Niedertracht zufällig abgewählt

Sebastian Kurz triumphiert, dabei kommt ihm aber sein rechtsextremer Koalitionspartner abhanden. Das ist mehr ein Glück und Zufall als eine nachhaltige Trendwende.

Am Ende ist es ein Spuk, der glücklicherweise zu Ende gegangen ist: Sebastian Kurz wurde triumphal zwar mit etwas mehr als 37 Prozent der Stimmen als Zentralfigur der österreichischen Innenpolitik und als Kanzler – höchstwahrscheinlich – bestätigt, sein bisheriges Regierungsprojekt einer Rechtsaußenkoalition ist aber de fakto abgewählt. Die Herrschaft der Niedertracht einer rechtspopulistisch gewendeten ÖVP mit einer extrem rechten Freiheitlichen Partei wird es künftig aller Voraussicht nach nicht mehr geben.

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Die Ultrarechten sind von 26 Prozent auf 16 Prozent abgestürzt. Mathematisch ginge sich eine Fortsetzung dieses Bündnisses zwar aus, aber nach menschlichem Ermessen wird Kurz diese Variante nicht ins Auge fassen. Die FPÖ ist nach ihrem Debakel und in ihrer schweren innerparteilichen Krise zu instabil, um zu einem Koalitionspartner zu taugen. Und die Partei selbst wird das auch gar nicht anstreben. In den ersten Reaktionen nach dem Wahltag hat sie einen Regierungseintritt faktisch ausgeschlossen.

Dass damit aber ein Rezept gegen den Aufstieg des Rechtsextremismus gefunden worden wäre – dieser Täuschung sollte man nicht erliegen. Dass der Spuk einer Orbanisierung Light in Österreich so schnell zu Ende ging, ist im Grunde eher dem Zufall zu verdanken. Erst tauchte das Ibiza-Video des langjährigen Parteichefs Heinz Christian Strache auf, das Kurz zur Beendigung der Koalition zwang und die Partei von rund 26 auf 20 Prozent in den Umfragen fallen ließ. Aber dieser Mega-Skandal, der wohl jede andere normale demokratische Partei tief in den Keller fallen hätte lassen, brachte die Partei allenfalls in Turbulenzen. Schnell stabilisierte sie sich. Ihre Basis, die rechten Wut-Wähler, hielten zum Großteil weiter zu ihr. Deren Anti-Establishment-Stimmung ist ausreichend einzementiert. Erst der Umstand, dass kurz vor dem Wahltag dann auch noch die Spesenregelungen ihres Ex-Chefs Strache auftauchten, die sein fürstliches Leben auf Steuerzahler- und Parteimitgliedschafts-Kosten dokumentierten, sich ein Sumpf aus Kriminalität und illegalen Machenschaften öffnete, brach den Freiheitlichen endgültig für diese Wahlen das Genick. Jetzt hat die Partei mit der Aufarbeitung des Skandals genug zu tun, mit der Festnahme langjähriger Spitzenfunktionäre ist quasi stündlich zu rechnen. Diese Krösus-Mentalität haben ihr ihre Wähler am Ende nicht mehr verziehen. Besiegt ist die Partei aber nur temporär, gewiss nicht endgültig. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie sich nach einer turbulenten Phase wieder stabilisiert. Die politische Atmosphäre im Land ist durch Jahrzehnte der Klimavergiftung so, dass die FPÖ aus der Opposition heraus wohl wieder ins Wachstum kommen wird. Welches Setting sich ergebenen wird, hängt letztlich von der Regierungskonstellation ab, die Sebastian Kurz herausverhandeln wird: Wird er mit den Grünen koalieren, die einen fulminanten Wahlsieg hinlegten? Oder doch mit den schwer geschlagenen Sozialdemokraten, die er aus tiefsten Herzen hasst? Eine Koalition der ÖVP mit den Grünen ist zur Zeit am Wahrscheinlichsten.

Die Sozialdemokraten sind schwer am Boden aufgeschlagen, mit wohl nicht einmal 22 Prozent der Stimmen haben sie das historisch schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte hingelegt. Selbst im legendären „Roten Wien“ haben sie gerade noch einmal 29 Prozent ins Ziel gerettet, nur mehr fünf Prozent vor den Konservativen. Rot und Grün zusammen haben in Wien nur mehr 49 Prozent auf der Waagschale.

Dieses Desaster hat viele Ursachen. Zunächst die lange Erosion der Glaubwürdigkeit der Partei, die, wie die meisten mittigen Sozialdemokratien in Europa nicht mehr deutlich machen kann, wofür sie eigentlich steht. Dann die innerparteilichen Turbulenzen der vergangenen Jahre. Erst wurde der Parteichef und Kanzler Werner Faymann gestürzt und durch Christian Kern ersetzt, der sich nach der Wahlniederlage vor zwei Jahren gegen Sebastian Kurz dann überstürzt verabschiedete. Seine Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner, damals gerade erst seit zwei Jahren Parteimitglied, übernahm recht unvorbereitet eine zerzauste Partei. Das ist gerade einmal ein Jahr her. Der Zusammenbruch der Rechtskoalition und die Neuwahlen kamen für sie merkbar zu früh. Sie selbst war gerade erst dabei, Tritt zu fassen, das Team um sie herum aus ebenso selbstbewußten wie mediokren Jungapparatschiks ist auf aufreizende Weise dysfunktional. Eine wirkliche Linie hat man im Wahlkampf nie gefunden. Man versuchte sich als die soziale Kraft im Land zu präsentieren, mit allerlei richtigen Forderungen, die sich aber eher nur zu einem langen Katalog summierten als zu einem gewinnenden Gesamtbild. Klare Botschaften fehlten. Die Kandidatin selbst kämpfte wie eine Löwin, konnte ihre Stärken aber nie wirklich ausspielen.

Stärken die da wären: sie ist eine emphatische, gewinnende, sympathische Frau, die dann am besten wirkt, wenn sie ganz sie selbst ist, authentisch und spontan auftritt. Im Wahlkampf war sie entweder übercoacht und sagte Sätze auf, die hölzern und einstudiert wirkten, oder sie war so verunsichert, dass sie nicht wirklich locker sein konnte – was durchaus verständlich ist, wenn man weiß, dass man einen 12-Prozent-Rückstand aufholen muss. Sie hat einen beherzten Wahlkampf geführt und war trotz allem das letzte verbliebene Atout ihrer Partei, aber gegen Sebastian Kurz, der letztendlich souverän seinen Vorsprung ins Ziel spielte, hat sie nie substantiell punkten können. Auf viele Leute wirkte sie auch unecht, was verhinderte, dass sie sie emotional packen hätte können. Und letztendlich wurde die Partei geradezu zerrieben. Die eher „proletarischen Wähler“, die man in den vergangenen Jahrzehnten an die FPÖ verloren hatte, konnte man nicht zurück holen – und die linksliberalen, urbanen Wähler liefen in Scharen zu den Grünen über. Das ist letztendlich das Grunddilemma der Partei, und an dem ist die Spitzenkandidatin am wenigsten Schuld. Deswegen sitzt sich auch, der schweren Schlappe zum Trotz, im Augenblick durchaus sicher im Sattel. Man weiß: Bei allen Schwächen, die sie auch im Wahlkampf hatte, das Debakel geht nur zu einem geringen Teil auf ihre Kappe. Die strategischen Dilemmata der Sozialdemokratie bleiben sowieso bestehen und eine bessere Frontperson ist weit und breit nicht zu sehen.

Dementsprechend bange sehen die Genossen in die Zukunft. Schon bald könnten sie vor einer diffizielen Entscheidung stehen. Wenn die Grünen doch eine Koalition mit Sebastian Kurz ablehnen, kommt die Sozialdemokratie in die Ziehung. Und sie weiß: In einer Koalition als Juniorpartner von Sebastian Kurz droht ihr ein SPD-Schicksal. Aber auf den harten, kargen Sesseln der Opposition wird sie auch eher wenig Lebensenergie tanken können.

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