handelt.

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